93. Der Kuss

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Ich hielt sofort die Luft an. James sah mich entschuldigend an.
"Kann ich rein kommen?", fragte er vorsichtig.
"Erm...", ich starrte ihn an, dann zwang ich mich zur Vernunft. "Ehrlich gesagt, nein. Ich hab noch zu tun und außerdem muss ich jetzt ins Bett. Es ist schon spät."
"Samantha, es ist halb 8 und wir beide wissen, dass du nie vor 11 Uhr ins Bett gehst", er warf mir einen vielsagenden Blick zu.
"Gar nichts weißt du! Alles ist anders seitdem ich arbeite. So ein Drehtag macht auch mich müde", knurrte ich drohend.
"Na gut. Wie du meinst... Gib mir fünf Minuten. Nur fünf", sein Blick wurde verlegen.
"Nein, und es ist besser du gehst jetzt...!"
Kurz sah er mich noch an. Als er dann endlich zu kapieren schien, dass ich ihn nicht rein ließ, machte er auf dem Absatz kehrt und ging weg. Sofort entspannte ich mich. Geschickt schloss ich die Türe ab, dann warf ich mich auf mein Bett. Ich hasste mich dafür ihn immer wieder so anzusehen. Immer wieder zu zulassen, dass er in meine Nähe kam. Immer wieder diese Gefühle zu haben. Dieses Gribbeln in mir zu spüren.
Wütend schlug ich auf ein Kissen ein und schrie kurz in die Bettdecke. Ich musste mich zusammen reißen. Ich liebte Nathan. Nathan liebte mich. Vor allem aber, James war verlobt und sowasvon über mich hinweg! Das musste mein dummes Gehirn doch endlich kapieren! Aufgebracht sprang ich wieder auf und ging duschen. Das warme Wasser beruhigte mich wenigstens. Nach ungefähr 30 Minuten verließ ich die Dusche, zog mein Schlafanzug an und putzte meine Zähne. In den Spiegel sah ich erst gar nicht, da ich genau wusste, dass ich nur wieder sauer mit mir selber wurde wenn ich das tat. Außnahmsweise konnte ich mich selbst überhaupt gar nicht sehen.
Wieder im Bett kuschelte ich much unter die Decke und schaltete noch Musik ein. Es half mir beim Einschlafen. So auch heute wieder.

***

"Okay, Sam, James, auf eure Positionen und denkt daran, dass diese Stelle sehr romantisch und gleichzeitig dramatisch wird, da keiner von euch weiß, ob ihr hier zusammen lebend heraus kommt", Andrew fuchtelte wild mit seinen Händen hin und her, dann blieb sein Blick an mir hängen. "Sam, entspann dich mal. Du stehst heute da wie ein Brett, was ist los?"
"Nichts, ich sollte nur noch schnell was trinken. Meine Stimme ist so kratzig", krächzte ich.
"Okay, das ist natürlich schlecht. Kayla, hol ihr was zum trinken und am besten einen Tee oder eine Honigmilch. Was gerade besser ist und was hilft", wies Andrew meine Stylistin an. "Die anderen: In Fünf wieder hier!"
Nervös lief ich zu meinem Stuhl. Das fing ja schonmal richtig scheiße an. Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht James küssen. Ich wollte einfach nicht. Durch diese dumme Verzögerung schob ich es allerdings nur auf.
"Was soll das, Samantha?", James trat zu mir.
"Was soll was?", ich hustete leicht.
"Willst du mir gerade damit sagen, dass du kalte Füße hast?", er verschränkte seine Arme. "Wer ist hier nicht professionell?"
"Halt den Mund, Maslow", knurrte ich sauer. "Kalte Füße kann man ja nur bekommen, wenn man heiratet. Das muss ich ja zum Glück nicht. Da hast du dir ja eine andere heraus gesucht." Nochmal ein Husten.
Entgeistert sah James mich an. Das hatte gesessen! Ha!
"Hier bitte, Sam. Aber trink langsam", Kayla drückte mir eine Tasse mit Tee in die Hand.
"Danke", ich nickte ihr zu, dann nahm ich vorsichtig einen Schluck.
Kayla sah James währendessen nur fragend an, der schüttelte aber nur den Kopf und verschwand. Zum Glück.
Als die fünf Minuten vorbei waren fühlte ich mich schon ein bisschen besser. Zurück auf Position konzentrierte ich mich darauf, dass jetzt durchzuziehen. Egal was kam.
"Und, Action!", rief jetzt Jim, dann ging es los.
Erst der Text, dann diese eine Stelle. Ich stand direlt vor James. Mit den Gedanken war ich allerdings nicht ich, sondern mein Charakter Jade. Es lief alles perfekt, doch dann trafen James' Lippen auf meine. Wie im Drehbuch riss ich erstmals die Augen weiter auf, dann schnallte ich, dass ich eigentlich mehr wollte. Auch wenn es genau so geschrieben war, war das auch meine eigene Reaktion. Ich erwiderte den Kuss und schloss meine Augen. Meine Hände legte ich in seinen Nacken und er zog mich enger an sich. Es kam mir eine halbe Ewigkeit so vor, dass wir so dastanden und uns küssten. Irgendwann musste es schließlich enden. Das Gefühl in mir, der tausend Schmetterlinge, des Brennens auf meinen Lippen und des Verlangens nach mehr war allerdings immer noch da.
"Cut! Das war perfekt, gleich nochmal ein Take", rief Andrew laut.
Ich nickte nur langsam. Meine Augen waren aber auf James gerichtet. Auch er sah mich an. Ohne ein Wort drehten wir uns gleichzeitig voneinander weg und gingen erneut auf Position.
Noch ganze fünf Mal wurde diese Szene gedreht und ich war froh und unglücklich zur selben Zeit, als es hieß, dass wir aufhörten für heute. Innerlich war ich zerrissen. Diese Gefühle die James wieder bei mir ausgelöst hatte waren überwältigend. Als gäbe es nichts besseres auf dieser Welt.
"Das war ja wirklich soooo süß", Kayla folgte mir auf Schritt und Tritt.
"Mhm. Wie du meinst...", murmelte ich nur, dann nahm ich meinen Platz am Schminktisch ein, damit sie mich abschminken konnte.
Zur selben Zeit klingelte mein Handy. Ich schluckte. Auf einmal hatte ich zu den Schmetterlingen auch gleich noch 10 Kilo Steine im Magen.
Nathan.
"Hey, Schatz", meldete ich mich.
"Hi, Süße. Ich hab es jetzt schon mehrmals versucht. Du hast gestern angerufen, was ist passiert?", fragte er sofort.
"Nath... Ich... Bei dem Film, ich weiß nicht wie ich das fertig schaffen soll...", brachte ich hervor.
Meine Schuldgefühle in mir waren zu groß. Ich liebte ihn. James musste ich wieder vergessen. Besser gesagt, es ging auch nicht anders, da er sowieso verlobt war. Ich konnte dagegen Nathan nicht verlassen. Es ging einfach nicht.
"Ich hab schon gehört mit wem du zusammen arbeiten musst. Es tut mir leid... Du weißt, dass du das schaffst und ihr müsst ja nicht auskommen. Zieh es durch und ihr müsst euch nicht mehr sehen. Ich kann verstehen wenn du immer noch so verletzt bist. Das kann jeder", beruhigte er mich.
"Nath, ich liebe dich!", brachte ich brüchig hervor, dann sah ich Kayla's Blick aus ddm Augenwinkel. "Ich muss auflegen. Ich ruf nacher nochmal an, wenn ich vom Set weg bin."
"Ich warte. Und ich liebe dich auch, Sam."

1072 Wörter

Hey meine liebsten Kekse ^^
Ich hoffe euch gefällt dieses Kapitel. Vielen Dank für alles. <3
xoxo eure Luna ^^

DirectionerRusher (#Wattys2015)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt