60 - Freunde sind fürs Freuen da - David

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- Mittwoch, 29.05.2024 - bitterness/Mael & Jonas -

"Wie bist du überhaupt hier hergekommen? Hat Uwe dich mitgenommen?", fragte ich neugierig nach, während ich auf die A656 auffuhr. Liv grinste breit. "Nee. Ich bin selbst gefahren." Überrascht zuckte meine Augenbraue hoch. Ich hatte zwar im Hinterkopf, dass Liv fahren konnte, aber dachte auch, dass sie kein Auto hatte. "Und mit welchem Auto?" Sie lachte. "Bevor du jetzt denkst, dass ich mir magisch irgendwie ein Auto hab leisten können. Ich hab' mir das von Meyra genommen." Ich nickte. "Achso. Ich dachte schon..."

Die Fotografin rechts von mir lachte leise. "Für ein Auto hätte ich schon was bei euch verdienen müssen." Ich legte den Kopf schief. "Stimmt, das hier ist auf Volunteer-Basis, richtig?" Sie erklärte: "So halb. Also manche von meinen Kommilitonen verdienen sogar was bei ihren Praktika. Aber mir war es wichtiger, dass es ein geiles Praktikum wird, als dass ich was dabei verdiene. Deshalb bin ich hier ohne Finanzierung angestellt." Ich nickte. "Das find ich gut. Und es hat sich ja schließlich ausgezahlt, dass du bei uns bist, oder nicht?"

Ich hielt mich rechts, da wir so oder so gleich wieder von der Autobahn runter müssten, und tingelte so den ganzen Lastwagen hinterher. Also hatte ich die Zeit, kurz einen Blick zu ihr herüber zu werfen. Liv grinste wieder und sah mich neugierig an. "Definitiv. Aber was ist eigentlich los mit dir heute? Du suchst doch sonst nicht so nach Bestätigung..."

Ihre Rückfrage ließ mich nachdenklich werden. Stimmt, normalerweise war ich eher zu neugierig, nicht zu unsicher. Aber seit Samstag hatte ich irgendwie das Gefühl, dass ich sie jedes Mal aufs Neue einschätzen musste und das ließ mein Vertrauen zu ihr ein wenig wanken. So wich ich vorsichtig aus: "Eigentlich nicht, nein. Irgendwie ist heute bei mir einfach der Wurm drin. Es ist nur... ich will auch noch nicht so ganz loslassen. Von dir, von Philipp, von Joel, von den anderen." Und das entsprach auch komplett der Wahrheit.

Liv nickte nachdenklich. "Genau darüber hab' ich heute auch schon nachgedacht. Ihr werdet mir fehlen. Und alle, die gehen, werden dem Verein fehlen. Du hast ja gar keine Ahnung, wie sentimental ich heute beim Dreh war. Und da ging es nur um Uwe." Um das 'nur' zeichnete sie Anführungszeichen in die Luft. Dann brachte sie ihren Gedankengang zu Ende: "Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das morgen wird, wenn ich mich von Philipp verabschieden muss. Und von Joel. Und von Lion. Ach man..."

Ich nickte. Sie hatte so recht. Doch dann kam mir eine Idee. "Also, nur wenn du willst." Gerade wollte ich fortfahren, als Liv leise kicherte. Ich verstummte und warf ihr einen fragenden Seitenblick zu. "Sorry, es ist nur - so fangen immer deine besten Ideen an. Tut mir leid, ich wollte dich nicht unterbrechen." Ich grinste wieder. "Was ich eigentlich sagen wollte: Juri und ich helfen Philipp bei seinem Umzug. Der wäre am 12. Juni. Wenn du Bock hast, kannst du uns da gerne helfen."

Im Augenwinkel sah ich, wie ihre Augen aufleuchteten. "Boah, aber sowas von! Also ich müsste das auf jeden Fall abklären, weil das technisch gesehen noch in meiner Arbeitszeit liegt. Aber meine letzten zwei Wochen werden eh entspannt. Dann hab' ich noch ein bisschen Zeit mit euch Garnelen." Ich nickte und freute mich wirklich. So, wie ich Philipp kannte, würde das nämlich der chaotischste Umzüge aller werden. Ein weiteres helfendes Paar Hände und ein weiterer logisch denkender Kopf konnte da wirklich nicht schaden.

So bestätigte ich, weiterhin breit grinsend: "Okay, dann klär das und sag dann Flipse am besten direkt Bescheid." Sie nickte und war schon in ihrem Handy vertieft. Dann fragte sie, wie aus dem Nichts: "Darf ich Musik anmachen?" Ich warf ihr einen fragenden Seitenblick zu, nickte dann aber und reichte ihr mein Handy, dass ich ohne Hinschauen mit meinem Fingerabdruck entsperrte. Sie scrollte kurz und meinte dann: "Ich hab schon den ganzen Tag einen fetten Ohrwurm."

Die Töne, die dann aus dem Autoradio schallten, kannte ich sofort. Jetzt bekam Liv wirklich einen überraschten Blick von mir ab. "Dir ist bewusst, dass die EM aber noch nicht angefangen hat, oder?" Sie lachte leise und wippte dann mit dem Kopf zu "Zeit, dass sich was dreht" in der neuen Version mit. "Ja, klar. Aber irgendwie ist das so ein geiler Song, dass ich gerade wirklich Bock drauf hatte." Überrascht, aber nicht abgeneigt zuckte ich mit den Schultern und tippte mit den Fingern den Rhythmus des Songs auf dem Lenkrad mit. Die restliche Autofahrt verlief still, aber durch Livs Musikwahl fühlte es sich trotzdem schön an.

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt