03 - Frischfleisch - Liv

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- Montag, 15.04.2024 - Wildberry Lillet/Nina Chuba -

Mein Puls raste, als ich mit schnellen Schritten auf das Gebäude zuhielt. In Panik warf ich einen Blick auf meine Armbanduhr, die mir 9:02 anzeigte. Ich war zu spät. Genau das, was ich eigentlich vermeiden wollte, war eingetreten. Allerdings konnte man auch nicht alles im Leben planen. Die Bahn wollte heute einfach nicht so wie ich. Zum Glück hatte ich bereits die Nummer von Manuel, meinem zukünftigen Vorgesetzten, weshalb ich ihm direkt eine WhatsApp geschrieben hatte und ihn über mein Zuspätkommen informiert hatte. Ich wusste, dass es keinen perfekten ersten Eindruck hinterlassen würde, allerdings kannte ich Manuel schon flüchtig, weshalb das mich nicht allzu sehr aufregte. Mit Schwung öffneten sich die elektronischen Schiebetüren und direkt blickte ich in das grinsende Gesicht des Manns, den ich instinktiv auf Mitte dreißig geschätzt hätte.

"Hey, Liv! Schön, dich wieder zu sehen!", lächelte er mir entgegen, während ich schnellen Schrittes auf ihn zulief. "Hey, Manuel. Ja, total! Es tut mir so leid, die Bahn..." Er nickte verstehend, wofür ich unendlich dankbar war. Er warf kurz einen Blick auf meine große Handtasche und fragte vorsichtig: "Alles dabei, was du brauchst?" Ich nickte und er führte aus: "Heute würden wir kurz das Vertragliche regeln und dann würde ich mit dir rüber nach Kronau fahren. Dann kannst du direkt die Spieler in Aktion miterleben."

Ich versuchte, meinen Puls nach dem schnellen Dauerlaufen herunter zu regulieren und atmete tief ein, bevor ich erneut nickte. "Super gerne! Ich bin gespannt, was du alles für mich geplant hast heute." Er lachte und rieb sich spielerisch die Hände: "Oh, da hab' ich einiges auf Lager." Ich lachte ebenfalls und korrigierte den Sitz meiner Tasche auf meiner Schulter.

Dann folgte ich ihm durch die Glastür, die er mit einem Chip an seinem Gürtel öffnete. Diese führte in einen langen Gang, dem wir bis zum Ende folgten. Dort befand sich anscheinend auch das Sekretariat der Geschäftsstelle der Löwen. Nach einigen Höflichkeiten und vielen Unterschriften meinerseits und von Manuel aus machten wir uns auch schon wieder auf den Weg zu seinem kleinen Twingo.

Innerlich gingen mir immer noch die Panik-Gefühle durch. Es passierte alles so schnell, dass ich mit meinem Hirn kaum mitkam. Es fühlte sich immer noch alles so unreal an. "Du, Manuel? Kneif mich mal." Manuel lachte mich mit leichten Grübchen an und zeigte sein charmantes Lächeln.

Ich hatte im Hinterkopf, wie er bei unserem ersten Telefongespräch erzählt hatte, dass er einst Model gewesen war und so auf die Fotografie gekommen war. Jetzt, da ich ihn zum ersten Mal richtig sah, ergab das auch Sinn. Er hatte etwas Besonderes an sich. Er war nicht im klassischen Sinne schön, sondern eher außergewöhnlich und er hatte definitiv die Fähigkeit, Blicke auf sich zu ziehen. Erst sein Lächeln machte ihn tatsächlich attraktiv, was meine Erinnerung daran noch bestätigte, dass er einst Model war. Irgendwie hatte ich instinktiv das Bedürfnis, nach meiner Kamera zu greifen und den Mann neben mir zu fotografieren, was ich aber dann doch als ein wenig seltsam empfunden hätte und es deshalb sein ließ.

Wir stiegen in sein kleines Auto und schnallten uns an. "Du, Liv? Kann ich dich um was bitten?" Besorgt sah ich meinen Chef an. "Klar, was gibt's?" Der sonst so unglaublich selbstsichere Mann neben mir trommelte gedankenverloren auf dem Lenkrad herum und schien mit den Worten zu ringen. "Ich... bin mir nicht ganz sicher, wie ich das jetzt sagen soll. Bitte... bitte dreh nicht durch, wenn du die Jungs siehst, okay? Ich bin da ein bisschen vorgeschädigt."

Instinktiv versuchte ich, ein leises Lachen zu unterdrücken. Klar, ich mochte Handball. Aber ich würde mich jetzt nicht als Fan von einer Mannschaft bezeichnen, geschweige denn von bestimmten Spielern. Die Vorstellung, dass ich quietschend vor einer Horde Jungs stehen würde, wirkte also wirklich ziemlich komisch für mich.

Allerdings wirkte es so, als ob er sich wirklich Sorgen deshalb machte, weswegen ich schnell antwortete: "Ach, Manuel. Bei mir brauchst du dir da überhaupt keine Sorgen machen. Sie sind im Endeffekt auch nur Menschen, oder?" Erleichtert stieß er lautstark Luft aus. "Auf die Aussage habe ich gehofft. Und bitte, BITTE...", betonte er, "... nenn mich nicht Manuel. Ich fühl mich jetzt schon so alt, weil du mich immer so nennst."

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt