13 - Interview - Juri

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- Donnerstag, 18.04.2024 - Babydoll/Dominic Fike -

Es war wie ein Tischtennis-Spiel. Unsere Konversation wechselte wie ein Pingpong-Ball die Seiten und inzwischen war ich mir sicher: Mir war noch nie ein Interview so leicht gefallen. Selbst bei den schwierigeren Fragen fand ich doch noch immer eine Antwort und Liv gab mir die Zeit, die ich brauchte, um zu überlegen. Mit ihr könnte ich mir es sogar vorstellen, das häufiger zu machen. Warte, was? Ich grinste in mich hinein, während sie die nächste Frage stellte.

"Mir ist tatsächlich was aufgefallen. Ich habe dich noch nie lächeln gesehen nach einem Spiel. Egal, ob ihr gewonnen oder verloren habt. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?" Okay, ich nahm alles zurück. Die Frage ging mir unter meine Haut. Ich biss mir unterbewusst auf die Unterlippe und scharrte mit den Füßen auf dem Boden. Natürlich war ich nicht ausgelassen nach einem Spiel. Immerhin war es mein Beruf, Handball zu spielen und irgendwie wollte ich mich immer verbessern. Da gehörte es einfach dazu, nach einem Spiel nochmal in mich zu gehen und zu überlegen, an welchen Stellen ich mich noch ein wenig mehr hätte anstrengen können.

Liv fiel wieder einmal sofort auf, dass ich mit der Frage zu kämpfen hatte. "Sorry, das war vielleicht zu direkt." Ich sah wieder auf und hielt den Augenkontakt mit dem Schokolade-farbigen Set vor mir. Sie lächelte mich entschuldigend an und sofort konnte ich ihr die Frage nicht übel nehmen. Ihre unschuldige Art, Fragen zu stellen und ihr sorgsames Wesen strich gerade jedes Vorurteil über sie aus meinem Kopf. Ich erwiderte ihr Lächeln und antwortete beschwichtigend: "Alles gut. Das ist ein Interview. Es ist dein Job, auch mal unangenehme Fragen zu stellen."

Unsicher zog sie ihre Augenbrauen hoch. Sie erwiderte: "Trotzdem. Du sollst dich ja auch wohlfühlen. Es geht schließlich um dich, nicht um mich." Jedes Mal, wenn sie den Mund aufmachte, überraschte mich die kleinere Frau vor mir aufs Neue. Dankbar lächelte ich sie an. "Okay. Können wir vielleicht eine andere Frage nehmen? Ich weiß nicht, wie elegant ich das formulieren kann..." Sie nickte und reagierte mit einem simplen "klar", bevor sie einen kleinen Notizblock aus der Jackentasche zog und kurz das darauf Geschriebene überflog.

"Wenn David nicht da wäre. Mit wem würdest du dir dann auf Auswärtsspielen dein Zimmer teilen?" Über diese Frage musste ich mir dafür gar nicht den Kopf zerbrechen. Wie aus der Pistole geschossen antwortete ich: "Mit Flipse. Also mit Philipp Ahouansou. Der wird mir definitiv fehlen nächste Saison." Liv vor mir grinste breit und ihr entwich ein leises "Aww", bevor sie sich peinlich berührt die Hand vor den Mund schlug. Ich musste lachen. Das war gerade schon ganz niedlich von ihr.

Vorsichtig fragte sie nach: "Ihr seid schon gut befreundet, oder?" Ich nickte instinktiv. "Ja, er ist einfach immer für mich da. Und er macht einfach gute Laune im Training. Ich kann mich echt glücklich schätzen, mit einem so talentierten jungen Mann zusammen spielen zu dürfen. Und ich wünsch ihm für seine weitere Karriere auch alles Gute." Ich grinste in die Kamera und zwinkerte ihr einmal zu. Philipp würde wissen, dass das an ihn gerichtet war. Zum Glück war mir nichts über Wetzlar herausgerutscht. Die Welt wusste zwar schon, dass Flipse nach der Saison wechseln würde, aber noch nicht, wohin. Damit hatte ich auch nichts Neues gesagt.

Liv grinste und ich erkannte direkt, dass sie beeindruckt war, wie elegant ich das gerade geöst hatte. Sie nickte mir anerkennend zu und fuhr dann mit der nächsten Frage fort.

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"Das war super!", kam es als allererstes von Chef, der links von mir die Aufnahme gestoppt hatte. Ich nickte bestätigend. "Du bist ein Naturtalent! Ich hab' mich noch nie so wohl gefühlt bei einem Interview." Und das meinte ich genauso, wie ich es gesagt hatte. Die Frau mir gegenüber lief rosa an und bedankte sich bei mir. Ich winkte ab.

"Achso, und Liv?" Sie schaute mit großen Augen zu mir auf. "Was gibt's?" Ich lächelte sie sanft an. "Es tut mir übrigens leid, wie ich dich am Montag behandelt hab'. Du hast mich da auf dem ganz falschen Fuß erwischt. Ich wollte mich einfach nochmal für die Aktion bei dir entschuldigen." So, damit war es raus. Beinahe nervös sah ich ihr in die beruhigenden, braunen Augen. Doch sie lächelte mich nur sanft an. "Vergeben und vergessen." Erleichtert grinste ich und atmete einmal tief durch.

David, der die letzten zwei Minuten an die Wand der sich leerenden Mixed Zone gelehnt hatte und uns beobachtet hatte, kam auf uns zu und legte mir den Arm um die Schulter. "Und, hab' ich recht oder hab' ich recht?" Ich wusste sofort, dass er auf die Aussage anspielte, die er am Dienstag im Kraftraum zu mir getroffen hatte. Ich verdrehte die Augen, damit es mein bester Freund auch sehen konnte. "Ja ja, freu dich und kauf dir ein Eis." Wir beide lachten. Doch dann kam in meinem Kopf eine weitere Frage auf.

"Aber, sag mal, Liv. Warum hast du eigentlich nicht nach meinem Wechsel gefragt? Ich hab' schon fast nur mit solchen Fragen gerechnet." Liv, die sich gerade schon Cheffe zuwenden wollte, hielt inne und überlegte kurz. "Am liebsten hätte ich schon gefragt...", gab sie zu. "Aber irgendwie hat es einfach nicht reingepasst. Außerdem war ich mir nicht ganz sicher, wie du die Frage aufgenommen hättest. Ich wollte einfach den Flow nicht stören." Dankbar nickte ich und lächelte sie an. Wieder einmal hatte sie die Situation komplett richtig eingeschätzt.

Dieses Interview und die kurze Konversation hatten mein Bild von ihr um 180 Grad gewendet. Vor mir stand nun nicht mehr die egozentrische, ignorante Reporterin, sondern eine rücksichtsvolle und zuvorkommende Fotografin. Wie hatte ich nur jemals anders über sie denken können? Wahrscheinlich hatte sich David genau das Gleiche gedacht...

Ich betrachtete sie noch einmal ein bisschen eingehender als während des Interviews, während sie sich mit ihrem Vorgesetzten über den jetzigen Ablauf unterhielt. Davids Arm auf meinen Schultern hatte ich schon fast vergessen. Ich hätte die junge Frau auf vielleicht 21, 22 Jahre geschätzt. Ihre dunkelbraunen Haare wirkten im Licht beinahe schwarz und waren in einen strengen Pferdeschwanz gebunden. Ihr Outfit war gut ausbalanciert, die dunkelblauen Vans passten zu ihrer Jeansjacke und den schwarzen Jeans. Durch das gelbe Oberteil konnte man direkt erkennen, dass sie zu uns Löwen gehörte, ohne dass sie ein Trikot trug. Die Sommersprossen auf ihrer Nase passten gut zu ihrem hellen Teint und die Augen komplettierten ihre Ausstrahlung. Sie sah tatsächlich nicht schlecht aus, musste ich mir selbst eingestehen. Nicht, dass es irgendwas an meiner aussichtslosen Situation im Punkto Frauen ändern würde. Aber schauen durfte ja auch mal erlaubt sein.

Das Gewicht entfernte sich wieder von meinen Schultern und ich schaute zu dem Mann links von mir. Dieser hatte eine Augenbraue angehoben und musterte mich kritisch von der Seite. Hatte er gerade etwa mitbekommen, wie ich Liv angestarrt hatte? Ups. Doch ich stellte mich dumm und fragte ihn betont gleichgültig: "Alles gut?" Nun zuckten seine Augenbrauen und er grinste. Ja, er hatte das gerade genauestens mitbekommen. Und er würde mich den gesamten restlichen Tag damit aufziehen, so viel war klar. "Alles wunderbar."

Ich grinste und schlug ihn spielerisch gegen den Oberarm. Ruhe auf den billigen Plätzen. Ich genoss es beinahe schon, dass so etwas wie Normalität zurückgekehrt war. Mein Leben war so chaotisch und hektisch. Da tat es ab und zu auch einfach gut, mit meinem besten Freund herumzublödeln. Und, wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst war, hatte auch Liv ein bisschen etwas zu meiner gebesserten Laune beigetragen. Es war einfach wichtig, dass wir uns gut verstanden. Schließlich würden wir ab jetzt eine Weile aufeinander hocken und dicke Luft war einfach das Letzte, was ich gebrauchen konnte.

So ließ ich es mir nicht nehmen und grinste David an, bevor ich weiter die junge Fotografin ungeniert musterte. Dann überlegte ich, wie ich ihr gegenüber ab sofort auftreten wollte. Immerhin kannten wir uns seit knapp einer Viertelstunde. Wie würde sie sich mir gegenüber ab sofort verhalten? Wir würden es sehen.


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Na, ihr Lieben. Außerordentlicher Upload-Tag, whoop whoop! ^^

Ich genieß es gerade voll, wie Juri drauf ist. Und das, obwohl sein Tag eigentlich nicht so gut lief. Was für einen Effekt Liv haben kann hehe ;) Inzwischen bin ich wieder an dem Punkt angekommen, an dem ich die die Charaktere einfach mal "machen lasse" und dann schaue, ob das irgendwie passt. Und heute ist Juri eben gut drauf \._./ Entsprechend auch ein ein bisschen kürzeres Kapitel.

Schauen wir mal, wie der Spaß sich noch weiterentwickelt ;)

Alles Liebe und bis zum nächsten Kapitel,

eure Ella <3

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt