Kapitel 50 - Der Abend, der alles veränderte (3)

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Ich ließ ihn los und stellte mich vor ihn hin, vorbereitet auf eine Standpauke. „Hailee." Seine Stimme war gequält, ein wenig amüsiert sogar. Aber am meisten war sie besorgt und genervt, er wollte mich nicht anschreien, das war mir klar.

„Was fällt dir eigentlich ein?! Okay, erstmal..." er atmete tief durch und zog mich an sich. „Danke. Wirklich, danke. Babe, ich weiß dass du das alles nur für mich getan hast, weil du wusstest, wie viel Chris mir und den anderen schon angetan hat. Und ohne dich hätten wir ihn vielleicht nie drangekriegt, deshalb danke."

Er ließ mich wieder los und biss wieder sein Gebiss zusammen. „Aber bist du eigentlich komplett durchgedreht?! Du dealst für Chris, weißt du überhaupt, wie sehr dich das in Schwierigkeiten bringen kann, wenn die Polizei dich erwischt? Und dann triffst du dich alleine mit ihm, spielst ihm vor, dass du ihn ranlässt? Spinnst du total?! Sieh dich an, du hast mit ihm gekämpft, deine Lippe ist aufgeschlagen, du siehst aus als hättest du drei Tage nicht geschlafen und ich bin mir sicher, dass deine Rippen wehtun und deine Arme dich gerade umbringen." Da hatte er ausnahmslos Recht.

„Außerdem, was wäre passiert, wenn der Plan nicht aufgegangen wäre, wenn er nicht bewusstlos geworden wäre? Er hätte dich vergewaltigt oder... dich umgebracht! Hailee, was hast du dir dabei gedacht?" er sah mich fassungslos an.

„Ich weiß, Cole. Aber ich wollte das ein für alle Mal regeln. Ich hab doch gesehen, wie sehr du dich selber fertiggemacht hast, aus Angst, Chris würde mich verletzen. Außerdem musste er einfach bestraft werden, für das mit Adam. Und generell, für alles was er je getan hat." Erklärte ich und sah zu Boden.

„Ja, aber das musst doch nicht du erledigen, Babe. Du schwaches kleines Mädchen schlägst ihn da zusammen, wieso lässt du das nicht die großen Jungs machen, hm?" er grinste ein wenig und kassierte von mir einen Schlag auf die Brust.

Cole atmete tief ein, dann aus und massierte sich dann die Schläfen. Er überlegte, das konnte ich genau sehen. Und an seinem verzweifelten, mit sich selbst kämpfenden Blick wusste ich, dass es um uns ging.

„Untersteh dich." Drohte ich, den Tränen nahe. Denn wie so oft, tat sein Blick mir mehr weh als alle Worte, die er je sagen hätte können. Ich konnte in seinen Blicken lesen und dieser Blick zeigte mir deutlich, dass er das alles beenden wollte.

Weil er mit seinen inneren Dämonen nicht klarkam, weil er sich Vorwürfe machte, mich zu solchen Ideen zu treiben und... weil er es nicht verantworten wollte, dass ich für ihn mir selbst wehtat.

„Ich liebe dich. Hailee O'Donell, und wie ich das tue. Du bist die einzige Konstante, die ich in meinem Leben habe, der einzige Mensch, der meine Launen ändern kann, der aus meinen Blicken und Reaktionen liest, der mich besser kennt als ich mich selbst. Der einzige Mensch, der meine Schwächen kennt, der weiß, wie sehr ich Tag für Tag mit mir selbst kämpfe. Ich liebe dich so sehr, Babe."

Die Tränen schossen nur so aus meinen Augen, ich wusste, was folgen würde. Und ich wusste auch, dass ich es bei Gott nicht verhindern konnte. Der brennende, zugleich stechende Schmerz in meinem Hals, der sich über meine Brust bis zum Magen ausbreitete, das Gefühl, mich nicht rühren zu können, wie wenn alles einfrieren würde.

„Ich kann das nicht mehr, Babe. Ich verleite dich zu Dingen, die schlecht für dich sind, die dir deine Zukunft zerstören. Die dir alles kaputt machen, dich in Gefahr bringen. Du tust das alles aus Liebe und genau das ist das Problem. Du darfst mich nicht mehr lieben. Und ich darf nicht mehr so egoistisch sein, mich von dir lieben zu lassen, obwohl ich weiß, dass das das schlechteste für dich ist." Eine Träne lief über Coles Wange und ich sah, wie sehr es ihm selbst wehtat.

„Tu das nicht Cole, wir hatten das bereits. Und du weißt, dass es mich damals zerstört hat. Genau wie dich, es hat uns zerstört. Mach das nicht nochmal." Flüsterte ich, doch sein Blick schnitt wie ein Messer in meine Seele.

Er konnte mir nicht in die Augen sehen, auch nicht, als ich mich kurz darauf an ihn klammerte und meinen Kopf auf seiner Brust ruhen ließ, wobei ich sein Shirt durch meine Tränen ganz durchnässte.

„Du weißt, dass es besser für uns ist, Hailee. Das hätte von Anfang an nie passieren dürfen." Wisperte er und ich war kurz davor, zusammenzusacken.

Ich musste um ihn kämpfen, so gut es ging, es war meine letzte Chance. Ich zog sein Shirt hoch, legte mein Handgelenk mit dem Tattoo genau auf seine Brust, wo sich sein Tattoo befand und sah ihm in die Augen.

„Tu das nicht, mach's mir nicht noch schwerer." Er nahm mein Handgelenk und stieß es vorsichtig weg, während er sein Shirt hinunterzog. „Wenn es dir schwerfällt, dann tu es nicht!" heulte ich und klammerte mich erneut an ihn, doch ohne Erfolg.

Er nahm meine Handgelenke in seine Hände und sah mir in die Augen. Ich konnte beinahe fühlen, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete, da er die kommenden Worte um alles auf der Welt nicht sagen wollte.

"Du wirst weiterleben, Hailee. Mit mir als deinen Stiefbruder. Egal, was ist, ich bin immer da, okay? Wenn du jemanden zum reden brauchst, eine Umarmung... oder nur jemanden, der alles über dich weiß und bei dem du du selbst sein kannst. Oder wenn du jemanden brauchst, der dir deine Sonderbestellungen bestellt, der dich irgendwo hin bringt, weil du Angst vor Bussen hast. Ich bin da, egal wann, egal wo. Das verspreche ich." Er schluckte, als er meine erneut strömenden Tränen sah und hielt meine Handgelenke noch fester.

"Du wirst weiterleben, vielleicht mit Jordan oder mit Taylor, vielleicht auch mit jemand anderem. Du wirst dich wieder verlieben und glücklich werden. In jemanden, mit dem alles einfach ist. In jemanden, für den du nichts tun musst, der keine Sorgen hat, keine schlimme Vergangenheit, keine Feinde. Und natürlich werde ich eifersüchtig sein, Gott, ich werde den Typen umbringen wollen. Aber ich werde es nicht zeigen, weil es das ist, was ich dir wünsche. Dass du bedingungslos geliebt wirst, so wie ich es tue. Nur von jemandem, der dir eine sorgenlose, gesicherte Zukunft bieten kann."

"Und ich werde keine One Night Stands haben, ich werde dir nicht mit Absicht wehtun, ich werde einfach nur Abstand halten, und vielleicht... vielleicht finden wir eines Tages unseren Weg zurück zueinander, vielleicht werde ich eines Tages dein Mann sein. Wenn es das Schicksal will, wird es passieren, aber vorerst..." er biss sich auf die Lippe.

"Vorerst musst du genau wie ich weiterleben, ohne mich und ich ohne dich. Wir werden Stiefgeschwister sein, weiterhin über die kleinsten Dinge streiten und uns trotzdem immer unterstützen, hintereinander stehen. Und wenn du mal nicht schlafen kannst, ist in meinem Arm immer ein Platz für dich frei. Aber du musst weiterleben, ohne mich."

Ich dachte in diesem Moment an gar nichts, ich sah ihm einfach nur durch den Tränenschleier in die Augen, bewegte mich nicht und sagte auch nichts. Ich wollte nicht, dass dieser Moment aufhörte, denn es war vielleicht der letzte Moment, in dem er meine Handgelenke so hielt, wie er es immer getan hatte.

Call me BabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt