12 - k.o. - Liv

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- Donnerstag, 18.04.2024 - Tripping Over Air/Aidan Bissett -

Es kursierte gerade so viel Adrenalin in meinen Adern, dass meine Hände zitterten. Ich war unglaublich nervös. Meine Straßenbahnen waren dieses Mal beide pünktlich gekommen, sodass ich ganze zweieinhalb Stunden vor Spielbeginn vor der SAP-Arena stand. Eigentlich hätte ich erst in einer Stunde da sein sollen. Etwas verloren hielt ich Ausschau nach Cheffe, aber dieser war entweder schon in der Arena oder noch gar nicht da. So fasste ich mir ein Herz und ging auf den Eingang zu, der speziell für Medienleute gedacht war. Immerhin bis hier her hatte ich es schon einmal geschafft.

Vor dem Eingang wartete ein schwarz gekleideter Typ, der auf einem kleinen Standpult einen Laptop aufgeklappt hatte und mich abwartend ansah. Da ich nicht genau wusste, was er von mir wollte, positionierte ich mich nur lächelnd vor ihm. Er merkte, dass ich überhaupt keinen Plan von nichts hatte, und fragte nach: "Wie ist denn Ihr Name? Und wo gehören Sie dazu?" Ich räusperte mich. "Mein Name ist Olivia López-Wagner. Und ich gehöre zur Medien-Abteilung der Rhein-Neckar-Löwen." Der großgewachsene Mann nickte und scrollte ein bisschen auf seinem Laptop.

"Sorry, aber ich finde dich nicht im System. Was machst du denn in der Media-Abteilung?" Er schaute mich etwas skeptisch an. Das verstand ich sehr gut. Immerhin könnte auch einfach jeder ankommen und so tun, als ob er oder sie Media-Arbeiter war. Ich korrigierte den Sitz meiner Kamera auf meiner Schulter, da sie etwas nach unten gerutscht war, und antwortete: "Ich mach' seit Montag ein Praktikum bei Manuel Speyer. Ich werde jetzt die nächsten zwei Monate hier 'rum rennen." Jetzt schaute mich der Typ vom Einlass noch viel fragender an. "Manuel?"

Ich legte meinen Kopf schief und überlegte. Kannte er Cheffe auch tatsächlich unter seinem Spitznamen? "Cheffe?", fügte ich also noch hinzu. Seine Augen zeigten, dass bei ihm im Hirn eine Glühbirne anging. "Achsooo, Cheffe! Sag das doch gleich!" Wir beide lachten leise und ich nickte. "Sorry..." Er winkte ab. "Dann bist du auch Liv! Er hat gesagt, dass ich seinem neuen 'Untertanen' einen Ausweis machen soll, Zitat er." Ich schüttelte grinsend den Kopf. Das war mal wieder typisch Cheffe.

Dann winkte mich der Typ um sein Stehpult herum und meinte simpel: "Ich bin übrigens Nick. Dann nochmal langsam. Olivia Lopez-... was?" Ich lachte und gemeinsam füllten wir alle Daten für meinen Eintrittsausweis aus. Nick war ein weiterer Rhein-Neckar-Löwen-Mitarbeiter, mit dem ich mich auf Anhieb gut verstand. Irgendwie waren eigentlich alle bisher super nett zu mir gewesen. Automatisch hatte ich meine ganze Nervosität vor meinem ersten richtigen Spiel als Mitarbeiterin fast vergessen und freute mich stattdessen eher auf nachher.

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Der Kamera-Auslöser ertönte. Die Bilder, die ich gerade von den Spielern beim Aufwärmen machte, wirkten eigentlich gar nicht mal so schlecht. Auch Cheffe schien der Ansicht zu sein, denn zuerst hatte er noch beinahe jedes Foto von mir sehen wollen und hatte Anmerkungen gegeben, aber inzwischen ließ er mich nur noch fotografieren und hatte auf der Spielerbank Platz genommen. Ich konnte mir schon vorstellen, dass es ihm das Leben erleichtern musste, dass ich jetzt da war.

Doch auch mir wurden langsam die Arme schwer. Ich hatte von allen Spielern, Trainern und sogar vom Stadionsprecher, Kevin Gerwin, mindestens fünf Fotos jeweils gemacht. Langsam fragte ich mich, ob ich eventuell noch ein bisschen Zeit von Cheffe bekommen würde, um mein Interview nachher vorzubereiten. Ich wandte mich zu meinem Vorgesetzten um, der aber nicht mehr an dem Ort war, an dem ich ihn vermutet hatte.

Leise seufzend schaute ich mich um, konnte aber Cheffe nirgends entdecken. Zum ersten Mal seit über einer halben Stunde ließ ich also meine Kamera sinken und setzte mich auf die Bank, die eigentlich für Spieler gedacht war. Ich wusste, dass die Wasserflasche, die ganz links außen unter der Bank stand, meine war und so trank ich einige Schlucke. Dann nutzte ich den Moment, um einfach alle Eindrücke des heutigen Tages auf mich wirken zu lassen. Ich war bisher so in die Arbeit vertieft gewesen, dass ich dafür keine Zeit hatte.

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt