64 - Kaffee-Erpressung - Liv

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- Dienstag, 04.06.2024 - Only For You/Tors -

Es fühlte sich so seltsam an. Ich lehnte mich in meinem Schreibtischstuhl zurück und betrachtete den aufgeklappten Laptop vor mir, ohne mich wirklich auf den Bildschirm zu fokussieren. Es war so anders. Sonntag hatte ich mir noch einmal die Zeit genommen, mich von allen nach und nach zu verabschieden. Es waren einige Tränchen geflossen und nun fiel es mir noch schwerer, mich tatsächlich auf meine Arbeit zu konzentrieren.

Die einzigen, von denen ich mich noch nicht verabschiedet hatte, waren meine drei Garnelen. Sie würde ich - zum Glück - ja noch bei Flipses Umzug sehen und so hatte ich noch ein wenig Verdauzeit, bis ich mich auch final verabschieden müsste, zumindest von Philipp. Die anderen zwei Holzköpfe würde ich ja noch über die Olympiazeit nerven können.

Der Großteil der Jungs war inzwischen irgendwo im Urlaub. David war zusammen mit Katja heute morgen nach Fuerteventura geflogen, Flipse machte mit Maya Kurzurlaub und Juri trieb sich, wenn ich mich richtig erinnerte, irgendwo in Hamburg herum. Ihm hatte ich noch per WhatsApp ein, zwei Tipps mit auf den Weg gegeben, ehe er gestern schon in den Norden zu seiner Familie gefahren war. Alle drei hatten ihre Auszeit zu 100 Prozent verdient und sollten sich entspannen, das sah ich zu gut. Auch die anderen Löwen waren größtenteils ausgeflogen und so war es nur noch das Media-Team und sonstige Abteilungen, die die Löwen-Hauptzentrale bewohnten.

Es hatte einen fahlen Beigeschmack, dieses unfassbar schöne Praktikum mit zwei Wochen Schreibtischarbeit zu beenden. Die letzten sieben Wochen waren eine spannungsgefüllte, aufregende, wunderschöne Zeit für mich. Ich hatte mich noch nie so schnell in eine Gruppe aufgenommen gefühlt und hatte mich dem Handball und meinem Traum noch nie so nah gefühlt. Doch auch mein jetziger Aufgabenbereich gehörte mit zum Job dazu und war Teil des Gesamtpakets.

Ich würde meine letzten Tage als Löwin damit verbringen, brav Cheffes Untertanin zu sein und Fotos herauszusuchen, die die Social Media-Abteilung posten konnte. Gleichzeitig würde ich ein wenig bei der Ausformulierung von älteren Interviews mithelfen und auch auf der Schiene in die Media-Welt hineinschnuppern können.

Doch jetzt schon fehlte mir das Fotografieren und die Interviews. Der Job war einfach doch nicht der gleiche, wenn deine Motive nicht da waren und du keine Kamera in der Hand hattest. Sofort fühlte ich mich wieder ein wenig nutzlos. Aber wie gesagt - der Teil gehörte nunmal mit zum Sportjournalismus dazu.

Hinter mir seufzte Cheffe einmal auf. Ich warf ihm einen Blick zu und ein verschwörerisches Grinsen bildete sich auf meinen Lippen. "Kaffee?" Mehr brauchte ich gar nicht zu sagen, allein mit diesem Wort hatte ich einen hoffnungsvollen Blick bei ihm hervorgerufen. "Gerne! Ich muss dringend was anderes sehen als meinen Bildschirm." Mein Vorgesetzter sprach mir direkt aus der Seele.

Gemeinsam machten wir uns, wie so oft, auf den Weg zu den Socials. Ich grinste über dieses blöde Meme, ehe ich an der Tür klopfte und direkt daraufhin in das deutlich größere Büro trat. "Na, ihr zwei?", kam es von einer spöttisch grinsenden Kim, als auch Cheffe hinter mir in den Raum trat und sehnsüchtig zur Kaffeemaschine in der Ecke hinüberschielte. "Wollt ihr zufällig was bestimmtes von mir?"

Ich lachte leise. "Musst du überhaupt noch fragen?" Kim lachte ebenfalls und auch Selina sah von ihrem PC auf. "Ihr bekommt einen, wenn ihr mir am besten sofort ein Foto schickt, das ich hochladen kann. Apfel hat die beste Paradenquote diese Saison in der Bundesliga, und da will ich einen Post dazu machen." Sie kannte uns gut - mit Kaffee konnte man uns zu gut erpressen.

Leise kicherte ich in mich hinein, nickte aber. Auch Cheffe bestätigte: "Gut, bekommst du." Dann schnappte er sich eine Tasse und sah zu mir. "Läufst du kurz? Ich mach dir auch einen." Ich lachte und erwiderte: "Immer die Praktikanten die Arbeit machen lassen, jaja." Dann grinste ich ihn frech an und winkte kurz in die Runde. Mit einem "bin gleich wieder da" schlüpfte ich zurück auf den Gang.

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt