Kapitel 54 - Dementor

90 5 4
                                    

Der nächste Morgen kam fürchterlich schnell.
Um sicherzugehen, dass ich das gestern nicht alles nur geträumt hatte, packte ich Hermione bei der Hand und zog sie mit mir, zu Remus Büro.

Während wir liefen, erklärte ich ihr alles.

Und tatsächlich.
Remus Büro stand leer.
Es war abgeschlossen.
Auch die Karte des Rumtreibers zeigte mir weder den Namen von Sirius, noch die von Fred und George an.

„Das heißt, sie sind alle weg." erkannte Hermione, als wir Ron und Harry zu unserer Runde hinzugezogen hatten und Hermione im Schnelldurchlauf alles erklärt hatte.
„Und wir gehen hinterher." beschloss ich und sah die drei an.
Harry und Ron fiel die Kinnlade herunter.
„Bei Merlin, sie spricht...!" murmelte Ron und ließ mich ein wenig lächeln.
„Das tut nichts zur Sache. Wir werden hinterher gehen. Ich lasse es mir nicht verbieten. Wir sind stark. Das werden wir beweisen. Sie werden in Schwierigkeiten geraten und sich wünschen, sie hätten uns mitgenommen. Und genau deswegen, werden wir ihnen folgen." erklärte ich und zog den Reißverschluss meiner Jacke bis zum Kinn.
Es war Samstag.
Wir hatten sowieso keine Schule.

„Ich bin heute Morgen aufgestanden und habe mir geschworen, einen ruhigen Tag zu haben. Keine Ahnung, vielleicht was essen gehen? Butterbier trinken...sowas eben." jammerte Ron, während er sich seinen Schal um den Hals legte.
Ich verschränkte die Arme und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an.
„Der Rest deiner Familie ist da wirklich tapferer, als du, Ronald." gab ich zurück und richtete seinen Schal noch einmal, bevor wir uns zusammen vor den Toren zu Hogwarts versammelten.

„Okay, und wie machen wir das jetzt?", fragte Harry in die Runde und sah sich um. „Sie sind immerhin schon lange weg."
Ich überlegte und verengte die Augen.
„Der Patronus war doch dabei, nicht? Er zeigt doch den Weg..." grübelte Hermione.
„Ja! Das heißt, wir nutzen Appare Vestigium." schlug ich vor.
„Hast du den schon mal benutzt? Ich habe bisher nur davon gelesen...Aber es könnte funktionieren." hing sich Ron in unser Gespräch.
Ich seufzte und sah auf meinen Zauberstab.
„Ich kann es nur versuchen...", erklärte ich und deutete mit meinem Zauberstab nach vorn. „Appare Vestigium."
Ich sah mich um, gemeinsam mit den anderen.
„Da drüben!" rief Hermione und deutete in die Richtung von Hagrids Hütte.
„Wenn sie über die Klippe hinaus gegangen sind, schlage ich vor, wir klauen Besen..." warf Harry ein und deutete zum Quidditchfeld.
Madame Hooch hatte dort zahlreiche Besen für die Erstklässler.
Falls sie kaputt gehen sollten, wäre der Verlust nicht allzu groß gewesen, als wenn wir unseren Feuerblitz oder den Nimbus 2000, beziehungsweise 2001, genommen hätten.

Gesagt, getan.
Das Feld war leer und wir hatten ein leichtes Spiel, die Besen zu klauen.

Ich sprach den Zauber ein weiteres Mal.
Er hinterließ goldene Spuren darüber, wo einst ein Zauber gewirkt hatte.
Der Patronus war natürlich ein Zauber gewesen, was es uns ein leichtes machte, den Spuren des Wolfes zu folgen.
Ich wusste natürlich, dass Remus nicht wollte, dass ich dabei sein würde, doch ich konnte unmöglich nichts tun...
Er kannte mich dafür doch zu gut.

Es wäre ja auch zu einfach gewesen, wenn ich auf ihn gehört hätte...

Ich war meinen drei Freunden so dankbar, dass sie das mit mir durchziehen wollten.
Immerhin war es auch deren Leben, was aufs Spiel gesetzt wurde.
Doch sie waren bei mir...
Dummheit? Oder wahre Freundschaft?

Dahin, wo uns die Spuren hingeführt hatten, war ich noch nie. Ich erkannte nichts davon wieder.
Es war aber auch verdammt neblig...
...und kalt.
Ich zog mir die Jacke bis zur Nase und setzte die Kapuze auf. Meine Ärmel zog ich mir über die Hände und verengte die Augen, um überhaupt etwas erkennen zu können.
„Die Spuren sind verdammt schwer, zu sehen!" rief mir Hermione zu, welche ebenso zitterte.
Harry und Ron waren ganz fixiert.
„Die beiden erkennen noch alles. Halt dich an sie!" rief ich ihr zurück und klammerte mich an meinen Besen.

Die Luft hing tief. Es war rundum feucht.
Die Sicht reichte nur noch bis zu zwei Metern aus.
Wir mussten die Geschwindigkeit unserer Besen zügeln, um die Spuren zu erkennen.
„Wart ihr schon mal hier?" fragte Hermione.
„Erkennt ihr hier etwas wieder?" hing ich mich rein.
Kopfschütteln bekamen wir als Antwort.
„Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal in so einer zwielichtigen Gegend unterwegs gewesen zu sein..." gab Harry zu.
„Bringt es ein Lumos Maxima?" erkundigte sich Ron.
„Nein. Selbst das würdest du nicht mehr erkennen, würdest du es zaubern." antwortete Hermione verzweifelt.
„Mir ist verdammt kalt..." murmelte ich und erntete nur Zustimmung.
Allgemein, war die Stimmung auf einem Tiefpunkt angekommen.
Je dichter der Nebel und je langsamer wir werden mussten, desto mehr sank das Vertrauen in die Mission.

„Wir sollten umkehren..." jammerte Ron und sah mich verzweifelt an.
Ich schüttelte den Kopf. „Niemals. Macht, was ihr wollt, aber ich werde ihn nicht hängen lassen..."
Hermione stimmte zu. „Ich auch nicht."
„Komm schon, Ron. Wir unterstützen uns gegenseitig. Egal, was, erinnerst du dich noch?" fügte Harry hinzu und lächelte seinen besten Freund aufmunternd an.

Doch noch bevor Ron antworten konnte, lichtete sich der Nebel ein wenig und wir konnten erkennen, was vor uns lag.
Eine Horde Dementoren.
Sie mussten den Eingang nach Askaban bewachen. Irgendwo hier war das Portal.

„Ach du-..." wimmerte Ron und riss die Augen auf.
„Ssshhh!" meckerte ich ihn an, doch musste ebenso zugeben, dass mich der Anblick dieser zahlreichen, seelenlosen Gestalten, mehr als verängstigte.
„Er ist doch nicht in Askaban..." flüsterte Hermione. Ihre Stimme bebte vor Angst.
„Nein...Aber sieh doch..." deutete Harry leise und zeigte auf die goldenen Fußspuren des Patronus.
Sie führten geradewegs nach unten, zu einem rauschenden Meer.
Das Meer zog sich in der Mitte zu einem Tornado zusammen.
Alles war laut, grau und voller Unbehagen.

Doch vor dem Tornado lag eine kleine, einsame Insel.
Und dorthin führten uns die Spuren.
Vorbei an den Dementoren.
Wahrscheinlich mitten in den Tod...

Miss Belladonna//Remus Lupin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt