Kapitel 44 - Hailee

1.7K 71 2
                                    

Als ich das Haus betrat, starrte Rachel mich an. „Ist er nicht bei dir?" fragte sie und erst verstand ich nicht, doch ihr ängstlicher Gesichtsausdruck verriet mir, dass sie Cole suchte. „Nein, er... wollte ins Gefängnis, glaub ich." Ich setzte mich zu ihr an den Tisch.

Sie schluckte und kaute ihre Fingernägel, etwas das ich die noch nie hatte tun sehen. Ich sah in ihrem Gesicht, dass sie nicht ein Auge zumachen würde, bevor sie nicht wusste, dass ihr Sohn unversehrt zu Hause war.

Doch sie konnte den Schlaf dringend gebrauchen, nach der ganzen Aufregung um ihren Exmann, der nach drei Jahren auf einmal wiederaufgetaucht war und ihren Sohn, der ihr nach diesen drei Jahren erzählte, dass besagter Mann ein Doppelleben geführt hatte und er die ganze Zeit davon wusste. Und jetzt, wo sie so gerne mit den beiden über alles geredet hätte, saß ihr Mann im Gefängnis und ihr Sohn wollte ihn besuchen.

„Geh ins Bett, ich warte auf ihn. Und wenn er nicht kommt, wecke ich dich. Versprochen." Lächelte ich und schloss sie in meine Arme.

****

Ich saß nun schon eineinhalb Stunden in der Küche, knabberte an meiner Nagelhaut und starrte die Tür an. Ich hatte ihn einmal angerufen, aber dann versuchte ich es auch nicht mehr, da ich wusste, dass er nicht abheben würde. Es machte mich verrückt, zu wissen, dass er da draußen herumirrte.

Er war nicht mit den Jungs unterwegs und bei seinem Vater konnte er nicht mehr sein, die Besuchszeiten waren seit 21 Uhr vorbei. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wo er überall sein konnte, auch wenn ich genau wusste, wo er war. Er saß höchstwahrscheinlich auf der Bank im Stadtpark, auf der er und sein Dad früher immer gesessen waren.

Ich war einige Male kurz davor gewesen, dort hinzufahren, doch ich wusste, dass er mich nicht sehen wollte und schon gar nicht mit mir nach Hause kommen würde. Es sah so aus, als wäre ich die letzte Person die an ihn rankommen würde, war ich sonst doch immer die Einzige.

Irgendwann zwischen 2 und 3 Uhr morgens drehte ich das Licht ab und legte mich auf die Couch, da ich die Sorge nicht mehr aushielt. Er blieb nie so lange weg, nicht seitdem das mit uns passiert war.

Die Sorge zerfraß mich, mein Magen zog und stach und in meinem Hals bildete sich ein unangenehmer Kloß. Meine Augen brannten wegen des Schlafmangels und mein Kopf brummte wegen den vielen Gedanken darin.

Ich legte mich hin und starrte die schwarze Decke an. Alles war schwarz, es war Nacht. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, was er wohl gerade durchmachen musste und wollte ihn nur noch mehr einfach in den Arm nehmen, seinen Geruch einatmen, durch seine Haare streichen und ihn nie wieder loslassen.

Es war schon verrückt, wie ich nicht mal eine Nacht lang ohne ihn konnte. Wie würde es in London werden?

Plötzlich ging die Tür auf und ich hörte leise Schritte in Richtung Wohnzimmer kommen. Ich erwartete einen betrunkenen Cole, denn das tat er immer, wenn es ihm nicht gut ging, trinken. Doch an seinem Gang hörte ich, dass er sturztrocken war. Ich setzte mich auf und er erschrak ein wenig, als er meinen Schatten im Licht der Straßenlaternen sah.

Ich wusste, dass er mir nicht antworten würde und selbst wenn, würde nur ein Streit rauskommen, also ließ ich es sein. Er ging an mir vorbei, zur Stiege. Gerade, als er die erste Stufe nahm, drehte er sich langsam um.

„Ich war nicht dort." Sagte er leise und ich hörte die Bedrückung in seiner Stimme. „Du hast es nicht geschafft, oder?" antwortete ich ohne jeglichen Vorwurf und erhob mich, um auf ihn zuzugehen.

„Ich kann das nicht. Nicht nach all den Jahren." Murmelte er und es war dieser Ton in seiner Stimme, den er nur mir zeigte. Verletzlich, verwundbar, traurig, ängstlich.

Call me BabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt