Auf der Fahrt ins Krankenhaus hatte ich Zeit, nachzudenken. Er hatte also den Mörder meiner Mum gefunden. Wollte ich überhaupt, dass er sich stellte? Wollte ich überhaupt, dass diese Wunden wieder aufgerissen wurden? Natürlich hatte er seine Strafe verdient, aber ich war mir sicher, dass Kyle ihm diese in den letzten Monaten schon gegeben hatte.
Und Kyle, er sagte er liebte mich noch. Was sollte das? Es war beinahe ein Jahr aus, ich hätte nie gedacht, dass er noch an mich dachte. Es war mir aber auch egal, ich wollte ihn um jeden Preis aus meinem Leben haben und das würde sich auch nicht ändern, nur weil er hier aufkreuzte.
Im Krankenhaus angekommen, wurde Cole verschiedenen Untersuchungen unterzogen, während ich draußen auf ihn wartete. Ich beschloss, Rachel anzurufen, da sie schließlich wissen sollte, dass Cole im Krankenhaus war.
Ich erzählte ihr nur, dass ein Typ auf ihn losgegangen war und er nun untersucht wurde und sie meinte, sie würde sofort kommen, doch da Cole wahrscheinlich heute noch nach Hause durfte, versprach ich ihr, gut auf ihn aufzupassen und sie dann zu Hause zu treffen.
Nach zwei Stunden, die ich im Warteraum saß und nur nachdachte, ging endlich die Tür auf und Cole kam mit einem Pflaster auf der Stirn, verbundenen Fingerknöcheln und einem Taschentuch, das er gegen seine Lippe hielt, wieder heraus.
„Er erlitt eine leichte Gehirnerschütterung, die er aber mit viel Ruhe schnell wieder auskuriert hat. Seine Nase ist Gott sei Dank nur ein bisschen geprellt, aber das verheilt von alleine. Und für die Wunde am Kopf und seine Fingerknöchel habe ich hier eine Salbe, einfach morgens und abends damit eincremen, dann müsste das schnell abheilen." Erklärte die Schwester mir.
„Danke." Lächelte ich und nahm die Salbe, die sie mir gab. „Sie sind die Schwester?" fragte sie dann noch freundlich. Ich schluckte und nickte. Cole neben mir beobachtete mich und ich wusste, dass er merkte, wie sehr mir das gerade wehtat.
„Gut, kommen Sie gut nach Hause und das nächste Mal, seien Sie vorsichtiger mit solchen Schläger-Typen." Lächelte sie und gab uns beiden die Hand.
Ich musterte Cole eine Sekunde lang. „Wie geht's dir?" fragte ich und sah ihn besorgt an. Ein Lächeln spielte sich um seine Lippen. „Besser."
Ich bestellte uns ein Taxi zum Krankenhaus und während wir warteten, sah Cole mich die ganze Zeit an. „Ich wusste nicht, dass du und Kyle so eine tiefe Beziehung hattet." Meinte er dann monoton.
„Hatten wir auch nicht." „Er hat dir gesagt, dass er dich immer noch liebt und dich das letzte Jahr gesucht hat, das..." ich unterbrach ihn. „Das ist Vergangenheit. Und egal, was er versucht, er kommt nicht mehr zurück in mein Leben." Ich meinte es Ernst und das sah Cole auch.
„Du willst ihm keine Chance mehr geben?" Coles Stimme war beinahe überrascht. „Spinnst du? Er kann froh sein, wenn ich ihn überhaupt noch ansehe." Murmelte ich und in Coles Gesicht war die pure Erleichterung zu sehen.
„Wegen diesem Typ... hör zu, ich weiß, dass du unbedingt willst, dass das mit deiner Mum endlich aufgeklärt wird und dieser Typ muss seine Strafe bekommen, klar. Aber dann wird Kyle eine Wiedergutmachung wollen und... ich will nicht, dass du nochmal in seine Nähe kommst." Meinte Cole.
Er hatte Recht. „Ich will nicht, dass das Ganze wieder anfängt, hochzukommen. Das halte ich jetzt nicht aus, nach allem was..." ich stoppte mich selber, als ich Coles verkrampften Blick sah.
„Das ist alles zu viel im Moment. Erst das mit Chris, dann ..." ich atmete tief durch, denn er wusste genau, was ich sagen wollte. „Und dann das mit Kyle, das mit dem Mörder meiner Mum... ich kann nicht mehr, Cole. Ich kann nicht noch mehr verkraften, wenn jetzt auch noch das mit meiner Mum hochkommt... ich weiß nicht, ob ich das dann schaffe." Antwortete ich ehrlich.
„Das musst du nicht. Ich bin mir sicher, dass Kyle diesen Typ schon ziemlich schlecht behandelt hat in den letzten Monaten. Er wird ein Trauma für sein Leben haben." Grinste Cole und ich musste mitlachen.
Unser Taxi kam und wir fuhren nach Hause, Cole war ein wenig sauer auf mich weil ich Rachel angerufen hatte doch ich lachte ihn nur aus. Er war zu stolz um vor ihr zuzugeben, dass er Schmerzen hatte, aber ich sah es in seinem zusammengezogenen Gesichtsausdruck, wenn er etwas anfasste. Seine Fingerknöchel taten ihm weh und auch die Gehirnerschütterung machte ihm zu schaffen.
Sobald wir zu Hause ankamen, zwang ich Cole, mit ins Bad zu kommen, damit ich ihm die Knöchel eincremen konnte. Er verdrehte nur die Augen und meinte, es sei nicht schlimm, wäre schließlich nicht seine erste Verletzung dieser Art.
Er setzte sich auf den Badewannenrand und ich hockte mich vor ihn, das erinnerte mich an so viele Dinge, ich blendete es einfach aus. Wenn ich nun an unsere ganzen Erinnerungen denken würde, würde es das nur noch schlimmer machen.
Ich nahm Coles Hand und legte sie auf meinem Knie ab, während ich die Salbe öffnete und auf die offenen Stellen tupfte. Er zog scharf Luft ein, bei meinen Berührungen, die Wunden gingen wohl doch ein wenig tiefer als gedacht.
Die ganze Zeit über spürte ich seinen Blick auf mir, ich sah im Augenwinkel wie er sich auf die Lippe biss, wenn mir meine Haare ins Gesicht fielen und wie er seine Augen schloss, wenn ich seine Haut berührte.
Sobald ich fertig war, sah ich zu ihm auf. „Danke." Flüsterte er und ging dann in sein Zimmer. Auch ich machte mich auf den Weg in mein Bett. Wieso musste ständig was in meinem Leben passieren?
Ich fing gerade an, dass mit Cole zu verdauen und nicht mal einen Tag später tauchte Kyle auf. Nicht, dass das genug wäre, nein. Er bringt auch noch Neuigkeiten mit, die mich dazu zwingen würden, die beinahe verheilte Wunde meiner Mum's Tod wieder aufzureißen. Dad und ich müssten bei der Gerichtsverhandlung dabei sein, falls dieser Typ tatsächlich zugeben wollte, meiner Mum absichtlich aufgefahren zu sein.
Nächste Woche war Coles Geburtstag, ein paar Tage danach wollte Rachel meinen Dad mit der Hochzeit überraschen und dann flog ich auch schon nach London, wann war da denn Platz für einen Trip nach Boston um dem Mörder meiner Mum in die Augen zu sehen?
Dad war gerade dabei, sein neues Leben richtig zu genießen, er würde bald heiraten und ich wollte auch ihm das nicht antun, Mum wieder in sein Leben zu werfen. Er hatte weitergelebt, losgelassen. Und ich würde bestimmt nicht dabei helfen, die ganzen Erinnerungen an seine verstorbene Ehefrau wieder hochzuholen.
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Call me Babe
Teen FictionHailee (16) und Cole (17). Sie sind Stiefgeschwister, müssen zusammen leben. Sie verstehen sich eine Sekunde und zicken sich in der nächsten an, bis sie sich gegenseitig beinahe hassen. Doch was, wenn etwas Unvorhersehbares passiert und sie herausfi...