Es waren zwei Monate vergangen, wir hatten unser Leben endlich bis zum letzten Schliff sortiert. Cole und ich hatten beide einen verfrühten Abschluss gemacht, das heißt, wir hatten das Abschlussjahr auf der High-School übersprungen und alle nötigen Prüfungen schon am Anfang des Schuljahres abgelegt. Wir hatten gemeinsam mit unseren Freunden einen kleinen Abschlussball und arbeiteten nun beide. Cole wurde in dem Autohaus zum Abteilungsleiter befördert und ich hatte tatsächlich ein Angebot von Charlston Industries bekommen.
Ich arbeitete jetzt in der Zweigstelle Chicago, in der Abteilung Marketing und Werbung. Wir waren ein fünfköpfiges Team und hatten schon einige Werbespots rausgebracht, ich liebte meinen Job. Auch Cole war ziemlich glücklich mit seiner Arbeit, er kam jeden Tag nach Hause und erzählte, wie viel Spaß es ihm machte und dass es die richtige Entscheidung gewesen war.
Rachel, Dad und Ali hatten uns schon nach zwei Wochen so sehr vermisst, dass wir ihnen versprechen mussten, jeden Mittwoch zum Abendessen und jeden Samstag zum Brunch zu kommen. Die kleine Elle war bezaubernd und Ali hatte mittlerweile auch ihre ersten Beziehungsprobleme mit ihrem Freund. Vor allem, da Cole ihn unter die Fittiche genommen und gedroht hatte, ihm eine halbseitige Gesichtslähmung zu verpassen, sollte er sie verletzen.
Ich war gerade von der Arbeit nach Hause gekommen, es war Freitag und somit konnte ich es mir auf der Couch gemütlich machen. Cole würde in einer halben Stunde kommen, gekocht hatte ich schon. Ich telefonierte eine Weile mit Tammy, die nun mit Adam zusammenziehen wollte und sich darüber aufregte, dass er ständig neue Wünsche für die Wohnung hatte, obwohl sie schon alles geplant hatte. Sie zog das Gespräch in die Länge, sodass ich gar nicht merkte, wie zwei Stunden vergingen, in denen Cole noch immer nicht zu Hause war.
„Tammy, Cole ist noch immer nicht da, ich sollte mal anrufen. Wir hören uns?" verabschiedete ich mich. „Klar, wir hören uns." In ihrer Stimme lag etwas Komisches, was mir ein wenig Angst machte. Sie sprach, als hätte sie irgendwas vor, gut oder schlecht.
Ich rief dreimal bei Cole und dann auch noch bei seinem Chef an, doch keiner von ihnen hob ab. Verdammt, ich hasste es, nicht zu wissen, wo er war. Es war wie einige Monate zuvor, als er ständig wegen Chris abgehauen war. Zitternd wählte ich Nicks Nummer, die Sorge zerfleischte mich. „Hailee, Gott sei Dank. Ist Cole zu Hause?" fragte er mit besorgter Stimme. „Nein, eben nicht! Was... Nick, wo ist er?!" hysterisch schrie ich ins Handy, die ganzen Möglichkeiten liefen vor meinem inneren Auge ab. Was, wenn Chris' Leute wieder versuchten, sich zu rächen? Er ging immer an sein Handy, immer.
„Hör zu, ich werde sein Handy orten, dann komme ich vorbei und wir sehen gemeinsam weiter." Ich stimmte zu und legte auf. Nervös ging ich im Wohnzimmer auf und ab, ich hatte Angst. Wir hatten endlich alles auf die Reihe gekriegt und dann kam sowas.
Nick war kurz darauf auch schon da, er meinte, er hätte Coles Handy am anderen Ende der Stadt geortet. „Nichts wie los!" stresste ich und schob ihn quasi aus der Tür. Es war mir egal, dass ich eine Sportleggins und einen weißen Pulli von Cole trug, noch dazu ungeschminkt war und meine Haare in einem Dutt hatte, ich machte mir einfach nur schreckliche Sorgen.
„Denkst du, dass... Chris? Ich meine, Chris' Leute?" ängstlich sah ich zu Coles bestem Freund. Dieser biss sich auf die Lippe, das reichte mir als Antwort. „Sie werden ihm doch nichts tun, oder? Er kann sich doch verteidigen!" versuchte ich, mich zu beruhigen. Nick warf einen zweifelnden Blick zu mir, verunsicherte mich so noch mehr.
Wir kamen an einer alten Lagerhalle an, dort hatte Nick das Handy geortet. Und tatsächlich – Ricky und noch ein anderer Muskelprotz standen vor dem großen Tor, bewachten es beinahe. Unwillkürlich rann mir eine Träne die Wange runter, was machten sie mit Cole da drinnen?!
Ich stürmte aus dem Auto, doch Nick hielt mich auf. Er atmete tief durch, was ich ihm nachmachte und folgte mir dann langsam zum Eingangstor der Halle. „Schätzchen, suchst du etwa deinen Freund?" spuckte Ricky die Worte aus und grinste mich schmierig an. „Was habt ihr mit ihm gemacht?!" schrie ich ihn an. „Was hast du mit Chris gemacht, ist hier die Frage!" sagte der andere scharf. „Für das mit Chris müsst ihr mich bestrafen, ich war es! Ich ganz alleine." Schluchzte ich.
„Na dann, nur rein mit dir." Zischte Ricky und öffnete mir das Tor einen Spalt. Nick blieb stehen, ich jedoch huschte sofort ins Innere. Es war finster, stockfinster. „Cole?!" schniefte ich, versuchte, im Dunklen etwas zu ertasten.
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Call me Babe
Roman pour AdolescentsHailee (16) und Cole (17). Sie sind Stiefgeschwister, müssen zusammen leben. Sie verstehen sich eine Sekunde und zicken sich in der nächsten an, bis sie sich gegenseitig beinahe hassen. Doch was, wenn etwas Unvorhersehbares passiert und sie herausfi...