Kapitel 58 - Sonnenschein

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Man merkte Remus das Trauma an. Es saß tief und er hatte es noch lange nicht überwunden, was man ihm dort angetan hatte.
Er wusste nicht, wo er gewesen ist, noch, wie er dorthin kam.
Das erste, woran er sich erinnern konnte, war der Cruciatus-Fluch, Schmerzen und Dunkelheit.

Doch es verging kein Tag, an dem er ruhig in der Ecke saß. Immer hatte er gekämpft und versucht, auszubrechen. Bis es ihm am besagten Tag gelang...

Am Abend saß er wieder bei mir, auf einem Stuhl neben meinem Bett.
Das war der Abend, an welchem ich langsam wieder zu Bewusstsein kam...
Schmerzlich blinzelnd, öffnete ich meine Augen. Das erste, was ich bemerkte, waren die zahlreichen Schmerzen an allen Gliedern, die ich besaß.
Mir dröhnte der Kopf, als hätte man für Stunden an meinen Ohren Schlagzeug gespielt.
Es dauerte einen Moment, bis meine Pupillen wieder klare Sicht hatten.
Und dann erkannte ich ihn.
Remus war eingeschlafen, hatte den Kopf schief gelegt und die Arme auf dem Schoß verschränkt.
Ein kleines, schmerzliches Lächeln entstand auf meinen Lippen, während sich im gleichen Moment Tränen in meine Augen brannten.
„Remus..." wisperte ich heiser und hustete im nächsten Moment.
Vom Geschrei war meine Stimme komplett weg.
Es kam lediglich ein Krächzen aus mir heraus.
Doch es reichte, um Remus zu wecken.
Er war sofort bei mir, bei klarem Verstand.

„Darling...", sagte er leise und ergriff sofort meine Hand. „Du bist wach."
Schmerzlichst brachte ich ein Nicken auf.
„Dem Himmel sei Dank...Sprich nicht, Darling...Deine Stimmbänder sind gereizt genug...genau, wie dein Rachen...Es tut mir so leid, dass dir das widerfahren ist..." erzählte er gleich weiter, doch ich wollte das alles jetzt nicht hören.
In meinem Kopf und in meinem Herzen war nur pure Erleichterung und endlose Freude zu finden, dass er wieder da war.
Für mehr war im Moment kein Platz.

Ich deutete ihm mit einem bloßen Kopfschütteln an, dass er leise sein sollte und nickte mit dem Kopf auf den Platz, neben mich.
Ein müdes Lächeln überkam ihn.
„Natürlich...Du hast recht." wisperte er und setzte sich auf mein Bett.
Vorsichtig, damit er mir bloß nicht weh tat, legte er sich hin.
Ich konnte seine Wärme spüren.
Seine Anwesenheit.
Seinen Atem.
Seinen Geruch.
Es war alles wieder da.
Und es war alles, wie früher.
So beruhigend, so warm, so...echt.

Er sah noch immer erschöpft aus.
Natürlich, wollte ich wissen, wo er war, was passiert war...doch mir reichten bereits seine dunklen Augenringe, um diese Frage um einiges nach hinten zu schieben.
Was er erlebt hatte, musste schrecklich sein.
Er war wieder zurück.
Das war alles, was zählte...

Er musste sich klein machen, um zu mir auf das Bett zu passen. Seinen Kopf legte er nah an meine Schulter.
Er wollte wach bleiben, doch fiel schon bald wieder in den tiefen Schlaf.
Ich hörte seine ruhige und gleichmäßige Atmung und legte meinen Arm langsam auf seinen Rücken.

Und ich fühlte etwas, was ich seit Wochen nicht mehr gefühlt hatte.
Ruhe.

In mir war es so laut. Mein Kopf schaltete nie ab. Mein Herz tat so weh. Ich malte mir Szenarien aus, wie er gestorben sein mochte, wie er gequält wurde.
An seinem Büro vorbeizulaufen, oder gar hineinzugehen, tat weh.
Die nächtlichen Rituale fielen von heute auf morgen einfach weg.
Von Ruhe und einer erholsamen Nacht, erfuhr ich in den letzten Wochen zu wenig.
Dieses Gefühl war wie verflogen, jetzt, da er hier mit mir lag...

Meine Augen brannten noch immer. Die Tränen trockneten sie beinah komplett aus.
Sie offen zu halten, erforderte viel Energie.
Und viel Kraft.
Und die Kraft hatte ich noch nicht zurück.
Müdigkeit überfiel meine verletzlichen Augen.
Obwohl ich beinah zwei Tage durch geschlafen hatte, konnte ich den Schlaf nicht länger hinauszögern.

Der nächste Morgen kam schneller, als ich es mir wünschte.
Remus war bereits wach und stand am Fenster, gegenüber von meinem Bett.
Er sah sich den Sonnenaufgang an und stützte sich auf das Fensterbrett vor sich.
Ich wollte nicht, dass er bereits merkte, dass ich wach war.
Meinen Augen ging es besser.
Es fiel mir leichter, sie offenzuhalten.
Ich wollte ihn einfach ansehen, wie er dort stand...
...und mir jede Bewegung einprägen.
Er war groß.
Das wusste ich schon immer.
Er stützte sich auf seinen Gehstock, musste also eine Verletzung an einem seiner Beine haben.

Vielleicht würde er es mir heute erzählen.
Vielleicht nicht.
Ich wusste nicht einmal, ob ich schon bereit war, die Wahrheit zu hören.

„Guten Morgen, Sonnenschein..." riss es mich aus meinen Gedanken, als Remus sich umdrehte und erkannte, dass ich wach war.
Müde lächelte ich ihn an und setzte mich ein wenig auf.
Das funktionierte weitgehend ohne Schmerzen.
Überraschender Weise.
Langsam setzte er sich zu mir und nahm meine Hand in seine.
„Ich habe schon lange keine Sonne mehr gesehen...Von hier aus sah man sie perfekt." erklärte er ruhig und streichelte meine Hand mit seinem Daumen.
Ich lächelte müde, doch nur kurz. „Wirst du es mir erzählen, wenn ich dich darum bitte?"
Ein kleiner Seufzer entwich seinen Lippen, als er auf meine Hand sah.
„Ich würde es dir ungern verschweigen, doch genauso ungern, würde ich es dir erzählen. Es sind schlimme Dinge, Lara. Ich möchte dich davor bewahren, doch will dir nichts verheimlichen..." antwortete er und fing meinen Blickkontakt wieder auf.
„Soll ich es entscheiden?", fragte ich und legte den Kopf schief.
Remus' Mundwinkel entwich ein kleines Lächeln.
„Wenn du es entscheiden möchtest...? Lass es dir durch den Kopf gehen, bevor du antwortest. Ich weiß, dass deine Neugier es gern sofort gewusst hätte, doch wäge es ab." erklärte er.
Er kannte mich noch immer in- und auswendig.
Natürlich brannte die Neugier in mir.
Doch dazu brannte es auch in meinem Magen...
...vor Übelkeit davor, was er mir wohl zu erzählen hatte...

Miss Belladonna//Remus Lupin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt