Prometheus x Leon

536 24 0
                                    

Die Sage um den griechischen Gott Prometheus ist euch sicherlich bekannt. Er täuschte Zeus, lehnte sich gegen ihn auf und stahl ihm das Feuer, um es gegen einen ausdrücklichen Befehl des Göttervaters den Menschen zu bringen.

Dafür wurde er zur Strafe auf ewig an einen Felsen mitten in einem öden Gebirge gefesselt und ein Adler kommt regelmäßig, um ihm die Leber aus dem Leib zu picken.

Weil diese sich aber immer wieder erneuert, hört Prometheus' qualvolle Strafe niemals auf und soll den Menschen eine Lehre sein, sich niemals mit Zeus anzulegen.

So ähnlich wird sie überliefert.

Aber wisst ihr was, alles Schwachsinn!

Was wäre nämlich, wenn Prometheus zwar das Feuer gestohlen hätte, aber sich nicht zum Helden der Menschheit aufschwingen wollte, sondern lediglich versucht hat, ein paar wenige Leben zu retten? Was, wenn die Strafe aber auch gar nicht dafür war? Und wie kann es sein, dass er niemals auch nur versucht hat, sich zu befreien?

- Prometheus  -

Bilder zucken durch meinen Geist und für einen winzigen Moment glaube ich, tatsächlich wieder in dem friedlichen kleinen Dorf zu leben, in dem ich Medea und Timotheos kennengelernt habe.

Immer und immer wieder gaukeln mir die brennende Hitze auf meiner mittlerweile vollkommen verbrannten Haut und der siedende Schmerz in meinem Unterleib vor, dass ich sie von neuem erblicke, wie sie fröhlich lachend am See spielen.

Medea, die ihre glänzenden braunen Haare über die Schulter wirft und ihrem süßen, kleinen Sohn dabei zusieht, wie er mit den Fischen spielt. Ihre grünen Augen strahlen vor Freude, als sie mir ihre Hand anbietet und mich bittet, mit ihr zu kommen.

Und jedes Mal, jedes einzige Mal, zerplatzt das Bild meiner Sehnsucht, bevor unsere Finger sich berühren können.

Dann spüre ich wieder das scharfe Metall um meine Handgelenke, den stechenden Schmerz in meinen überlasteten Schultern und das heiße Blut, das mir aus der frischen Wunde sickert.

Anscheinend habe ich den Adler gerade verpasst, denke ich voller Dankbarkeit und schließe die Augen, in der Hoffnung wieder abzudriften. Ich habe mir angewöhnt, in diesen Dämmerzustand zu flüchten, weil ansonsten meine Gedanken zurückkommen.

Die Erinnerung an Medea und Timotheos, die hilflos mitansehen mussten, wie ihr Dorf eines Tages im Herbst von streunenden Söldnern überfallen, ausgeraubt und zerstört wurde.

Medea, die ich nicht vor den lüsternen, rücksichtslosen Angreifern schützen konnte und die ich leider zu spät blutend und kraftlos auf dem Boden gefunden habe, das Kleid zerrissen.

Und das Schlimmste war die Hoffnungslosigkeit und Angst, als den Dorfbewohnern klar wurde, dass sie keine Häuser, keine Decken und keine Tiere mehr hatten, von denen sie im nahenden Winter hätten Wärme bekommen können. Sie waren der Unbarmherzigkeit des Winters ausgeliefert und ich konnte es nicht ertragen, ihnen beim Sterben zuzusehen.

Das ist der Grund, weshalb ich Zeus' mühevoll beschütztes Feuer gestohlen und den Dorfbewohnern geschenkt habe - damit Medea und Timotheus das nächste Jahr noch erleben. Das war ich ihnen schuldig.

Wie hätte ich denn damit rechnen können, dass Zeus nicht nur mich bestraft - was ich ohne zu Zögern über mich geschehen lassen habe -, aber dass seine Rache auch gegen Medea und den kleinen Timo gerichtet war?

Und eins weiß ich jetzt, es gibt nichts quälenderes an Folter als die Schreie Verbrennender.

Ein Schrei holt mich aus meinem inneren Schmerz. Als ich meinen Kopf ein wenig drehe, kann ich die riesigen Schwingen des Adlers sehen, der gemächlich auf mich zu segelt. Schon jetzt spannt sich alles in mir an, in Erwartung dessen, was unweigerlich folgen wird.

Waves - Oneshots BoyxBoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt