50 - projektarbeit.mp4 - Juri

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- Freitag, 24.05.2024 - Leuchtreklame/ZEITRAPHA –

David verhielt sich seltsam. Und das nicht erst seit gerade. Er hatte schon so seltsam gegrinst, als er heute Morgen in den Besprechungsraum im Löwen-Zentrum in Mannheim gekommen war. Und auch seitdem war das Grinsen einfach nicht mehr von seinen Lippen zu entfernen, egal, wie gestresst wir auch wegen des Wochenendes waren.

Dieses Wochenende stand nämlich nicht einfach nur irgendein Bundesligaspiel an, nein. Dieses Wochenende war anders. Heute Nacht würden wir den ganzen Weg hoch nach Hamburg fahren und dort in einem Hotel übernachten. Entsprechend hatten wir deshalb auch heute so früh morgens „Training". Denn in Hamburg würde das gesamte kommende Wochenende das European League-Final4 stattfinden, bei welchem wir gegen Berlin, Flensburg und Bucharest um den European League-Titel kämpften.

Ich war unfassbar nervös. Das war meine Chance. Meine Chance, zu zeigen, dass wir mehr konnten, als wir momentan in der Bundesliga zeigten. Auch wenn Sebastian die ganze Zeit sagte, dass es keine Schande wäre, wenn wir hier ohne Sieg rausgehen würden. Aber ich hatte noch Ansprüche an mich selbst und an uns. Irgendwie erwartete ich schon, dass wir nicht Letzter wurden. Das war mein einziger Anspruch. Nicht Vierter werden, dann war alles im Lot. Alles drüber war gut, aber mindestens auf dem Treppchen sollten wir schon stehen.

Doch dafür mussten wir die Füchse morgen schlagen. Das Problem daran war, dass die Füchse Berlin uns in der Bundesliga überhaupt keine Chance gelassen hatten, auch nur einen Punkt zu holen. Sie waren gerade wirklich gut aufgestellt und würden definitiv kein einfacher erster Gegner sein.

Darauf fokussierten wir uns gerade in der Besprechung auch. Wir hatten die ganze Woche über immer wieder die Verteidigung der Füchse angesprochen und auch jetzt war sie wieder Thema des Tages. Aber wir konnten das schaffen, ich glaubte fest an uns. Physisch waren wir mehr als nur fähig, gegen die Füchse zu gewinnen. Nur mental mussten wir auch bereit dafür sein.

So war diese Besprechung auch nur begrenzt hilfreich für die Moral der Gruppe. Wir waren alle nervös, das spürte ich. Wir alle wollten uns die Blöße nicht geben und Letzte werden. Nur David fiel aus der Reihe. Der Torwart neben mir grinste unaufhörlich in sich hinein.

Vorsichtig, um Sebastian nicht in seinem Monolog zu stören, lehnte ich mich zu meinem besten Freund hinüber und fragte flüsternd: „Warum so happy heute?" Er zuckte als Antwort nur mit den Schultern und folgte weiter lächelnd den Erklärungen unseres Trainers. Verwirrt schüttelte ich den Kopf und wandte mich ebenfalls wieder nach vorne.

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„So, Jungs. Ich glaube, ihr seid bereit für dieses Wochenende. Habt ihr noch irgendwo Fragen?" Für einen kurzen Moment war es still im Raum und der Großteil von uns schüttelte den Kopf. „Gut, dann könnt ihr euch ein bisschen entspannen. Falls ihr noch Fragen habt, ich bin hier", seufzte er und lächelte und schief an. Ich lächelte dankbar zurück und wollte mich gerade aus meinem Stuhl erheben, als er noch einen letzten Satz losließ und mich in meinem Tun bremste: „Aber wartet noch kurz, bitte. Da ist nämlich noch was für uns vorbereitet worden."

Neugierig blickte ich nach vorne, doch es regte sich nichts. Stattdessen bemerkte ich, wie sich Liv zusammen mit Cheffe links von uns gegen die Wand lehnte. Sebastian grinste und fuhr fort: „Ihr habt ja sicher mitbekommen, dass wir seit einem Monat einen weiteren Media-Mitarbeiter haben. Und die liebe Liv muss für ihre Uni eine Art Abschlussarbeit einreichen, wenn ich das richtig verstanden hab. Liv, willst du kurz nach vorne kommen?"

Die Fotografin nickte und löste sich von der Wand. Lächelnd trat sie neben Sebastian und bedankte sich leise bei ihm. Ich grinste in mich hinein. Sie war heute ein wenig legerer gekleidet als sonst und trug neben einer blauen Jeans einen dunkelblauen Hoodie mit dem Eilbeck-Logo ihrer alten Heimmannschaft darauf. Sie sah trotzdem verboten hübsch aus, fiel mir auf. Direkt verdrehte ich innerlich die Augen über meine dämlichen Gedanken und rutschte auf meinem Stuhl hin und her.

Liv erhob das Wort: „Also, ihr wisst ja, wer ich bin. Und der Großteil von euch hat tatsächlich beim Projekt mitgearbeitet und geholfen. Vielen Dank nochmal dafür, ich weiß das wirklich wertzuschätzen." Verwirrt ließ ich meinen Blick schweifen und erkannte einige grinsende Gesichter. Mehr, als ich es erwartet hatte. Es wirkte schon fast so, als ob alle Spieler irgendwie Teil dieses Projekts waren.

Alle, außer ich, fiel mir auf. Ein leichter Stich zog durch meinen Bauch. Warum hatte sie mich nicht gefragt? Waren wir nicht befreundet? Ich schluckte einmal schwer und sah Liv fragend an. Ihr Blick kreuzte meinen und entschuldigend lächelte sie mich an. Doch das reichte mir nicht. Warum hatte sie verdammt nochmal jeden gefragt außer mir? Meine Augenbraue zuckte und ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange, um nicht allzu gestört von der Tatsache auszusehen. Aber verletzt hatte es mich schon.

Doch Liv fuhr fort: „Ich weiß, es ist nicht selbstverständlich, dass ich euren Tagesverlauf so störe. Wenn ihr besseres in der nächsten halben Stunde zu tun habt, dürft ihr natürlich gern gehen, ich nehm' euch das nicht übel." Sie lächelte in die Runde und von ihren Augen konnte ich ablesen, dass sie das ernst meinte. Ich spielte mit meinen Fingern herum und versuchte, mich zu sammeln. Es gab sicher einen Grund, warum sie mich nicht gefragt hatte. Auch wenn er mir in diesem Moment nicht ersichtlich war.

Sie brachte ihren Satz zu Ende und bedeutete Sebastian, sich ebenfalls auf einen Stuhl in der ersten Reihe zu setzen: „Gut, dann will ich auch gar nicht zu viel vorweg nehmen. Ich hoffe, es gefällt euch!" Mit diesen Worten trat sie zur Seite und auf den Laptop zu, der an das große Whiteboard angeschlossen war und auf welchem Sebastian vor fünf Minuten noch Spielzüge mit uns besprochen hatte.

Sie hantierte kurz darauf herum und öffnete schließlich eine Datei, die als projektarbeit.mp4 in einem Ordner lag. Dann stellte sie sich neben Cheffe zurück gegen die Seitenwand des Besprechungsraums und das Video startete. Ich wusste überhaupt nicht, was mich jetzt erwarten würde. Immerhin war sie auch echt geheimniskrämerisch gewesen und hat wirklich gar nichts davon erzählt.

Die erste Szene erschien auf dem großen Bildschirm. Es war ein kurzes Video von uns im Training. Die Kamera schwenkte durch die Trainingshalle in Kronau, dann einige Shots von uns Spielern. Ein kurzer Clip von Joel und David, wie sie sich gegenseitig auf den Arm nahmen und dann darüber lachten. Darüber lag eine Tonspur und ich erkannte Flipses Stimme, wie er sagte: „Handball ist alles. Alles für mich und alles für ihn." Meine Augenbraue zuckte und überrascht sah ich hinüber zu Philipp, der breit in sich hineingrinste und ebenfalls auf den Bildschirm fokussiert war.

Als ich zurück zum Whiteboard sah, sah ich eine Großaufnahme von mir. Ich lachte tonlos über irgendeinen dummen Witz von David und schüttelte den Kopf. Dann folgte mir die Kamera, wie ich einen Ball vom Boden aufhob und weiterpasste. Flipse sprach weiterhin auf der Tonspur: „Juri ist einer meiner engsten Freunde hier. Er ist einer der wichtigsten Leute in meinem Leben. Ich kann mir meine Löwenzeit gar nicht mehr ohne ihn vorstellen." Das Video-Ich lächelte zu ihm hinüber, während er den Blickkontakt zu mir erwiderte und mich sanft anlächelte. Er hatte noch nie so etwas liebes zu mir gesagt, zumindest in meiner Gegenwart. So sah ich auch im echten Leben überrascht, aber dankbar zu ihm hinüber. Er grinste mich breit an und deutete dann mit seinem Kinn auf das Video. Ich verstand - ich sollte mich konzentrieren.

Ich sah zurück zum Bildschirm. Die Szene wechselte und ein Foto von mir mit Lion war breit auf dem Whiteboard zu sehen. Darüber die Stimme von Lion: „Juri? Er ist lieb. Er wirkt immer so unnahbar von außen, das hast du ja sicher mitbekommen." Danach ein leises Lachen, das ich sofort Liv zuordnete. „Ja, das stimmt", tönte ihre Stimme aus einer kleinen Bluetooth-Box, die ebenfalls für eine bessere Sound-Qualität an das Whiteboard angeschlossen war. Währenddessen spielte ein kurzer Clip aus einem Spiel, in dem ich Lion einlaufen ließ und dann anspielte. Ich grinste in mich hinein und suchte Livs Blick. Meine Augenbraue zuckte nach oben und sie grinste mich breit an.

Erst dann setzte die Realisation ein. Dieses Video ging über mich. Mein provokatives Grinsen erstarb und machte einem verwirrten Lächeln Platz. Sie hatte ein Video gemacht. Nur für mich? Was? Und vor allem: warum? Fasziniert folgte ich den Szenen, die folgten.

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Ach Juri. Mein Herz, ich kann nicht mehr. Das ist einfach zu süß. Ich glaub, ich bekomm noch Diabetes hier... xD Wie wird Juri wohl auf das Video reagieren? Mit diesem Mini-Cliffhanger lass ich euch noch bis morgen warten. Da kommt meine sadistische Autoren-Ader wohl wieder zum Vorschein hehe ^^

Alles Liebe und bis morgen, eure Ella <3

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt