Fyran x Hgaar II

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Es waren nun schon viele Wochen vergangen, seit Hgaar nach dem missglückten Überfall der Wanderalben gefangen genommen worden war. Ebenso viele Wochen, seit er mit verschlossener Miene und ohne seine Waffen, aber wohlbehalten ins Dorf zurückgekehrt war.

Die anderen Dunkelalben hatten ihm unsichere, bewundernde und sogar ängstliche Blicke zugeworfen, aber niemand hatte es gewagt, ihn nach seiner Gefangenschaft zu fragen - und wie er entkommen war.

Hgaar wusste, dass sie insgeheim ihn und seine Vorbereitungen dafür verantwortlich machten, dass der Überfall der Wanderalben gescheitert war und sie kaum Opfer zu beklagen hatten. Er jedoch ignorierte das Geflüster geflissentlich und wenn ihm jemand persönlich dankte, winkte er ab und verwies auf den Mut der Frauen, die die Wehrlosen in den Wald geführt und dort beschützt hatten.

Seit er mitten in der Nacht mit dunklen Augenringen und Malen an Hals und Armen ins Dorf gestolpert war, hatte er sich noch mehr in Schweigen gehüllt als zuvor. Alle merkten, dass er mit den Gedanken weit weg war, aber nur seine Schwägerin Yulee traute sich, ihn danach zu fragen.

Sie hatte ihn abgefangen, als er gerade mit einigen jungen Dunkelalben von der Jagd zurückgekommen war. Ihre dunklen Augen ruhten besorgt auf seinem markanten Gesicht. Er erwiderte ihren Blick, die Lippen fest aufeinander gepresst.

"Was ist los, Hgaar? Haben sie dir etwas angetan? Du kannst mit uns darüber sprechen..."

Der groß gewachsene Dunkelalb seufzte lautlos und rang sich ein kleines Lächeln ab. "Es ist nichts, Yulee. Alles, was zählt, ist, dass sie so schnell nicht mehr wiederkommen werden. Dafür gebe ich dir mein Wort."

Die zierliche Albe zog bekümmert die eleganten Augenbrauen zusammen und musterte Hgaar lange, bevor sie murmelte: "Der Himmel weiß, welchen Preis du bezahlt hast... Ich danke dir, aber ich wünschte, du müsstest diese Last nicht alleine tragen."

Hgaar umfasste ihren Hinterkopf mit einer Hand und hauchte ihr einen Kuss auf den Scheitel, dann trat er zurück. Seine rabenschwarzen Haare wirkten genauso matt und kraftlos wie seine Augen, in denen zuvor stets ein nicht verglühendes Feuer gebrannt hatte.

Yulee sah ihm bekümmert hinterher, während er die erlegten Wildtiere auf der Schulter davonging. Seine mächtige Gestalt verschwand zwischen den Häusern, die sie gemeinsam wieder aufgebaut hatten, nachdem sie während des Überfalls niedergebrannt worden waren.

Plötzlich ertönte aufgeregtes Rufen und ein Tumult brach aus. Schlimmes ahnend hastete Yulee in die Richtung, aus der der Lärm kam - die Richtung, in die Hgaar eben verschwunden war. Wie sie befürchtet hatte, standen einige der Dorfbewohner hilflos beieinander.

Eilig drängte sich die Dunkelalbe an allen vorbei und kniete sich neben den zusammengebrochenen Hgaar. Sein Haar verdeckte sein Gesicht, aber Yulee erkannte dennoch erleichtert, dass er noch atmete. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte, um sich zu beruhigen und zu konzentrieren, wandte sie sich an zwei junge Kerle.

"Tragt ihn bitte in sein Haus."

Die beiden Dunkelalben wirkten bestürzt, Hgaar bewusstlos und so schwach zu sehen, nickten aber sofort und kamen ihrer Bitte nach.

Wenig später beugte Yulee sich über ihren Schwager, der nach wie vor nicht bei Bewusstsein war. Seine Haut war fahl und sein Atem kam ungleichmäßig. Seit dem plötzlichen Verschwinden seines Bruders und der darauffolgenden, monatelangen Suche ohne Hilfe hatte Hgaar nicht mehr so kraftlos gewirkt.

Seufzend setzte sie sich an die Kante seines Bettes. Sie war alleine hier in seiner Hütte, weil sie nicht wussten, was Hgaar fehlte und demnach keiner von ihnen ihm helfen konnte. Was auch immer der Grund für seinen Zustand war, er musste selbst damit klarkommen.

Waves - Oneshots BoyxBoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt