14 - Spannung - David

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- Donnerstag, 18.04.2024 - Something Big/Shawn Mendes -

Hatte ich nicht gestern noch vom Wildtier-Reich geredet? Das war heute auf jeden Fall wieder so. Aber holla die Waldfee. Was ging denn hier ab? Ich konnte fast nicht glauben, wie anders Juri doch war. Ich hatte ihn ungelogen noch nie so erlebt. Diese freche, fast schon flirtende Seite kannte ich von ihm noch gar nicht. Eigentlich war er etwas zurückhaltender in Interviews, vor allem, wenn wir das Spiel wie heute verloren hatten.

Lag es an Liv? Oder einfach an der ungewohnten Situation? Vielleicht war er auch so, seitdem es Friederike nicht mehr gab? Ich wusste es einfach nicht. Aber damit aufziehen würde ich ihn auf jeden Fall, das war klar. Kopfschüttelnd stand ich neben dem 'Kleinen', wie ich ihn immer nannte, wenn ich ihn auf die Palme bringen wollte, und beobachtete, wie er Liv ohne Scheu auscheckte. Junge, Junge.

Liv schien von all dem nichts mitzubekommen. Sie war gerade damit beschäftigt, Cheffe zuzuhören, der erklärte, was nun mit dem Video passieren würde. Liv bekam gerade die Aufgabe, das Interview zu schneiden und es bis übermorgen bei der Media-Abteilung einzureichen. Die Arme. Das wirkte wie viel Arbeit. Doch erneut wirkte Liv alles andere als demotiviert - ihre Augen strahlten förmlich, als sie die Aufgabe aufgetragen bekam. Ganz ehrlich, jeder von uns Spielern konnte sich eine Scheibe von Livs Arbeitsmoral abschneiden.

Die Fotografin, die locker einen Kopf kleiner war als ich, wirkte plötzlich gar nicht mehr so selbstbewusst, seit die Kamera nicht mehr auf sie gerichtet war. Sie spielte mit den Ringen an ihren Fingern und auch ihre Körperhaltung wirkte ganz anders. Doch trotzdem konnte ich dieses kleine Feuer in ihren Augen sehen. Die Frau war so unfassbar stark. Ich lächelte sanft und stellte mich neben sie.

Dann stieß ich sie sanft mit dem Ellenbogen an. "Alles okay?", fragte ich vorsichtig. Sie schaute schon beinahe schüchtern zu mir auf und ihre großen Augen zeigten Verwirrung und Unsicherheit, was gerade eben noch in keiner Silbe bei ihr zu erkennen war. Sie seufzte. "Ich bin mir noch nicht so sicher, ob das gerade eben das war, was von mir erwartet wurde." Ich warf einen herausfordernden Blick zu Cheffe, der diesen natürlich auffing und die Stimme erhob: "Also, wirklich, Liv. Auch nur du kannst so ein extrem gutes Interview anzweifeln! Ich hätte dir nicht die Aufgabe übertragen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass du das gut machen wirst. Und das hast du, vertrau mir. Oder?"

Er schaute mich und Juri, der gerade zu uns in den kleinen Kreis getreten war, abwartend an und wir nickten simultan. "Deine Fragen waren echt gut, man. Du hättest auch richtig asozial sein können. Aber ich hab mich richtig wohlgefühlt", gestand nun auch Juri und ich dachte mir breit grinsend meinen Teil dazu. Erleichtert atmete Liv auf. "Okay, danke." Täuschte ich mich, oder nahm ihr Gesicht eine nicht mehr ganz so blasse Farbe an? Aha?

Die Spannung in der Luft war beinahe unaushaltbar, weshalb ich mich dazwischen schaltete: "Und, was habt ihr Hübschen jetzt noch vor?" Liv schaute Cheffe an, der nur mit den Schultern zuckte. "Heimfahren und essen, wahrscheinlich. Meine Frau auch endlich mal wieder sehen." Wir lachten, doch Liv wirkte überrascht. "Frau? Du bist verheiratet?" Ihr Ton ließ keine Ungläubigkeit, sondern nur pure Neugierde durchklingen.

Überrascht sah Cheffe sie an. "Das hab ich dir nie erzählt? Ja, seit ein paar Jahren. Dann musst du aber auch unbedingt mal Freya kennenlernen! Ich bin mir sicher, ihr würdet euch gut verstehen." Ehrlich erfreut grinste Liv und nickte begeistert. "Gerne! Wenn es sich mal anbietet." Cheffe grinste ebenfalls. "It's a date", meinte er und zwinkerte der Fotografin zu. Die zwei hatten schon eine seltsame Dynamik.

Dann fiel Liv auf, dass sie noch nicht auf meine Frage geantwortet hatte und zuckte planlos mit den Schultern. "Keine Ahnung, um ehrlich zu sein. Pizza bestellen und das Interview schneiden wahrscheinlich. Ach, und Sonntag planen." Ich legte neugierig den Kopf schief. "Sonntag?" Liv grinste. "Ich geh nach ewigen Zeiten endlich wieder eine alte Schulfreundin in Darmstadt besuchen. Also noch mehr Handball, ob ihr es mir glaubt oder nicht."

Ich lachte und schüttelte gespielt verzweifelt den Kopf. "Auch nur du kannst nach einer Woche Handball noch mehr Handball schauen." Doch sie ließ sich nicht auf die Stichelei ein und setzte eine selbstbewusste Miene auf. "Tja, kann halt nicht jeder so cool sein wie ich." Das war genau die Einstellung, die ich eher von ihr erwartet hatte und das hatte ich mit meiner blöden Frage erreicht. Zufrieden schaute ich Juri an und deutete mit meinem Kopf in Richtung der Umkleidekabine am Ende der inzwischen leeren Mixed Zone. "Duschen?" Mein bester Freund nickte und wir verabschiedeten uns vom Fotografen-Duo, um uns endlich zu entspannen.

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"Was war das denn gerade?", platzte es aus mir heraus. Mit Augen wie ein Unschuldslamm schaute mich mein bester Freund vom Beifahrersitz aus an. "Was meinst du?" Ich lachte sanft, seufzte aber innerlich. "Tu nicht so. Das gerade mit Liv?" Juri zuckte nur planlos mit den Schultern. "Ich bin mir wirklich nicht so sicher, was du meinst..." Jetzt verdrehte ich wirklich die Augen.

"Ich hab' dich noch nie so offensichtlich flirten gesehen." Er schnaubte ungläubig auf. "Ich hab doch nicht mit Liv geflirtet!", beschwerte er sich. Unbeeindruckt zog ich meine Augenbraue hoch und konzentrierte mich weiterhin auf die Straße vor mir. Für einen kurzen Moment herrschte Stille im Auto. "Ja, vielleicht hast du ja Recht", gab er schließlich zu. Ein wissendes Lächeln huschte über meine Lippen. Wusste ich es doch.

"Und wie kommt es dazu?" Ehrlich neugierig sah ich meinen Freund mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Er seufzte hörbar. "Ich... ach, keine Ahnung man. Es tat einfach mal gut, glaub ich. Zurück zur Normalsituation zu kommen, meine ich." Vorsichtig sah ich ihn an und hakte nach: "Das ist also deine Normalsituation. Also vor Friederike." Er zuckte nur planlos mit den Schultern. "Ich glaube, ich weiß einfach nicht mehr, wie es vor ihr war. Und ich will es herausfinden. Ich will wieder wissen, wer ich ohne sie bin."

Das konnte ich tatsächlich sehr gut verstehen. Trotzdem konnte ich die Sorgen nicht komplett aus meinem Kopf verdrängen: "Aber bitte sei vorsichtig mit ihr. Liv kann nichts für deine Situation gerade. Es wäre scheiße, wenn sie zwischen irgendwelche Fronten gerät. Das hat sie nicht verdient. Dafür ist sie zu gut." Er nickte. "Alles gut. Keine Ahnung, sie war einfach die erste weibliche Person, der ich so richtig über den Weg gelaufen bin. Das war jetzt nicht spezifisch an sie gerichtet."

Ich nickte bedächtig und entspannte mich ein wenig. Dann fuhren wir sanft blödelnd und witzelnd in Richtung Heidelberg, wo er noch mit zu mir und Katja kommen würde und gemeinsam mit uns essen würde. Alles in allem würde der Abend noch ein sehr schöner werden, unter anderem deshalb, weil Juri den gesamten restlichen Tag strahlte wie ein Honigkuchenpferd.


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So, und jetzt auch das nicht-außerordentlich hochgeladene Kapitel! Ich hoffe, ich habe ein bisschen Klarheit in die JurixLiv-Situation gebracht :)

Alles Liebe und bis bald,

eure Ella <3

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt