51 - Panik - Liv

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- Freitag, 24.05.2024 - Si No Estás/inigo quintero -

Ich konnte irgendwie nicht aufhören, mit den Ringen an meiner rechten Hand zu spielen. Gott, war ich nervös. Während des gesamten Films huschten meine Blicke durch den Raum und beobachteten die Reaktion der Spieler, die gerade gezeigt wurden. Ich traute mich nicht, Juri noch einmal anzuschauen. Stattdessen fokussierte ich mich immer, wenn ich das Bedürfnis hatte, den Spielmacher zu mustern, auf Cheffe oder David. Die zwei grinsten mich jedes Mal breit an und gaben mir so die Sicherheit, die ich brauchte.

„Mach dir keinen Kopf. Der Film ist super", flüsterte mir Cheffe zu. Ich sah zu ihm hoch und lächelte ihn dankbar an. Er grinste nur und sah zurück zum Bildschirm. Leider half die Aufmunterung nur begrenzt - das nervöse Leiden ging für mich weiter.

Nach einer gefühlten halben Ewigkeit kam endlich die letzte Szene und ich atmete einmal erleichtert auf, als ich Davids Stimme durch den Lautsprecher hörte: „... den Handball nicht mehr ohne ihn vorstellen." Ein letztes Mal sah ich zu dem Torwart, der mich ebenfalls breit angrinste. Ich glaube, das war seine Art, sich bei mir dafür zu bedanken, dass er den größten Anteil am Film hatte – neben Juri natürlich. Ich nickte ihm zu und sah zurück zum Whiteboard.

Der Bildschirm wurde schwarz. Los, Liv, sei nicht so ein Weichei. Jetzt oder nie. Ich lächelte in die Leere und suchte den Blick von Juri. Doch er sah nicht zu mir. Er starrte nach wie vor auf das Whiteboard und saß fast komplett reglos da. Sein Gesichtsausdruck war wahrscheinlich so schwer wie noch nie für mich zu lesen. Was dachte er darüber? War er dankbar? Unangenehm berührt? Änderte das etwas an unserer Freundschaft? Dachte er jetzt anders über mich? All diese Sorgen huschten innerhalb weniger Millisekunden durch mein Gehirn und bissen sich fest.

Erst das Beifallklatschen und der grelle Pfiff, der Flipse (wem auch sonst) über die Lippen kam, ließ mich aus meinen Gedanken aufschrecken. Mein Blick glitt über die Spieler und die vielen breit grinsenden und applaudierenden Gesichter weckten mich auf aus meiner panischen Schockstarre. Ich nahm die Reaktion so auf, wie sie hoffentlich gemeint war. So schlecht konnte es also nicht gewesen sein.

Cheffe schob mich an meiner Schulter in Richtung Laptop und grinste ebenfalls über beide Ohren. Ich warf ihm einen Blick zu, der einiges bedeuten konnte – von dezenter Überforderung und Verwirrtheit bis zu unendlicher Dankbarkeit und Freude. Ich kam schon beinahe gar nicht mehr aus dem Grinsen heraus und sog ein wenig die Glückwünsche und den Beifall in mich auf. Es war also wirklich gut gewesen, was ich da fabriziert hatte.

Ich war unendlich dankbar. So lachte ich leise in die Runde und sprach vorsichtig: „Danke, Jungs. Wenn ihr so weiter macht, mach' ich noch über euch alle so einen Film." Daraufhin kam ein wenig Gelächter zurück und ich holte mir ein belustigtes Kopfschütteln von Cheffe ab. Ich beugte mich zu dem Laptop herunter und schloss die Datei, die ich zuvor über einen USB-Stick auf Sebastians Computer gespeist hatte.

Ich zog gerade den USB-Stick aus dem entsprechenden Port am Laptop, als ich ein leises Räuspern hörte und bemerkte, wie der Raum ruhiger geworden war. Nicht nur ruhig, mucksmäuschenstill. Es war schon fast gruselig. Ich richtete mich, immer noch mit dem USB-Stick in der Hand, wieder auf und sah direkt in das mysteriös lächelnde Gesicht von Juri.

Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so entblößt gefühlt. Es lag nun alles in seiner Hand, ich hatte überhaupt keine Macht mehr über die Situation. Ich fühlte mich ein wenig wie ein Rehkitz im Scheinwerferlicht, als ich ihn nervös mit einem fragenden Blick ansah. Ich versuchte, ihm damit eine unausgesprochene Nachricht zu senden: Und, wie fandest du es? Doch er starrte mich einfach nur lächelnd an und sagte nichts. Sag doch was, Juri! Oder mach was, ganz egal! Ich flehte ihn stumm an, konnte aber seinem Blick nicht ausweichen und stand so einfach planlos da.

Nach einigen Momenten des Gegenüberstehens machte er den ersten Schritt. Und was für einen. Er zog mich direkt in eine enge Umarmung, die einige Augenblicke anhielt. Ich atmete aus und ließ so los. All die Panik und die Anspannung fielen von mir ab und ich erwiderte die Umarmung mit einem breiten Lächeln und geschlossenen Augen. Es musste ihm auch gefallen haben. Es gab sonst keine andere Erklärung für diese Reaktion. Oder?

Dann genoss ich für einige weitere Augenblicke einfach den Körperkontakt und die stumme Danksagung. Das war definitiv alles an Reaktion, was ich von ihm gebraucht hatte. Er kam mal wieder seinem Ruf nach, dass für ihn Worte wichtig waren, aber Aktionen noch wichtiger. Diese Umarmung gab mir all die Bestätigung, nach der ich seit der letzten halben Stunde hoffnungslos gesucht hatte.

Ich konnte noch seine leise Stimme an meinem Ohr hören, ehe wir die Umarmung wieder lösten und uns einfach anlächelten. Und die drei kleinen Worte, die er zu mir sagte, machte all die Nervosität und all die Panik zunichte, die ich vor wenigen Momenten noch in mir gespürt hatte. Stattdessen kehrte nun ein angenehm warmes Gefühl in meine Seele ein, das ich als eine neue Connection zwischen uns zwei in meinem Kopf einordnete. Ich war mir fast sicher, dass wir ab jetzt anders miteinander umgehen würden als zuvor, allein wegen seiner Aussage. Die drei kleinen Worte, die er in mein Ohr flüsterte und mich danach anstrahlte, waren nämlich: „Danke, meine Fee."


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Super kurzes Kapitel, I know... aber dafür umso aussagekräftiger! Mehr Lesestoff kommt morgen, und die Kapitel haben es definitiv genauso in sich wie dieses hier. :)

Alles Liebe und bis morgen, eure Ella <3


121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt