67 - Tapetenwechsel - Juri

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- Mittwoch, 12.06.2024 - Night Changes/One Direction -

"UNDER MY UMBRELLA, ELLA, ELLA, EH, EH, EH", sangen die zwei Chaoskinder auf den vorderen Plätzen lauthals zum laufenden Radio mit. Ich schmunzelte. Es war eine gute Idee von David gewesen, Liv beim Umzug mitzunehmen. Egal, wie traurig und herzzerreißend die Stimmung nachher sein würde, irgendwie schaffte sie es doch, uns alle zum Lachen zu bringen. Sie brachte die gute Laune einfach mit.

Ich wechselte einen amüsierten Blickkontakt mit Katja, die links von mir auf der Rückbank saß. Diese Sitzsituation hatte sich daraus ergeben, dass David zuerst Liv in Mannheim aufgegabelt hatte, ehe sie zurück nach Heidelberg gefahren waren und Katja und mich eingesammelt hatten. Inzwischen war der Kofferraum von Davids Auto auch bis zum Kofferraumdeckel mit den restlichen Dingen aus Philipps Wohnung gefüllt und zu viert befanden wir uns auf dem Weg nach Wetzlar. Parallel waren Philipp und Maya mit dem eigentlichen Umzugslaster auf der gleichen Route unterwegs.

Katja lehnte sich zu mir rüber und flüsterte mir verschwörerisch zu: "Was ist denn bei den schief gelaufen?" Ich grinste und nickte ihr zur Bestätigung zu, doch schaute immer noch fasziniert nach vorne. Süß, die zwei. Eine echte, herzerwärmende Freundschaft, ohne Wenn und Aber. Innerlich hoffte ich, dass es nie etwas geben würde, was die zwei auseinanderreißen würde.

Mein Handy klingelte leise. Ich zog es aus meiner Hosentasche und konnte kaum fassen, welchen Namen ich auf dem Display las. Einen Namen, mit dem ich nie wieder gerechnet hatte. "Macht mal leiser!", rief ich nach vorne. Ein leises, amüsiertes "Boo!" kam von Liv, aber David warf mir sofort einen skeptischen Blick zu und drehte das Radio leiser. Er wusste, dass es etwas Wichtiges war, wenn ich jegliches 'Bitte' und 'Danke' unterschlug und direkt in den Befehlston überging. Ich hob ab.

"Hey." Neugierig zog ich meine Augenbraue hoch und verschränkte beinahe schon unterbewusst die Arme vor der Brust. Gleichzeitig presste ich das Handy stärker an mein Ohr, um ja keine Silbe zu verpassen. "Hey, Juri", kam es aus dem anderen Ende der Leitung. Ich seufzte. "Was willst du?" Ich weiß, das klang trocken, aber es war genauso fair, wie es musste. "Ich..." Ein Stammeln, na super. Ich seufzte erneut. Dann endlich die Erklärung: "Ich wollte wissen, wie es dir geht."

Ich biss mir auf die Unterlippe. "Mir geht's super." Ein erleichtertes Aufseufzen schallte aus meinem Lautsprecher. Doch ich wollte noch eine Sache klarstellen: "Wenn auch nicht wegen dir." Ein leises Lachen. "Das hab' ich wohl verdient. Juri, warum ich anrufe. Ich wollte mich eigentlich bei dir entschuldigen. Dafür, dass ich mich nicht mehr gemeldet hab. Dafür, dass das alles so schnell ging. Ich konnte nicht anders. Bitte verzeih mir."

Dieses Mal war ich derjenige, der auflachte. Den sarkastischen Unterton ließ ich mir ebenfalls nicht nehmen. "Und das willst du allen Ernstes über's Telefon machen. Ne, sorry. Das ist zu wenig, zu spät."

Ich merkte, wie David das Radio ganz leise drehte und das gesamte Auto meiner Konversation lauschen zu schien. Gleichzeitig drang ihre Stimme wieder zu mir durch: "Aber Juri..." Doch ich ließ sie nicht ausreden. "Weißt du, Friederike, hättest du mich vor zwei Monaten angerufen, wäre ich der glücklichste Mensch auf Erden gewesen. Aber ich hab' damit abgeschlossen. Also sorry, aber nein. Wie gesagt: zu wenig, zu spät. Ich hoffe, du hast noch ein schönes Leben."

Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm ich das Handy vom Ohr und legte auf. War das zu hart? Eventuell. Aber sie hatte mir buchstäblich das Herz gebrochen. Ich hatte noch ganze zwei Mal nach der Trennung von ihr gehört, und beide Male war es gewesen, weil wir etwas Organisatorisches zum Umzug zu besprechen hatten.

Ich atmete einmal tief durch und schaute zum ersten Mal bewusst hoch. Direkt kreuzte mein Blick den von David im Rückspiegel. Auch Liv beobachtete mich vom Beifahrersitz aus über den Außenspiegel. Selbst Katja warf mir einen mitleidigen Blick zu. "Bist du okay?", fragte Liv vorsichtig. Ich räusperte mich, nickte dann aber. "Ich glaub schon. Sorry." Doch David winkte ab, bevor er die Hand wieder ans Steuer legte. "Ach was."

121 km/h /// Juri Knorr ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt