49 - Lehrauftrag - Liv

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- Donnerstag, 23.05.2024 – Meine Kleine Welt/Tom Twers -

„Okay. Bist du bereit für den weltbewegendsten Film der Welt?" Cheffe lachte und nickte. „Ich hör den sarkastischen Ton doch schon. Spiel das mal nicht so runter!" Ich lachte ebenfalls leise. „Touché." Dann klickte ich einmal auf die Leertaste und der Kurzfilm lief auf dem Bildschirm meines MacBooks an.

Wir saßen gerade zu zweit in unserem Büro und hatten noch eine knappe Stunde Zeit, bis das Nachmittagstraining der Jungs anfing. Während Cheffe heute nicht im Training anwesend sein würde, hatte er mich mit dem Auftrag dorthin geschickt, ein bisschen mehr Interview-Erfahrung im Social Media-Bereich zu sammeln. Dafür hatte ich heute Morgen lange mit Kim über Aufnahmetechniken und weiteren Möglichkeiten geredet und mich mental schon auf den neuen Aufgabenbereich vorbereitet.

Der Film war seit gestern Abend fertig. Ich hätte jetzt auch noch weiter daran arbeiten können. Aber ich wollte auch nicht zu perfektionistisch damit sein. Ich hatte bereits die Erfahrung gemacht, dass es mit meinem fortschreitenden Perfektionismus nicht einfacher und auch nicht zwangsläufig besser wurde. Um meinen Dozenten zu zitieren: Irgendwann ist es auch gut mit der Überarbeitung, irgendwann verschlimmbessert man nur noch.

So lehnte auch ich mich zurück in meinem Bürostuhl und schaute mit Cheffe gemeinsam auf den Bildschirm meines Laptops. Die erste Tonspur lief an und man konnte Flipse hören, wie er über die Löwen philosophierte. Den Einstieg fand ich einfacher. Gleichzeitig zeigte ich Ausschnitte aus dem Training und aus dem Spiel gegen die Recken. Davon würden noch einige kommen. Teilweise hatte ich aber auch Szenen aus den Interviews direkt reingeschnitten.

Später kamen noch Shots, die ich direkt von Juri gemacht hatte. Immer wieder hatte ich auch Fotos eingestreut, die ich von ihm mit anderen Spielern gemeinsam hatte. So hatte der Zuschauer immer einen Anhaltspunkt, wer gerade seine Worte über den Spielmacher verlor.

Cheffe saß die gesamte halbe Stunde, die der Film final lang war, ruhig in seinem Stuhl und verfolgte den Film ohne Zwischenfragen und Kommentare mit. Ich warf ihm immer wieder einen Blick zu und versuchte, eine Reaktion von seinem Gesichtsausdruck abzulesen, schließlich hatte ich den Film an die 1000 Mal gesehen. Doch er blieb komplett neutral.

Die letzte Szene lief an und ich grinste wieder leicht in mich hinein. Ich hatte als letzten Shot einen kurzen Clip von David, Flipse und Juri gewählt, den ich unbemerkt am Geburtstag mit meinem Handy geschossen hatte. Darüber lief die Tonspur vom Interview mit David. Der letzte Satz war deutlich zu hören: „Juri ist einer der besten Menschen, die ich kenne. Und ich kann mir den Handball nicht mehr ohne ihn vorstellen."

Dann wurde der Bildschirm schwarz und ich seufzte auf. Dann wandte ich mich meinem Vorgesetzten zu und wartete auf sein Feedback. Er legte den Kopf schief und betrachtete noch einige Sekunden den schwarzen Bildschirm. Dann holte er tief Luft. „Das ist glaub der beste Amateurfilm, den ich je gesehen habe." Überrascht sah ich ihn an, während ein breites Grinsen auf meine Lippen huschte. „Wirklich?"

Er lächelte ebenfalls und nickte. „Wirklich. Richtig gut geworden!" Ich strahlte ihn an. Doch sofort fragte er nach: „Wie hast du es geschafft, dass er gar nichts davon mitbekommen hat?" Ich grinste. „Ganz ehrlich – da waren vor allem David und Flipse dran beteiligt. Die haben wirklich jede Chance genutzt und ihn auf die falsche Fährte gelockt. Ich bin den zwei so dankbar."

Cheffe grinste mich breit an. „Die Jungs werden es lieben. Da bin ich mir sicher. Das ist so krass gut geworden..." Mein Gesicht lief knallrot an und ehrlich gab ich zu: „Ich hoffe es. Im Endeffekt kommt es halt leider drauf an, was Juri für einen Tag hat. Seine Laune ist extrem davon abhängig, wie sein bisheriger Tag war." Cheffe seufzte und nickte. „Schon. Aber so, wie ihr momentan miteinander umgeht, mach ich mir da eigentlich keine Sorgen." Dabei lächelte er mich beschwichtigend an.

„Aber, sag mal, Liv." Ich war eigentlich gerade schon dabei, den Film wieder zu schließen und meinen Laptop herunterzufahren, als ich innehielt und ihn ansah. „Was gibt's?" Cheffe seufzte. „Ich... ich wollte eigentlich gar nichts sagen. Aber ich glaube, ich verpasse hier meinen Lehrauftrag, wenn ich das nicht frage." Neugierig legte ich den Kopf schief und wartete darauf, dass er fortfuhr.

„Was ist da zwischen Juri und dir?" Dabei sah er mich so ernst an, dass mir direkt klar war, dass er das nicht als Witz meinte. Ich wollte direkt abwehrend antworten, doch ich hielt mich zurück und gab mir Zeit zu denken. „Ich weiß es nicht", gab ich schließlich zu. „Also eigentlich würde ich sagen, wir sind Freunde. So wie ich auch mit David und Philipp befreundet bin. Aber irgendwie ist er seit zwei Wochen nochmal anders zu mir. Irgendwie... offener."

Cheffe zog seine Augenbrauen zusammen und betrachtete mich mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck. „Aber... da ist nicht mehr? Also keine Gefühle oder so?" Dieses mal wehrte ich die Rückfrage direkter ab: „Nee. Also von mir aus definitiv nicht. Und von ihm aus glaub auch nicht. Keine Ahnung, vielleicht ist das einfach bei uns so. Also wie wir miteinander umgehen. Wir waren ja nicht immer einer Meinung und sind beide ziemlich dickköpfig. Da ist das glaub normal, dass man aneinandergerät. Aber seit seinem Geburtstag ist das irgendwie anders. Wie gesagt, er ist irgendwie anders." Cheffe nickte langsam. „Verstehe. Ich frag nur. Weil...", er seufzte, ehe er fortfuhr: „... ich dürfte das ja eigentlich nicht unterstützen, dass meine Praktikantin was mit einem Spieler hat. Aber bei euch wirkt es nach außen hin schon irgendwie so, als ob du ihm guttust."

Überrascht zog sich meine Augenbraue nach oben. „Wie meinst du das?" Er atmete einmal tief ein und ich konnte ihm am Gesicht ablesen, dass er sich die Worte gut zurechtlegte. „Er ist glücklicher. Er lächelt mehr, auch gegenüber mir oder den Media-Leuten. Eigentlich achte ich gar nicht auf sowas, aber bei ihm ist es mir neulich aufgefallen. Sorry, wenn ich mit der Frage grade eine Grenze überschritten habe, es hat mich einfach interessiert."

Ich lächelte und winkte ab. „Alles gut. Ich meine, ich hab auch die ganze Zeit das Gefühl, dass ich eine gewisse Grenze überschreite, wenn ich mit den Jungs privat unterwegs bin. Ist halt immer schwierig, sowas zu sehen, wenn man im Arbeitskontext mit ihnen unterwegs ist, aber auch gleichzeitig mit ihnen befreundet sein will."

Wir nickten beide und lächelten uns an. „Also läuft da nichts zwischen euch?", fragte er noch ein letztes Mal nach. „Nein, tut es nicht. Also alles gut", konkretisierte ich noch einmal und grinste. Er nickte einmal bedächtig und atmete dann aus. „Dann ist ja gut." Ich warf meinen Blick auf die Uhr an der Wand und sah, dass ich langsam losmüsste, wenn ich pünktlich zum Trainingsbeginn in Kronau stehen wollte.

„Also wegen dem Film. Hab ich dein Go?", fragte ich meinen Vorgesetzten vorsichtig. Dieser nickte und lächelte breit. „Definitiv. Aber wehe, du zeigst es ihm, wenn ich nicht da bin. Ich will seine Reaktion doch auch mitbekommen!" Ich lachte ebenfalls leise. „Keine Sorge. Du bist auf jeden Fall dabei." Dann erhob ich mich aus meinem Schreibtischstuhl und packte meinen Laptop in meinen Rucksack. „Da bin ich aber beruhigt", lachte mein Vorgesetzter und begleitete mich noch bis zur Tür, um sich bei Selina noch einen Kaffee abzugreifen.

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Ein kurzes, knackiges Kapitel mit viel Denken und viel Meinungsbildung. Aber Liv, so leid mir das tut, du stehst komplett auf dem Schlauch, was Juri angeht ^^

Heute kommt direkt noch ein zweites Kapitel. Ich kann aber nichts für das Wochenende garantieren, da ist mal wieder Chaos... aber das kennt ihr ja von mir schon xD

Alles Liebe und bis gleich, eure Ella <3

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt