Kapitel 3 - Ich würd's tun

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Nach einer gefühlten Stunde, in der ich nur grübelnd auf der Couch lag, wurde endlich die Tür aufgesperrt. Kurz darauf stand ein blutiger Cole vor mir. Seine Nase blutete und über dem Auge hatte er auch eine kleine Schürfwunde. Dazu kamen aufgeschlagene Fingerknöchel und ein Veilchen unter dem linken Auge. Bei diesem Anblick erschrak ich zusehends, er sah schrecklich aus. Und so sehr er es auch versuchte, er konnte seine Schmerzen nicht vor mir verbergen.

"Gott, was ist passiert?" fragte ich erschrocken, als er hinter mir ins Bad ging, wo ich ihn verarzten wollte. Er setzte sich auf den Rand der Badewanne und beobachtete mich, wie ich Desinfektionsmittel und Tücher holte. „Unwichtig" antwortete er beiläufig. Ich stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn erwartungsvoll an.

„Chris und seine Gang sind... durchgedreht. Lange Geschichte aber... sie sehen nicht besser aus als ich." Fasste er sich kurz. Ich kniete mich vor ihn hin und vernahm bei diesem nahen Körperkontakt seinen angenehmen Geruch. Er roch nach Parfüm, aber nicht aufdringlich. Es roch wundervoll und angenehm. Mich wunderte es, wie er bei seinem Zigarettenkonsum nicht stinken konnte.

Ich sprühte Desinfektionsmittel auf ein Wattepad und tupfte dann vorsichtig die Wunde über seinem Auge trocken. „Was ist das mit dieser Wette?" platzte es dann aus mir heraus. Er zuckte bei meiner Frage zusammen, jedoch war ich nicht sicher, ob es wegen meiner Frage oder dem Hautkontakt zwischen dem Desinfektionsspray und seiner Wunde war, das brannte nämlich sehr, kannte ich nur zu gut.

„Welche Wette?" fragte er unschuldig. Ich drückte das Pad noch fester auf die Wunde, wohlwissend, dass er ihm wehtun würde. Er hätte mich eben nicht anlügen und so tun sollen, wie wenn er nichts darüber wusste. „Autsch!" zischte er auf und sah mich erschrocken an. „Du weißt genau, wovon ich rede." Sagte ich kalt und starrte ihn erwartend an. Er seufzte und gab sich geschlagen.

„Chris und ich haben diese Wette schon seit über einem Jahr... wer die Neue als erster flachlegt, kriegt einen ausgegeben. Und nur zur Info: bis auf zwei Male war es immer ich" er grinste stolz. Ich sah kopfschüttelnd zur Seite, wie konnte man nur so ein Macho sein und ein Mädchen als Eroberung oder als Gewinn einer Wette sehen?

Als er meinen genervten Gesichtsausdruck bemerkte, hörte er auf, zu grinsen. „Babe, ich werde nicht mit dir schlafen. Zumindest nicht, wenn du das nicht willst" bevor er fortfahren konnte, kam ein kleines Grinsen über sein Gesicht.

„Aber ich will auch nicht, dass Chris dich flachlegt. Nicht, wegen der Wette. Das ist mir mittlerweile ziemlich egal. Aber Chris ist gefährlich, wirklich gefährlich, er schreckt nicht mal vor Mord zurück. Und ich will nicht, dass er dir wehtut oder so." sagte er und versuchte, es in einem möglichst beiläufigen Ton zu sagen, wie wenn es das normalste der Welt wäre. Aber insgeheim hörte ich ein wenig Sorge heraus. Das musste Einbildung sein, ganz klar.

Cole war immer ein Arschloch gewesen, immer schon, seitdem ich ihn kannte. Er wollte einfach nicht, dass Chris die Wette gewann und um nicht mit mir zu streiten - denn er wusste, das würden wir wohl oder übel tun, wenn er mir sagen würde, dass ich ebenso wie die anderen Mädchen ein Wetteinsatz war - sagte er das.

Einen kurzen Moment kam der Gedanke auf, dass sein Macho-Gehabe nur Fassade war, doch dann wurde mir klar, um wen es sich hier handelte und ich verscheuchte den Gedanken sofort aus meinem Kopf. „Ich hoffe, du weißt, dass ich nie mit dir ins Bett gehen würde, Cole" ich hob eine Augenbraue und klebte ein Pflaster über die Wunde.

„Ich würd's tun. Seien wir ehrlich, du bist verdammt heiß, keiner würde zu dir nein sagen. Aber ich würde nie versuchen, dich ins Bett zu kriegen, wenn du das nicht willst" erklärte er und überrollte mich wie ein Truck mit seiner Ehrlichkeit. Mir blieb kurz die Spucke weg, aber ich war Hailee O'Donell, mich machte man nicht mundtot. „Gut, denn das wird nie passieren" meinte ich kalt und begann, die Nase zu desinfizieren.

Kein Wort wurde mehr gesagt, bis ich fertig mit dem Gesicht war und es bis auf das blaue Auge wieder relativ normal aussah. Jetzt waren also seine Fingerknöchel dran. Ich nahm seine rechte Hand und legte sie auf meine, mit meiner linken desinfizierte ich auch hier die aufgeschlagene Haut.

„Danke" kam es da von meinem Stiefbruder. Ich sah überrascht zu ihm auf, er war nicht der Typ der sich bedankte. „Kein Ding" meinte ich. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich könnte ruhig mal Empathie zeigen, also folgte ein „Danke, dass du mich vor Chris verteidigt hast" von mir. Jedoch in einem leisen, fast nuschelnden Ton. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, anders als das übliche Macho-Grinsen.

Call me BabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt