07 - Idiot - Liv

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- Montag, 15.04.2024 - Austin/Dasha - tw: Kraftausdrücke/Fluchen

"Was ist denn bei dem falsch?" Ich nickte zustimmend. "Danke schön! Hab' ich mich auch gefragt!"

Ich hatte gerade das Telefonat mit meinen Eltern und Schwestern beendet, als ich abermals angerufen wurde. Dieses Mal war es aber meine 'extended family', wie ich sie nennen würde - um genau zu sein, meine beiden besten Freundinnen. Ich hatte Meyra und Lilly bereits während meiner Zeit in Hamburg kennengelernt und seitdem sind die zwei mit mir wirklich durch dick und dünn gegangen.

Lilly, eigentlich Lillian, war damals frisch nach Hamburg gezogen und hatte wie ich damals auch angefangen, in Eilbeck Handball zu spielen. So hatte sie auch live und in Farbe mitbekommen, wie ich mir meine Achillessehne zerschlagen hatte und war während der OP und dem ganzen Drama danach nicht mehr von meiner Seite gewichen. Meyra war für den Großteil meines Lebens meine Nachbarin gewesen und so waren wir wie Schwestern aufgewachsen.

Alles in allem waren wir ein sehr chaotisches Trio und hatten während der Abizeit den Spaß unseres Lebens. Umso toller war es also auch, dass beide meine engsten Freundinnen auch nach Süddeutschland gezogen waren. Meyra wohnte wie ich auch in Mannheim und machte ein Duales Studium in der IT bei SAP. Lilly war nach Darmstadt gezogen und studierte Architektur an der Technischen Uni dort. So war es nur logisch, dass wir uns auch hier beinahe jede Woche trafen oder zumindest regelmäßig telefonierten.

Gerade war ich dabei, den zwei von der Situation zu erzählen, die sich vorher im Training mit Juri Knorr abgespielt hatte. Ich war immer noch schockiert von dem extrem aufgeblasenen Ego, das der junge Spieler bereits mit sich herumtrug. Lilly, die Handball-vernarrte Person, die sie war, versuchte, den Idioten zu verteidigen: "Also ich weiß ja nicht. Das klingt eigentlich nicht nach ihm. Eigentlich ist er ganz nett..." Meyra, die die Aussage der Blonden nicht ganz nachvollziehen konnte, reagierte simpel mit den Worten: "War klar, dass das von dir kommt."

Lillys Augenbrauen zogen sich zusammen und sofort beschwerte sie sich: "Was soll das denn jetzt heißen?" Schnell versuchte ich, die Situation zu entschärfen: "Ach, nur, dass du ein Fan bist. Da ist das Bild im Kopf nochmal ein anderes." Schnell schob ich noch ein beschwichtigendes Lächeln hinterher, um zu zeigen, dass weder Meyra noch ich es böse gemeint hatten. Lilly verdrehte nur die Augen. "Ja, ja. Ich mein' ja nur. Vielleicht hatte er ja einfach einen schlechten Tag."

Ich lachte leise in mich hinein. Dafür musste sein Tag wirklich beschissen gewesen sein, dass er so auf ein neues, fremdes Gesicht reagiert. Aber ich ließ Lilly ihr Weltbild und antwortete diplomatisch: "Vielleicht. Soll auch vorkommen. Hab' ich zumindest gehört." Das entlockte Meyra ein Lachen. Sie strich sich die braunen Wellen hinter die Schulter, bevor sie meinte: "Hoffen wir's. Für ihn. An seiner Stelle würde ich wirklich nicht bei dir in Ungnade fallen wollen, Liv."

Dieses Mal lachte ich laut auf. "Bin ich so schlimm?" Lilly lachte ebenfalls und grinste in die Handykamera: "Sagen wir es so: Wenn du deine Tage hast, wollen wir dich nicht auf die Palme bringen." Meyra nickte zustimmend und ich verschränkte die Arme und schmollte gespielt. Dann zuckte Meyra mit den Schultern und meinte: "Immerhin ist es nur einer von vielen." Ich nickte verständnisvoll. Stimmte auch wieder.

Dann kam mir eine Erinnerung an etwas, was Cheffe zu mir gesagt hatte und ein leises "Oh Gott" entfuhr mir, bevor ich meine Stirn auf der Tischplatte vor mir ablegte. Das hatte ich bis gerade eben wirklich fast verdrängt. Meyra war direkt besorgt und fragte nach: "Was ist los?" Ich seufzte laut auf, bevor ich mich wieder im Schreibtischstuhl aufrichtete und antwortete: "Ich... ich muss den Idioten auch noch am Donnerstag interviewen. Also so richtig. Aufgabe vom Chef." Lilly entfuhr ein "Oh Shit" und Meyra lachte los. "Na dann viel Glück euch zwei. Das wird ja witzig." Ich nickte, aber die Sorge machte sich in meinem Kopf breit. Warum hatte er nur so auf mich reagiert? Ich äußerte meine Gedanken: "Mich wundert es irgendwie total, dass er so drauf war. David hat doch eigentlich auch gemeint, dass er cool ist."

Meyra, die den neuen Namen aufsaugte wie einen Schwamm, grinste direkt und hakte nach: "Aaah ja. David also. Ein Süßer?" Um ihre Worte noch zu untermalen, wackelte sie spielerisch mit den Augenbrauen, was mich wiederum dazu anregte, meine Augen zu verdrehen. "Ach du, ein ganz Süßer." Um deutlich zu machen, dass ich das gerade sarkastisch gemeint hatte, fügte ich dem noch unsarkastisch hinzu: "Quatsch. David ist cool." Lilly grinste und komplettierte die Aussage mit den Worten: "Und vergeben." Ich nickte zustimmend und setzte noch ein "Eben" hinterher. Meyra hob nur abwehrend die Arme und meinte: "Wenn ihr das sagt."

Lilly, die von meinem Name-dropping von David wohl inspiriert war, fragte neugierig: "Wen kennst du denn noch aus dem Team?" Ich seufzte. Ich war mir tatsächlich nicht so ganz sicher, was ich den zwei erzählen durfte. So antwortete ich vorsichtig: "Ich hab' heute fast nur mit dem Torwart-Team gearbeitet. Und sonst... ach weißt du, das wirst du auf Insta sehen. Die Videos werden im Laufe der Woche kommen." Meyra grinste direkt und bemerkte: "Liv, unser kleiner Influencer", was mich lachen ließ.

Meine blonde Freundin war anscheinend etwas enttäuscht von meinem Informationsmangel und hakte nach: "Aber sonst kannst du nichts sagen?" Ich zuckte mit den Schultern und erinnerte mich an den Aktenstapel, auf welchem ich ungefähr einhundert Mal unterschreiben musste. So meinte ich ehrlich: "Ich weiß es nicht. Ich hab' eine Verschwiegenheitsklausel unterschrieben. Streng genommen hätte ich euch nicht mal von der Sache mit Juri erzählen dürfen. Also - bitte! - lasst nix davon nach außen."

Meyra grinste wissend und antwortete gespielt ahnungslos: "Wovon?" Auch Lilly zwinkerte in die Kamera und bestätigte dies: "Niemals." Dankbar lächelte ich meine beiden Fast-Schwestern an. "Apropos Juri...", fing Lilly wieder an, "... hast du eigentlich schon Fragen für das Interview mit unserem Egozentriker?" Dieses Mal war ich an der Reihe, in die Kamera zu zwinkern. "Da musst du schon auf Donnerstag warten." Meine Freundin schmollte gespielt und schob die Unterlippe vor.

Nummer drei in der Runde erkannte, dass ich nichts mehr sagen durfte, ohne wirklich in die Bredouille zu kommen, und schnitt ein anderes Thema an: "Okay, Themenwechsel. Was planen wir denn eigentlich für Sonntag?" Lilly hatte am Sonntag ein Spiel. Die Rechtsaußen spielte inzwischen für die zweiten Damen der TGBDarmstadt und damit nicht so hoch, wie wir damals in der Jugend noch gespielt hatten. Aber trotzdem ließen Meyra und ich es uns nicht nehmen, unsere Freundin von den Seitenlinien aus zu unterstützen.

Da wir alle den Sonntag frei hatten, wurde einstimmig beschlossen, dass wir uns vor dem Spiel einen schönen Tag in Darmstadt machen würden. Und so schweifte die Konversation schnell in Richtung "Welches ist denn das beste Café?" oder "Hättet ihr Lust darauf, euch die Waldspirale anschauen zu gehen?" ab. Im Endeffekt tat es einfach gut, nach einem so ereignisreichen und stressigen Tag zusammen mit meinen Mädels abschalten zu können und für einen kurzen Moment ganz weit weg vom Handball zu sein. Sie waren einfach immer der perfekte Ausgleich zu meinem chaotischen Leben und dafür liebte ich die zwei einfach.


- 1212 Wörter -

So, ein bisschen Freundschafts-Action muss auch für Liv sein. Das Kapitel ist etwas kürzer, hat aber dafür umso mehr Spaß gemacht zu schreiben.

Bis Dienstag, meine Süßen,

alles Liebe, eure Ella <3

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt