30 - cálmate - Juri

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- Samstag, 04.05.2024 - Youngblood/5 Seconds of Summer -

Es war unendlich warm in der SAP-Arena. Wir waren gerade fertig mit dem Warmlaufen und bereits jetzt rann mir der erste Schweißtropfen von der Stirn. Ich wischte ihn weg, doch es waren bereits drei weitere auf dem Weg. Hatte es hier eigentlich nicht so etwas wie eine Lüftung? Ich joggte zur Bank und trank gierig aus meiner Flasche. Was war denn heute auch los mit mir? Ich war normalerweise nicht eine dieser Personen, die übermäßig schnell schwitzten.

Die ersten Zuschauer belegten bereits die Ränge und ich ließ für einen kurzen Moment meinen Blick schweifen. Ich erkannte auch einen Fan, der vorher vor dem Spielereingang auf mich gewartet hatte. Ich war heute so spät wie selten zum Aufwärmen gekommen und hatte mir definitiv einen kritischen Blick von Sebastian eingefangen. Unterbewusst trank ich erneut einen großen Schluck aus meiner Flasche.

Ich wurde von Patrick zum Warmwerfen gerufen und so erhob ich mich schweren Herzens wieder von meinem bequemen Sitzplatz. Irgendwie war ich heute alles andere als motiviert, zu spielen. Dafür gab es nicht einmal einen bestimmten Grund, irgendwie war heute einfach mein Kopf wo anders. Ich seufzte und lächelte dann unserem Kapitän einmal schwach zu, ehe ich schon den ersten Ball von ihm fing und ihn wieder zurückpasste.

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Schweißnass ließ ich mich erneut auf einen Stuhl am Spielfeldrand fallen und seufzte laut auf. Warum war ich denn heute so fertig? Irgendwas war heute anders als sonst, auch wenn ich noch nicht mit voller Gewissheit sagen konnte, was es war. Völlig erledigt schnappte ich mir wieder meine Wasserflasche und trank gierig einige Schlucke. Doch dann merkte ich, wie meine Flasche ziemlich schnell ziemlich leicht wurde. Zu leicht. Ich schraubte einmal den Deckel ab und warf einen Blick hinein. Fuck, sie war wirklich fast leer.

Ich wollte eigentlich nicht nach ihr Ausschau halten, aber instinktiv tat ich es doch. Und als ich Liv instinktiv erspähte, schob sich automatisch ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Sie stand entspannt uns gegenüber an der Außenbande des Spielfelds und stützte sich mit den Unterarmen mit einer Wasserflasche in den Händen darauf ab. Das war doch eigentlich die Gelegenheit, noch ein paar Worte mit ihr zu wechseln. So ließ ich die Jungs hinter mir auf der Bank und auf dem Feld zurück und lief auf die Fotografin zu.

Erst nach einigen Metern fiel mir auf, dass sie dort nicht allein stand. Sie hatte ihren Kopf nach links gewandt und redete mit einem großen Mann, der mir irgendwie bekannt vorkam. Ich verlangsamte meine Schritte und versuchte zu erkennen, wer er war. Erst einige Sekunden später erkannte ich ihn auch - das war Jari Brüggmann. Und ebenfalls erst jetzt verband ich die Brücke zu einer Information, die mir Liv neulich geliefert hatte.

Wie die Schuppen fiel es mir von den Augen. Liv kam aus Eilbeck. Jari kam aus Eilbeck. Die zwei kannten sich sicher. Ich versuchte, nicht instinktiv daran zu denken, wie sehr mir Jari doch während der EM auf die Nerven gegangen war. Klar, er machte seine Sache gut, aber ich brauchte vor und nach dem Spiel dann doch meinen persönlichen Freiraum und meine Privatsphäre, welche er mir gar nicht gegeben hatte mit seinem konstanten Filmen. Allerdings kannte ich ihn bisher auch nur flüchtig und vielleicht hatte mich sein erster Eindruck auch getäuscht.

Dann bemerkte ich eine weitere Bewegung aus dem Augenwinkel. Von der rechten Spielfeldhälfte hielten zwei Recken-Spieler zielstrebig auf genau das Duo zu, auf das auch ich gerade zuhielt. Keine zwei Sekunden später erkannte ich die zwei Spieler als Marian Michalczik und Martin Hanne, zwei meiner Kollegen aus dem Nationalteam. Ich kannte die zwei dank der EM schon ganz gut und eigentlich verstand ich mich auch ganz gut mit den beiden. Aber was wollten sie bitte von Liv und Jari?

Ein mir bislang unbekanntes Stechen zog durch meine Brust und ich biss mir auf die Innenseite der Wange, um nach außen hin neutral zu bleiben. Gleichzeitig trieb mich meine Neugierde weiter voran. Als ich keine zehn Meter von der kleinen Gruppe entfernt war, fielen mir zu guter Letzt noch zwei kleine, aber feine Details auf: Erstens stand noch Lennart Wilken-Johannes bei der Gruppe und sagte gerade irgendetwas, woraufhin alle lachten. Ich kannte Lennart flüchtig aus meiner Zeit in Minden, wo er häufig unsere Spiele kommentiert hatte und wir uns ab und zu über den Weg gelaufen waren.

Zweitens fiel mir auf, dass Liv nicht wie beim letzten Spiel gelb trug. Der Fakt allein machte mich schon stutzig, doch beim zweiten Hinschauen erkannte ich, dass sie ausgerechnet ein HSVH-Trikot trug. Und diese Tatsache machte mich innerlich dann doch ein bisschen wütender und aufgewühlter, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte. Das machte man einfach nicht. Sie arbeitete für uns, sie war ein Teil von unserem Team. Da trug man, wenn überhaupt, auch unsere Teamfarben.

Ich atmete einmal tief durch. Cálmate, Juri. Dafür gibt es sicher eine logische Erklärung. So überbrückte ich die letzte Distanz und stellte mich links neben Marian und damit direkt vor beziehungsweise neben Liv. Ich lächelte einmal vorsichtig in die Runde und wurde direkt von Martin mit den Worten "Hey, Juri!" begrüßt. Ich setzte wieder mein antrainiertes Lächeln auf und antwortete betont freundlich mit: "Hey, ihr. Du Liv, kann ich dich kurz klauen?"

Liv wechselte einen kurzen Blickkontakt mit dem großgewachsenen Jari, der ihr ein Grinsen zuwarf, und nickte dann. "Klar, was gibt's?", fragte sie mich, als wir uns einige Schritte von der Gruppe entfernten. Ich seufzte und meinte dann verlegen, aber ehrlich: "Mein Wasser ist schon wieder leer." Sie lachte leise und hielt mir ohne weitere Rückfragen ihre Flasche hin. Mein gerade noch so aufgesetztes Lächeln wurde durch ein ehrliches ersetzt und dankend strahlte ich sie an.

Doch sie konnte sich einen spöttischen Kommentar nicht nehmen lassen: "Ich hab' das Gefühl, wir müssen dir irgendwann noch eine zweite Flasche kaufen." Ich verdrehte die Augen. Fair war fair, immerhin hatte ich gerade ihre Flasche genommen, da durfte sie mir auch einen Spruch reindrücken. Aber auch ich war heute einfach zu direkt, als dass ich mir einen Konter nehmen lassen könnte: "Und wir müssen dir unbedingt ein Löwen-Trikot kaufen. Weil HSVH, sorry, aber echt jetzt? Du willst doch, dass wir alle auf dich sauer sind!"

Der letzte Satz war ein bisschen zu ehrlich von der Leber weg gesprochen und kam so etwas lauter aus meinem Mund, als ich intendiert hatte. Schnell biss ich mir auf die Innenseite meiner Wange und schüttelte den Kopf. Ich war ehrlich enttäuscht davon. Das machte man einfach wirklich nicht.

Auch Livs Augenbrauen zogen sich zusammen und sie presste noch ein leises "Du kannst so ein Arsch sein, weißt du das eigentlich?" heraus, ehe sie sich wieder von mir abwandte und sich zurück zur Männergruppe gesellte, bei der ich nun definitiv nichts mehr verloren hatte. Ich machte auf dem Absatz kehrt und mein Kopf rauchte. Klar, das war ein bisschen zu hart gerade gewesen, aber die Beleidigung hätte auch nicht sein müssen.

Ich stapfte eingeschnappt zu meinen Freunden zurück und merkte, wie mehrere Augenpaare auf meinen Rücken gerichtet waren, was mir aber in dem Moment egal war. Ich hatte doch recht gerade, oder? Das war einfach eine uncoole Aktion von ihr. Plötzlich fühlte sich die Flasche in meinen Händen viel schwerer an und ich stellte sie bei den Stühlen angekommen achtlos zur Seite. Diese Frau schaffte es immer wieder, mich innerhalb von Sekunden auf Hundertachtzig zu bringen. Jetzt wollte ich ihr Wasser auch nicht mehr haben.


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Ein förmlich rauchender Juri, eine angepisste Liv und ein fettes Missverständnis, alles in 3 Absätzen. Eine neue Rekordleistung für mich, würde ich sagen, hihi ^^ Und damit beende ich auch schon wieder die "große" Lesenacht! Vielen Dank an alle, die diese Kapitel genauso genießen wie ich und wir hören uns morgen auch schon wieder mit zwei (bis 3?) weiteren Kapiteln, wenn ich ein bisschen Zeit aufholen will :)

Alles Liebe und bis morgen, eure Ella <3

P.S. Es tut mir wirklich leid, aber ich kann es einfach nicht lassen. Ich schreib "erspähte" immer instinktiv falsch und grinse dann, wenn es mir später durch die Word-Korrektur auffällt xD Einfach zu random und zu gut, um diesen kleinen fun fact nicht mit euch zu teilen hihi ^^

P.P.S.: Bare with me here. Ich weiß, eigentlich müssten sich die Jungs (also Juri, Martin und Marian) schon viel besser kennen. Man wächst einfach zusammen auf solchen Lehrgängen und bei solchen wichtigen Events. Gerade Juri und Marian dürften sich extrem gut kennen, weil beide auf der gleichen Position spielen und deshalb im Natio-Training die ganze Zeit aufeinander hocken dürften. Aber es passt einfach besser in den Flow der Geschichte und in Juris Charakter hier rein, dass er doch ziemlich misstrauisch und verschlossen ist, gerade vor einem Spiel. Diesen Aspekt hab ich hier komplett ausgereizt. Also bitte nehmt es mir nicht übel <3

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt