Erlkönig x Luk

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Badumm. Badumm. Badumm.

Donnernd krachten die Hufe des schwarzen Hengstes auf den feuchten, von Blättern bedeckten Boden. Das Tier schnaufte heftig, die weißen Atemwolken vor seinen Nüstern stoben im hellen Mondlicht auf und glitzerten wie Kristallstaub.

Luk hatte jedoch keine Zeit und Nerven, darauf zu achten. Unruhig trieb er den Hengst erneut an, brachte ihn dazu, seine gewaltigen Sprünge noch zu vergrößern. Eiskalter Wind peitschte ihm ins Gesicht und ließ seine Augen tränen, sodass er die dunklen Umrisse der Erlenbäume vor sich kaum erkennen konnte.

Im nächsten Moment hörte er ein leises Wispern hinter sich. Nein, bitte nicht!, schoss es ihm durch den Kopf, während er einen hastigen Blick über die Schulter wagte. Irgendetwas verfolgte ihn, das spürte er, denn der kalte Schauer, der ihm ab und an den Rücken herunterlief, rührte nicht vom Wind her.

Doch außer eines dunklen Waldweges und dichter Nebenschwaden war nichts zu erkennen. Anstatt Luk zu beruhigen, ließ ihn das mit pochendem Herzen den Oberkörper näher an den Hals des Pferdes unter ihm beugen. Die dunkle Mähne peitschte ihm ins Gesicht und er sah die hervortretenden Venen im glatten, verschwitzten Fell des Tieres. Ihm war bewusst, dass er seinem Reittier gerade alles abverlangte.

Wenn wir zu langsam sind, werden wir es beide nicht schaffen. Der Gedanke ließ ihn einfach nicht los. In einem Moment ruhte Luk sich noch von einem anstrengenden Weg von der Küste in die kleine Stadt Urrben aus, und im nächsten spürte er eine eiskalte Präsenz, die nach ihm zu greifen schien.

Ruckartig musste Luk den Oberkörper zur Seite reißen, um dem langen Ast einer riesigen Erle auszuweichen, die ihn sonst aus dem Sattel geholt hätte. Ein leiser Fluch entwich seinen Lippen, sein Atem stockte jedoch, als er erneut ein leises Wispern hinter sich hörte.

Dieses Mal hörte Luk aber ganz deutlich, wie dieses leise Seuseln sich in seinen Namen verwandelte.

Luk! Luk!

Erschrocken fuhr der schwarzhaarige Bauerssohn herum und suchte mit aufgerissenen Augen nach demjenigen, der ihn rief. Nichts. Nur immer dichter werdender Nebel.

Mittlerweile spürte Luk das Grauen eiskalt durch seine Glieder ziehen. Am liebsten hätte er geschrien, um die panische Anspannung in sich loszuwerden. Stattdessen gab er die Zügel frei und trieb den Hengst weiter an. "Komm schon, bring uns hier raus!"

Im nächsten Moment streifte ihn etwas Kaltes an der Wange. Dann sah er die schemenhafte Gestalt neben sich, die in den Nebelschwaden zwischen den Erlen zu schweben schien. Lange Haare wehten hinter einem Haupt her, auf dem eine Krone aus Silber zu ruhen schien.

Doch als der Schatten Luk das Gesicht zuwandte, verschwand er wieder im Nebel. Stattdessen wurde das Wispern wieder lauter, es schien plötzlich von überall her zu kommen.

Verzweiflung packte Luk. Wie sollte er entkommen, wenn er von Geistern gejagt wurde?!

Als wäre sein Flehen erhört worden, öffnete sich in einigen hundert Metern Entfernung der Wald und ließ eine freie Ebene erahnen. Hoffnung erfasste Luk, als er den dunklen, wolkenfreien Nachthimmel sah.

"Komm schon, mein Junge, gleich haben wir es geschafft!", raunte er dem schwarzen Hengst unter sich zu, der das zu verstehen schien, denn er legte noch an Geschwindigkeit zu.

Luks Herz pochte ohrenbetäubend laut im Takt der wummernden Pferdehufe. Sein schwarzes Haar klebte ihm an der Stirn, nass vom Schweiß und dem kalten Nebel um ihn herum. Alles wirkte plötzlich weniger schlimm. Fast hätte er sich eingeredet, die Gestalt im Nebel nie gesehen zu haben.

Waves - Oneshots BoyxBoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt