48 - ehrlich sein - Liv

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- Montag, 20.05.2024 – Iris/The Goo Goo Dolls -

Ich schnitt an dem Video herum, bis ich einigermaßen zufrieden damit war. Jetzt hatte ich das Interview, das ich gestern mit David geführt hatte, in gesunden Portionen, sodass ich einzelne Fragen immer wieder in den Film einbauen konnte, und eine größere Passage, in welcher David einfach zuckersüße Worte zu Juri gefunden hatte. Jedes Mal, wenn dieser Abschnitt beim Schneiden von Neuem startete, grinste ich in mich hinein. Die zwei Jungs hatten sich echt gesucht und gefunden.

Gleichzeitig machte ich mir immer wieder Gedanken darüber, wie begrenzt meine Zeit hier nur noch war. Ich schaute von meinem Laptop auf und beobachtete die Jungs bei ihrem Nachmittagstraining. Ich hatte nicht einmal mehr einen Monat mit ihnen. Es war einfach unfassbar, wie viel sie mir doch jetzt schon bedeuteten, obwohl wir uns erst seit so kurzer Zeit kannten.

Ich beobachtete Philipp, wie er einen weiteren blöden Witz riss und damit David und Juri zum Lachen brachte. Die drei waren wirklich wie aneinander gekettet seit einigen Tagen. Eigentlich genau seit dem Zeitpunkt, als Juri und David zurück aus Schweden waren. Instinktiv fragte ich mich, ob es daran lag, dass auch sie nur noch wenig Zeit miteinander hatten oder ob es nicht doch dafür einen anderen Beweggrund gab, von dem ich nichts wusste.

Und just in dem Moment, als mir dieser Gedanke kam, kam gleichzeitig auch das Bauchweh, das mich seit gestern nicht mehr losgelassen hatte. Vertraute mir Juri immer noch so wenig, dass er mir nicht einmal hatte erzählen können, dass Friederike sich von ihm getrennt hatte? Ich nahm David es nicht übel, dass er mir nichts davon erzählt hatte, eher war ich verunsichert. Eigentlich dachte ich, dass Juri und ich inzwischen Freunde waren. Freunde, die sich solche Dinge erzählen konnten. Es hätte ja nichts daran geändert, wie ich über ihn dachte, nur weil er mir seinen geänderten Beziehungsstatus anvertraute. Nein, in dieser Situation, in der ich gerade steckte, dachte ich wohl eher anders über ihn. Und so ein bisschen stach es schon, dieses fehlende Vertrauen.

Mir war nicht bewusst gewesen, dass ich die drei die ganze Zeit angestarrt hatte, bis Juri meinen Blick auffing und fragend eine Augenbraue nach oben zog. Diese Mimik holte mich zurück in die Realität und ich schüttelte den Kopf und lächelte sanft, um ihm zu zeigen, dass es nichts Relevantes war, woran ich gerade gedacht hatte. Er lächelte ebenfalls und wandte sich dann wieder Flipse zu.

Ich dachte, wir hatten eine Vereinbarung. Eine Vereinbarung, dass wir üben würden, besser zu kommunizieren. Das hatte ich vor allem mir selbst versprochen. Doch das war irgendwie bei diesem Thema so gar nicht möglich. Ich biss mir auf die Unterlippe und verdrängte so jeglichen weiteren Gedanken rund um das Thema Friederike und Trennung. Ich hatte noch etwas zu tun, etwas, was uns die Kommunikation hoffentlich vereinfachen würde. So fokussierte ich mich wieder darauf, Elemente des David-Interviews passend in den Film einzubauen und die Tonspur über einen kurzen Clip zu legen, den ich von den zwei gemacht hatte.

„Na, wie läuft's?" Ich sah erneut von meinem MacBook auf und somit direkt in Cheffes Gesicht, der mir neugierig auf den Bildschirm schaute. Ich lächelte sanft. „Ganz gut. Ich brauch nicht mehr viel." Seine Augenbrauen zuckten und er lächelte. „Ich bin so gespannt, was du da fabrizierst. Du weißt, mein Angebot steht noch?" Ich nickte und grinste ihn dankbar an. Schon ganz zu Beginn meines Projekts hatte er mir seine Hilfe beim Schneiden und Timing angeboten. Doch das war mein Projekt. Ich hatte ihn für meinen Geschmack schon viel zu sehr damit belämmert und gestresst, den Rest wollte ich alleine hinkriegen. Und bislang tat ich das auch. So erwiderte ich: „Alles gut. Aber danke. Ich zeig's dir dann am Donnerstag, okay?" Cheffe grinste mich breit an. „Also Spannungsbögen aufbauen kannst du auf jeden Fall." Ich lachte und schüttelte den Kopf. Bis Donnerstag wollte ich den Film fertig haben. Denn am Freitag, das hatte ich mit Cheffe zusammen angeleiert, würde ich meine Projektarbeit den Spielern vorstellen. Entsprechend musste der Film also bis spätestens Donnerstag fertig sein.

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt