121 km/h /// Juri Knorr ff

63 - schön und nostalgisch - Juri

- Sonntag, 02.06.2024 - Schönste Zeit/Bosse -

Das Spiel war beschreibend für die gesamte vergangene Saison - nicht unsere Bestleistung, immerhin hatte es nicht für den Sieg gereicht, aber trotzdem haben wir alles reingelegt. Widersprüchlich, klar, aber zumindest reichte das für mich für heute aus. Heute war unser Endergebnis zweitrangig und ich war mit meiner Leistung zufrieden, die neun Tore sprachen auch für sich.

Doch trotzdem stach etwas wieder in meinem Herz. Ich ließ meinen Blick über das Spielfeld schweifen und verfolgte mit meinem Blick, wie sich Lion und Möhre in den Armen lagen. Verständlich, die zwei waren wie an der Hüfte zusammengewachsen, seit ich sie kannte. Für beide musste der Abschied extrem schwer sein. Instinktiv huschte mein Blick weiter und stockte erneut, dieses Mal bei Flipse. Gott, würde ich den Idioten vermissen. Doch heute würde ich mich nicht von ihm verabschieden. Zum einen würde ich das emotional-metaphysisch noch gar nicht schaffen, zum anderen hatte das ja auch noch Zeit. Ich hatte mir heute vorgenommen, ihm den Freiraum zu lassen, sich von den anderen zu verabschieden. David und ich hatten bei seinem Umzug noch genügend Zeit dafür.

So zwang ich mich, nicht mehr zu Philipp hinüberzusehen und bekam stattdessen im Augenwinkel mit, wie Jari seinen Arm um Liv legte, während sie auf etwas auf dem Handy in ihrer Hand deutete. Unterbewusst zog ich meine Augenbraue hoch und biss mir auf die Unterlippe, um den Anflug an Eifersucht zu vertreiben. Ich wollte da stehen. Ich wollte derjenige sein, der Liv zum Lachen brachte. Doch das wäre, in meiner momentanen Situation, wahrscheinlich nicht so angebracht.

So rief ich mich zur Vernunft und atmete einmal durch, bevor ich auf die zwei zulief. Immerhin hatte ich ja vorhin schon angekündigt, dass ich nach dem Spiel den Weg zurück zu den zwei Arbeitstieren finden würde. Ich musste sie schließlich noch gebührend von uns Löwen verabschieden. Sie würde hier so fehlen.

Mir fiel auf, dass ich mich nicht einmal so richtig daran erinnern konnte, wie es war, ins Training zu kommen und mich nicht darauf zu freuen, sie zu sehen. Irgendwie hatte die junge Fotografin es geschafft, uns alle innerhalb von wenigen Wochen in ihren Bann zu ziehen und sie unersetzlich für uns zu machen. Das ging nicht nur mir so, das wusste ich - auch die anderen Jungs würden sie vermissen, so weit ich das mitbekommen hatte. Warum auch immer sie bei uns keine Festanstellung bekam...

Als ich in Hörreichweite kam, lachte Liv einmal laut und zog ihr klingelndes Handy aus der Hosentasche. "Sie kann es echt nicht lassen", meinte sie noch zu Jari, ehe ich beobachtete, wie sie den Facetime-Call annahm und das Handy auf Kopfhöhe hob. "Hey, du!", meinte daraufhin Jari. Mit wem redeten die zwei denn? Meine Neugierde war nun doch stärker als meine Hemmung vor den öffentlichen Medien und so beeilte ich mich, in Livs Augenreichweite zu treten.

Liv erkannte mich und lächelte mir sanft zu, ehe sie erklärte: "Mia, Jari übernimmt mal kurz mein Handy. Zwei Sekunden, okay?" Also redete sie mit Mia. Ich wollte immer noch Julis Freundin persönlich kennenlernen, bislang hatte ich sie nur beim Gummersbach-Spiel beobachten können.

Derweil reichte Liv ihr Handy an Jari weiter und trat aus dem Bild auf mich zu. "Na, Juri? Alles gut?" Ihr Lächeln strahlte bis in ihre Augen und ich konnte auch nicht anders, als das Lächeln zu erwidern. So antwortete ich entspannt: "Joa, alles gut. Ist das Mia?" Ich deutete mit einem Kopfnicken auf das Handy, mit dem Jari in diesem Moment sprach. Liv nickte. "Ja, genau. Eigentlich haben wir erst vorher telefoniert, aber jetzt haben wir ein bisschen mehr Zeit zu quatschen."

Ein unsicheres Nagen in meinem Gewissen ließ mich fragen: "Darf ich sie vielleicht auch kennenlernen?" Auf Livs fragendenden Blick führte ich aus: "Bislang hab' ich nur von ihr gehört, wir haben noch nie miteinander gesprochen." Die junge Frau in Gelb vor mir nickte bedächtig und grinste mich dann an. "Klar doch!"