11 - unbeliebt - Juri

250 10 2
                                    

- Donnerstag, 18.04.2024 - Let You Down/NF -

David brauchte gar nicht erst auf dem Spielerparkplatz parken. Schon von weitem konnte ich sehen, wie sich eine kleine Menschentraube um den Hintereingang der SAP-Arena gebildet hatte. Fans und Reporter warteten wie die Geier darauf, dass wir Spieler oder andere wichtige Personen ankommen würden. Mein Puls beschleunigte sich wieder einmal.

Mein bester Freund schnappte sich mit seinem großen Auto einen Parkplatz, von welchem aus es nur noch wenige Meter bis zum Eingang waren. Dann stellte er den Motor ab und warf mir ein unsicheres Lächeln zu. Ich seufzte nur einmal laut und bedankte mich wortlos, ebenfalls mit einem Lächeln, bei ihm für die Fahrt. Dann schnappte ich meine Sporttasche aus dem Fußraum und öffnete die Autotür.

Innerlich war ich entzwei gerissen. Zum einen war es mir eigentlich immer eine Freude, mit den Fans zu sprechen. Sie waren einfach unglaublich inspirierend und erinnerten mich daran, warum ich unter anderem den Handball liebte. Zum anderen waren es leider immer so, dass es unglaublich viele waren. Ich wollte mir eigentlich immer Zeit für jeden einzelnen nehmen, was momentan einfach nicht möglich war, weil direkt 20 weitere Menschen darauf warteten, meine Aufmerksamkeit zu erhalten. Das hasste ich mit am meisten an meinem Job. Ich konnte es nie allen recht machen und musste jedes Mal, einfach nur durch meine Anwesenheit, jemanden enttäuschen. Aber das gehörte leider einfach mit dazu.

Immerhin waren wir nicht die ersten Spieler, die sich zu dem Pulk gesellten. Aus ein wenig Distanz konnte ich bereits Jannik und Flipse erkennen, wie sie Autogramme verteilten oder Selfies mit Fans machen. So lag wenigstens nicht die ganze Aufmerksamkeit auf uns zwei und verteilte sich stattdessen ein bisschen. Entsprechend fiel es auch nicht direkt auf, dass wir zwei ebenfalls angekommen waren.

Erst, als Flipse kurz aufschaute und uns winkte, folgten die Köpfe einiger Fans seiner Gestik und erkannten uns. Seit diesem Punkt waren David und ich umringt und Flipse schaute uns nur noch entschuldigend an, bevor er in den Spielereingang flüchtete und so außer Reichweite der Fans rückte. Er hatte es sich mit der Geste gerade schön einfach gemacht, erkannte ich und verdrehte innerlich die Augen.

So setzte ich mein antrainiertes Lächeln auf und beugte mich ein wenig herunter, um auf dem ersten Handball zu unterschreiben. Der kleine Junge grinste mich überglücklich an und zeigte den Ball dann direkt seiner Mutter, die hinter ihm stand und ihm sanft zulächelte. Sie warf mir einen dankbaren Blick zu und ich lächelte ihr zurück. Dieses Mal war das Lächeln ein wenig echter. Dann wandte ich mich dem nächsten Fan zu, einem Mädchen von vielleicht 14 Jahren, und machte ein Selfie mit ihr.

Aber irgendetwas dieses Mal anders als die letzten paar Heimspiele. Ich konnte es einfach spüren. Kurz warf ich einen verwirrten hinüber zu David, der sich ebenfalls gerade mit einem Fan beschäftigte. Ich zog meine Augenbrauen zusammen. Irgendwie... es klang schon fast kindisch. Aber irgendwie waren um ihn mehr Leute versammelt als um mich. Klar, ich gönnte ihm alles, was er gerade als positives Feedback erhielt. Er hatte so hart gearbeitet und lieferte die letzten Spiele eine unglaubliche Leistung ab. Entsprechend ergab es zu 100% Sinn, dass gerade alle Fans etwas von ihm wollten.

Was mich an der Situation eigentlich störte, war der mangelnde Andrang, der mir zuteil wurde. Eigentlich war es etwas Gutes - so konnte ich mich wirklich individuell mit jedem Fan beschäftigen und ein paar Worte wechseln. Und ich würde vielleicht einmal pünktlich zum Aufwärmen sein. Aber irgendwie stach es doch. So war es doch das letzte Heimspiel noch nicht gewesen. Lag das wirklich gerade einfach nur am Wechsel? An den Medien? An der schlechten Presse? Oder steckte da doch etwas anderes dahinter?

Ai ai ai, Juri. Normalerweise bist du doch auch nicht so selbstkritisch und machst dir über solche Kleinigkeiten keinen Kopf. Ich schüttelte die lästigen Gedanken und Sorgen aus dem Kopf und fokussierte mich darauf, meine Zeit dem letzten Fan zu widmen. Es war ein kleines Mädchen, das nicht älter als sechs Jahre alt sein konnte. Da ich es nicht besser wusste, ging ich vor ihr in die Hocke und lächelte sie an. Sie hielt etwas überfordert ein Foto von mir und einen Edding in der Hand, den ihr ihre Mutter gerade eben in die Hand gedrückt hatte.

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt