06 - Schokolade - Juri

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- Montag, 15.04.2024 - Marathon/smello, Good.Smelling -

Als einer der letzten erreichte ich die Umkleidekabine der Trainingshalle. Schon von weiter weg konnte man hören, dass das Torwarttraining in der Halle schon eine Weile lief, denn die Stimmen klangen entspannt und ausgelassen. Als ich die Kabine betrat, lagen - mal wieder - alle Blicke auf mir. Die Gerüchteküche um meinen Wechsel brodelte immerhin schon seit Tagen und ich hatte mich bislang nur gegenüber der Vereinsleitung dazu geäußert. Die Jungs wussten bislang noch nichts davon. Aber auch das müsste ich bald ändern.

Wie sehr ich mir doch wünschte, dass David hier bei mir wäre. Er würde, wie so oft zuvor schon, die ganze Situation entschärfen. Nun musste ich wohl oder übel hier alleine durch. Ich ließ mich auf meinen Standard-Platz mit der Nummer 10 am Spind fallen und begann damit, mich aus meiner Jogginghose zu schälen, da ich bereits meine Trainingshose darunter trug. Dabei war ich stets darauf bedacht, starr auf den Boden zu schauen. Ich wollte die Blicke nicht sehen. Damit kam ich noch nicht klar.

"Hey, Juri." Eine leise Stimme von links ließ mich in meinem Tun innehalten. Ich atmete einmal leise durch, bevor ich aufschaute und mein Blick den von Patrick Groetzki kreuzte. Patrick war eigentlich immer freundlich und gut drauf, besonders jetzt, da er endlich wieder mitspielen konnte. Auch heute hatte er sein typisches Lächeln auf dem Gesicht und blickte mich erwartungsvoll an. Ich setzte mein künstliches Lächeln auf und antwortete mit einem simplen "hi".

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als er meinen falschen Gesichtsausdruck direkt durchschaute. Er hatte einfach den Kapitäns-Instinkt in die Wiege gelegt bekommen. "Du, die Jungs fragen schon die ganze Zeit. Stimmt es denn?" Ich wusste nicht genau, was er meinte. Redete er jetzt von meinem Wechsel oder doch von ihr? Ich war mir nicht sicher, wie ich darauf reagieren sollte. Eigentlich hatte ich mir für heute vorgenommen, allen Spielern Bescheid zu geben im Kontext von Aalborg. Über Friederike wollte ich noch nicht reden. Ich konnte einfach noch nicht darüber reden, David ausgenommen.

Als Patrick merkte, dass ich mit mir rang, hakte er nach: "Ich hab' schon halbe Details von Sebastian bekommen. Dänemark kann dir guttun. Ich will auch eigentlich gar nicht über dich urteilen, ich versteh das. Aber sei wenigstens ehrlich zu den Jungs." Dieses Mal atmete ich laut aus. Er hatte recht, wie so oft. So nickte ich und antwortete: "Ich versuch's. Nachher." Verständnisvoll nickte auch er und ließ mich wieder allein, damit ich mich fertig für das Training machen konnte. Jetzt gab es so oder so kein Zurück mehr. Jetzt müsste ich heute den Jungs erzählen, was in der letzten Zeit mit mir los war.

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Der Geruch von Harz stieg mir in die Nase und löste in meinem Gehirn einige Erinnerungen los, die ich nur mit diesem Geruch assoziierte. Direkt fühlte ich mich wieder zu Hause. Trotzdem merkte ich, wie wieder einmal alle Augen auf mir lagen. Schon jetzt war ich gedanklich dabei, mir die Worte für später zurechtzulegen. Ich musste vorsichtig sein mit dem, was ich nachher sagen würde. Ich suchte die Halle nach Sebastian ab, den ich hinten bei einigen Media-Leuten entdeckte. Unser Trainer, Sebastian Hinze, wusste bereits von meinem Wechsel, genauso wie die Vereinsleitung.

Mit schnellen Schritten löste ich mich vom Rest der Spieler und lief hinüber zu unserem Trainer. Der sah mich bereits kommen und lächelte mich an. "Hey, Juri! Alles gut?" Ich zuckte mit den Schultern. Ihm gegenüber konnte ich immer ehrlich sein, eine Eigenschaft, die ich an ihm sehr schätzte. "Den Umständen entsprechend. Ich werde nachher den Jungs von Aalborg erzählen. Ist das okay?" Sebastian reagierte mit einem Lächeln und den Worten: "Ja klar. Mach das in deinem Tempo. Mach einfach, wenn du dich richtig fühlst." Aus Dankbarkeit huschte ein ehrliches Lächeln über meine Lippen. Der Rückhalt des Teamchefs war einfach unglaublich. So nickte ich einfach und kehrte zurück zum Rest der Spieler, die sich bereits zum Aufwärmen dynamisch dehnten.

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt