Fyran x Hgaar

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- Hgaar -

Hgaar stieß ein angestrengtes Ächzen aus, während er das Fass mit Pech, das er durch das gesamte Dorf gerollt hatte, schwungvoll aufstellte.

Die anderen Männer des Dorfes taten es ihm gleich, finstere Ernsthaftigkeit auf ihren Gesichtern. Die Frauen und Kinder hatten sich etwas abseits gesammelt und versahen die Pfeile mit Gänsefedern.

Hgaar rieb sich den Schmutz aus der Stirn und strich sein langes, schwarzes Haar von der Schulter. Sie mussten jeden Moment damit rechnen, überfallen zu werden. Deshalb stellten sie Pech bereit und fertigten Pfeile, anstatt wie die anderen Dörfer im Tal die Ernte einzuholen.

Seit Jahren schon stand sein Dorf in einer tiefen, leidenschaftlichen Feindschaft mit den umherziehenden Wanderalben, die immer und immer wieder versuchten, sie auszurauben und ihr Hab und Gut mitzunehmen oder zu zerstören. 

Grund für diesen Hass aufeinander waren ihre unterschiedlichen Ahnen, das zumindest nahmen Hgaar und die anderen Dorfbewohner an. Während sie alle ausnahmslos Dunkelalben waren, ihr Haar in sattem Rabenschwarz glänzte und sie die Ruhe und den Frieden schätzten, der ihnen ihre stille, schweigsame Art bescherte, konnten die wandernden Alben nicht anders sein.

Sie zogen umher, waren unbeständig, aufbrausend und wild und ihre Haare hell wie das Feuer der Wut, das sie bei jedem Besuch in den Herzen der Dunkelalben hinterließen.

Hgaar hörte, wie jemand seinen Namen rief und wandte sich um. Einer der Dorfältesten kam langsam auf ihn zu, einen ernsten Ausdruck in den dunklen Augen. Eilig ging Hgaar ihm entgegen und beugte sich ein wenig herab, um den Ältesten nicht um einen Kopf zu überragen. Die Muskeln in seinem Nacken zuckten bei der unangenehmen Haltung.

"Hgaar, wie weit sind die Männer? Unah ist zurück, er hat sie schon am Fluss gesehen. Sie werden bald hier sein!"

Der stattliche Dunkelalb schloss die Augen und atmete tief gegen sein hämmerndes Herz. Nicht nur er hatte dieses Jahr ein besonders unangenehmes Stechen in der Brust, eine wage Vorahnung. Dieselbe Angst sah er in den Augen des Ältesten. 

"Wir sind bald soweit. Die Fässer stehen und die letzten Pfeile sind auch bald fertig. Was machen wir mit den Kindern und den Alten?" Kaum dass Hgaar das gefragt hatte, spürte er eine schmale Hand auf seiner Schulter und sah seine Schwägerin Yulee hinter sich stehen, ein entschlossenes Lächeln im Gesicht. 

Mit einem herausfordernden Zucken ihrer dunklen Augenbraue erwiderte sie: "Diese kriechenden Missgeburten sollen nur versuchen, an unsere Kinder zu kommen!" Zu wissen, dass sich Yulee und die anderen Frauen um die Schwachen kümmern und sie bis zum Ende verteidigen würden, nahmen eine der Lasten von Hgaars Schultern und er atmete auf.

"In Ordnung, ich sehe nach den Posten." 

Mit diesen Worten stapfte er los, zum Rand des Dorfes, wo sich bereits alle kampffähigen Alben mit Pfeilen und Bögen ausstatteten und sich um die Pechfässer positionierten, neben denen Fackeln in der Erde steckten. Nachdem sie Hgaars hochgewachsene, eindrucksvolle Gestalt erblickt hatten, nickten sie ihm zu, harte Verbissenheit in ihren Zügen.

Wir sind nicht zum Kämpfen gemacht, dachte Hgaar grimmig, während er einem jungen Alben dabei zu sah, wie er seinen Bogen bespannte. Dessen schlanke, blasse Hände waren schon ganz rot von der scharfen Sehne und Hgaar wusste, dass diese Finger sonst nur die Saiten einer Harfe kannten.

Plötzlich erklang das schicksalhafte Horn, das die Wanderalben ankündigte. Hgaar fing den Bogen gekonnt auf, den ihm einer seiner Männer, der Dorfschmied, zuwarf, legte sich den Gurt eines vollen Köchers um und trabte in die Richtung, aus der der Angriff kommen würde.  

Waves - Oneshots BoyxBoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt