Kapitel 16 - nicht heute...

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Ich errötete und räusperte mich. „Um mich zu sehen?" wiederholte ich und spielte nervös mit den Verbänden an meinen Händen.
„Natürlich. Das war dein erstes Quidditch-Spiel." antwortete er und lächelte sanft, doch verlor dieses Lächeln, als sein Blick auf meine Hände fiel.
„Bist du verletzt? Ist das die Verletzung von vorgestern? Ich dachte, die Verbände wären für Quidditch? Was ist passiert?" wollte er wissen und sah mich besorgt an.
„Nichts schlimmes, ich-...Ich hab mich geschnitten. Am Glas. Am Messer. Am Messer, war es. Als ich Brot aufschneiden wollte für meine Freunde." log ich und spürte schon anhand meiner Wortwahl, die Glaubwürdigkeit sinken.
„Lügst du mich wirklich an?" fragte er verletzt und stand auf.
Scheiße.
Wohin wollte er? Was tat er da?

Er setzte sich neben mich und sah mich besorgt, aber ernst an.
„Zeig her..." murmelte er und deutete auf seinen Schoß.
Ich schüttelte meinen Kopf und verschränkte meine Arme, damit er sie nicht nehmen konnte.
„Was hast du zu verbergen, wenn es ein Unfall war?" fragte Remus und erwischte mich genau da, wo es wehtat.
„Es war ein Unfall, Remus, dabei habe ich nicht gelogen...aber-..." begann ich und konnte seinen Augen nicht länger entkommen.
Sie strotzen nur so vor Sorge, Wärme, Leidenschaft und...ich konnte einfach alles darin erkennen...
„Vertraust du mir nicht?" fragte er leise, jetzt, da er meinen Blickkontakt gewonnen hatte.
„Doch, natürlich...mehr, als mir lieb ist..." antwortete ich überraschend ehrlich und fühlte meine Augen brennen.
(Song Empfehlung: erneut Dynasty, MIIA)
Was passierte da? Ich würde doch nicht weinen...
Ganz langsam hob er seine Hand und löste meine Arme aus meiner Haltung.
Seine Berührung...
Ich dachte nicht einmal darüber nach, etwas dagegen zu unternehmen...
Ich ließ ihn...
Behutsam nahm er meine linke Hand und legte sie sich auf den Schoß, als er langsam meinen Verband aus der Klammer löste, welche ihn vor dem Öffnen bewahrte.
Sein Blick war auf meine Hand gerichtet, doch ich konnte nur ihn ansehen.
Mein Puls beschleunigte sich.
„Sieh nicht nach...Du wärst schockiert von mir." flüsterte ich, doch zog nicht zurück. Er sollte selbst entscheiden.
„Okay..." gab er sanft zurück.
Für einen kurzen Moment dachte ich, sein Okay bedeutete, er würde es lassen. Doch nein, sein Okay bedeutete, er ist bereit, schockiert von mir zu sein.
Fuck...
Langsam nahm er die letzte Schicht Stoff von meiner Handfläche und erkannte die tiefen Wunden meiner Fingernägel.
„Was hast du gemacht...?" fragte er, doch anhand seines Gesichtsausdruckes konnte ich erkennen, dass er verstand.
„Ich weiß es nicht..." antwortete ich einfach.
Ich log nicht.
Ich wusste es wirklich nicht. Bis zum heutigen Tag wusste ich nicht, wie sehr mein Körper reagieren konnte.
„Wieso hast du es gemacht?" wollte er jetzt wissen und sah mir wieder in die Augen. Er stellte die Frage anders.
Bitte, sieh doch einfach weg...
„Ich war in bösen Gedanken. Sehr bösen Gedanken. Und die Gedanken haben gewonnen. Ich hatte keine Kontrolle, wusste nicht, was ich gerade tat. Ich stand unter der Dusche, verlor meine Gedanken und stand in einer Blutlache..." erklärte ich und verlor mich in seinen Augen.
Wenn ich hinein sah, fühlte ich mich, als müsste ich ihm all meine Wahrheiten anvertrauen.
Zärtlich strich er mit seinem Daumen über die Verletzungen auf meiner Handfläche.
„Was waren das für Gedanken?" fragte er und ich spürte, wie dieses tiefe Loch an Gefühlen, die ich für ihn hegte, jetzt so tief wurde, dass ich nie wieder herausfinden konnte.
„Nicht heute...", flüsterte ich. „Was war gestern mit dir?"
„Nicht heute..." antwortete er und wickelte meinen Verband wieder sorgsam um meine Hand.

Ein kleines Lächeln erwachte auf meinen Lippen und ich nickte. „Akzeptiert..."
„Remus?" fragte ich nach einer kurzen Pause, in welcher wir einfach in den Kamin sahen.
„Hm?" machte er leise und sah mich wieder an.
„Liest du mir etwas vor?" bat ich und erwiderte seinen Blick.
Ein kleines Lächeln entkam ihm.
„Was willst du hören?" fragte er und stand auf, um zu seinem Bücherregal zu gehen.
„Überrasch mich.." antwortete ich lächelnd und lehnte mich zurück.
Nach kurzer Zeit kam er zurück zu mir und setzte sich, zu meiner Überraschung, wieder neben mich.
Er versteckte das Buch hinter seinem Rücken.
„Augen zu." befahl er sanft und lächelte.
Ein kleines Kichern entwich mir und ich schloss meine Augen.
Es entstand ein kurzer Moment der Ruhe. Niemand sagte oder machte etwas.
Sein Blick scannte mein Gesicht.
Er war wie gefesselt.
„Remus?" fragte ich und lächelte etwas, als er sich räusperte.
„Entschuldige. Ich habe mir das Buch nur genauer angesehen..." log er und lehnte sich zurück.
Seine Schulter berührte meine.
Es war warm, sanft und vor allem...beschützend.
Und das brauchte ich in diesem Moment so dringend. In letzter Zeit war ich nicht Herr meiner Gefühle...Ich wurde stiller und dachte häufiger nach. Das Loch in meinem Herzen war endlos tief.
Er begann zu lesen:
„In einem weit entfernten Land lebte einmal ein junger Prinz, in einem wunderschönen Schloss. Obwohl er alles hatte, was sein Herz begehrte, war der Prinz verwöhnt, selbstsüchtig und unfreundlich..."
Ich lächelte und flüsterte: „Die Schöne und das Biest."
„Richtig...ssshhh..." machte er und lächelte sanft. Das hörte ich daran, wie er weiter las.

Ich lies meine Augen geschlossen und atmete entspannt durch die Nase ein und aus.
Seine Stimme klang wunderschön. Ich konnte ihm stundenlang zuhören.
Doch aus Stunden wurden vielleicht zehn Minuten. Ich wurde müder und müder, mein Kopf sank zur Seite und berührte beinah seine Schulter.
Noch während ich wach war, jedoch nicht mehr bei vollem Bewusstsein, spürte ich, wie Remus sich bewegte und einen Arm um mich legte.
Jetzt lag mein Kopf auf seiner Schulter und es war um mich geschehen.
Ich fühlte mich so wohl, dass ich tatsächlich einschlief.
Ich schlief an seiner Schulter und sein Arm hielt mich an meiner Hüfte sanft und warm an sich gedrückt.

Miss Belladonna//Remus Lupin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt