Neun Stunden später war ich auch schon in London angekommen. Den Flug über hatte ich hauptsächlich geschlafen oder einen Film geschaut. Immer wieder musste ich die Gedanken bekämpfen, die mich zum Weinen bringen wollten, doch mit jeder weiteren Flugmeile wurde es leichter und Cole wurde ein wenig mehr transparent in meinem Kopf. Dass er sich nicht verabschiedet hatte, zeigte, dass er aufgegeben hatte und ich wollte weder ihn noch mich dazu zwingen, an etwas festzuhalten, was nicht mehr existierte.
Am Flughafen holte mich eine meiner zukünftigen Kolleginnen ab, Frida. Sie war eine hübsche, blonde Frau um die dreißig. Sie brachte mich zu meiner Wohnung und führte mich erstmal herum. Als ich dann meine Sachen dort abgestellt hatte, fuhren wir gleich zum Büro, in dem ich arbeiten würde.
Ich hatte einen großen Schreibtisch, auf dem bereits einige Unterlagen zu meinen Projekten lagen. Ich würde gleich am nächsten Tag zu einer Charity Veranstaltung und einer Pressekonferenz mitgehen, dann stand für mich in dieser Woche noch eine Werbekampagnen-Präsentation an und ich würde gemeinsam mit Frida und ihrem Team einen Werbefilm planen und drehen. Meine Aufregung wuchs von Sekunde zu Sekunde.
Frida und ihr Team, das aus vier Leuten bestand, luden mich abends zum Essen in ein schickes Restaurant ein, gut, dass ich meine Abendkleider eingepackt hatte. Die fünf erzählten mir von ihren Anfängen und was ihre Aufgaben in der Firma waren. Sie informierten mich auch darüber, wen ich am besten erst ab Mittag ansprechen sollte, um der Gefahr zu entgehen, angeschrien zu werden und wem man am besten gleich aus dem Weg gehen sollte, um keine Zickereien erleben zu müssen.
Wir unterhielten uns sehr gut und als ich um halb elf wieder in meinem Apartment war, war ich sehr gut gelaunt. Ich wünschte nur, dass ich Cole anrufen könnte und ihm erzählen könnte, was an diesem Tag alles passiert war, doch anstatt dessen wählte ich Dads Nummer und telefonierte eine gute Stunde mit ihm. Er meinte, ich solle nicht an zu Hause denken und die Zeit hier genießen.
Ich sah mich nochmal genau in der Wohnung um, es war wirklich wunderschön, geräumig und sehr hell. Ich wohnte im sechzehnten Stock eines Hochhauses, weshalb ich eine wunderbare Aussicht hatte. Die Möbel waren modern und beinahe alle weiß, genau wie ich es mochte. Es hingen auch viele Bilder an den Wänden, was mir gut gefiel.
Sobald ich meinen Koffer ausgeräumt hatte, fiel ich auch schon ins Bett, es war ein anstrengender Tag gewesen.
Die erste Woche verlief sehr gut, ich hatte das Gefühl, richtig was getan zu haben. Will war ebenfalls in London und lobte meine Arbeit an dem Werbespot, den ich mit Frida und ihrem Team für einen Kunden entwickelte. Er meinte, meine Ideen hätten Profiniveau.
Ich dachte jeden Tag an Cole, jedoch fühlte ich mich stärker. Ein Teil von mir war nicht da und jedem Lachen fehlte etwas, was nur Cole ihm geben konnte. Ich lernte ein paar neue Leute kennen, Riley und Miranda. Die beiden arbeiteten ebenfalls bei Charlston Industries und luden mich zweimal ein, mit ihnen in ein Pub zu gehen. Ich erzählte ihnen von Cole und wie ich hierhergekommen war und sie meinten, ich sollte Cole nicht aufgeben, da wir etwas Unvergessliches hatten. Tja, ich war auch nicht die, die es aufgegeben hatte.
Miranda, Riley und ich hatten viel Spaß und eines Abends machten uns in einem Pub ein paar Jungs an. Es waren sehr gut aussehende Jungs, mit englischem Charme. Die Mädels meinten, so ein One-Night-Stand würde mir nicht schaden, doch auch, wenn ich Lust dazu hatte, ich liebte Cole und so etwas wollte ich ihm nicht antun, auch wenn es ihm wahrscheinlich egal gewesen wäre.
Auch die zweite Woche verlief super und verging ziemlich schnell, Frida nahm mich auf eine Gala mit, wo sie mich ihren treuesten Kunden vorstellte, unter anderem ein paar Londoner Modedesigner und Automarken. Es waren dort sogar Fotografen, die Frida, mich und einen der High-Society-Designer fotografierten. Das Bild wurde am nächsten Tag auf die Homepage der Werbeagentur gestellt und Dad rief mich unter Tränen an, weil er so stolz war.
Frida, ihr Team und ich hatten die Präsentation des Werbespots vor dem Kunden und dieser war restlos begeistert. Es war eine tolle Erfahrung, da ich sogar einen Teil der Präsentation moderieren durfte, was mich hellauf nervös machte. Und da Cole nicht da war um mich zu beruhigen, zitterten meine Hände die ganze Zeit über.
Als Cole am Ende der dritten Woche noch immer nichts hören gelassen hatte, wurde ich stinksauer. Ich hatte zumindest erwartet, dass er mir eine Nachricht schrieb, um zu fragen, wie es mir ging oder Dad mir etwas von ihm ausrichten ließ, doch nichts. Ich überwindete mich an diesem Freitag endlich, Rachel zu fragen, wie es ihm ging und was er so trieb. Sie meinte, er war immer noch ständig bei diesem vermeintlichen Job und ließ sich zu Hause nicht oft blicken.
Sie erzählte mir auch, dass sie ihn zur Rede gestellt hatte, wieso er sich nicht verabschiedet hatte und er meinte, es wäre besser für uns beide. Ich war kurz davor, das Handy zu Boden zu pfeffern, also murmelte ich eine Verabschiedung und legte auf. Ich hätte ihn tatsächlich erwürgen können, diesen Drecksack.
Nein, jetzt reichte es mir. Ich nahm das Amulett und warf es gegen die Wand, diesen verdammten Zettel mit Coles Lüge Für immer, Babe., den ich seit unserer Trennung, die mittlerweile zwei Monate her war, mit mir herumtrug, den brauchte ich nicht mehr. Ich wollte mich nicht mehr an dieser verdammten Lüge festkrallen.
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Call me Babe
Teen FictionHailee (16) und Cole (17). Sie sind Stiefgeschwister, müssen zusammen leben. Sie verstehen sich eine Sekunde und zicken sich in der nächsten an, bis sie sich gegenseitig beinahe hassen. Doch was, wenn etwas Unvorhersehbares passiert und sie herausfi...