Kapitel 64 - Abschiedsfeier

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Es waren erneut zwei Wochen vergangen, nach der Hochzeit. Es waren die wohl schlimmsten Wochen in meinem Leben, ja sogar schlimmer als die Zeit nach Mums Tod. Cole war, wie auch schon die Wochen zuvor, immer unterwegs. Rachel meinte, er hätte einen Job in einem Autohaus und würde dort nach der Schule immer arbeiten, doch das bezweifelte ich.

Unsere Trennung war nun schon fünf Wochen her, doch es fühlte sich wie ein halbes Jahr an. Er war einfach so weit weg von mir, obwohl er im selben Haus lebte. Wir hatten nur selten beim Frühstück oder Abendessen ein paar Worte geredet, sonst waren wir uns nur aus dem Weg gegangen.

Ich glaube, er bemerkte es nicht, aber ich sah die Müdigkeit in seinen Augen. Was auch immer er tat, wenn er wiedermal den ganzen Nachmittag nicht zu Hause war, es ermüdete ihn. Es tat mir weh, ihn so zu sehen, doch irgendwas in mir war froh, dass er keine Mädchen abschleppte oder sich betrank. Die Theorie mit den Fightclubs hatte ich abgehakt, da er kein einziges Mal verletzt nach Hause kam.

Will und Lorelei hatten mich ein paar Mal besucht und den Arbeitsvertrag mit mir besprochen, mir genau erklärt, wie das Praktikum ablaufen würde und waren die Hinreise mit mir durchgegangen. Es waren nur noch zwei Tage, bis ich für drei Monate weg sein würde. Ich freute mich riesig, vor allem freute ich mich, Cole nicht sehen zu müssen.

Mein Koffer war bereits gepackt, ich war bereit um zu fliegen. Heute würde die Gang noch eine Abschiedsparty für mich schmeißen und morgen meinte Rachel, dass wir zum Abschied nochmal alle gemeinsam essen gehen würden.

Ich zog mich gerade für die Party um, als es an meiner Tür klopfte. „Bitch, beeil dich!" rief Tammy herein, sie wartete schon auf mich. Ich glättete schnell meine Haare, schlüpfte in meine Schuhe und nahm das Amulett ab. Ich hatte es die ganzen fünf Wochen getragen, nur zum Duschen hatte ich es abgenommen. Aber heute passte es nun wirklich nicht zum Kleid und ich wusste, dass ich ein bisschen trinken würde und ich wollte nicht, dass es beschädigt wurde, also legte ich es aufs Bett.

Wir waren auf der Party angekommen, die Musik lief schon und es war nur die Gang da. Gott sei Dank, ich wollte keine anderen Gäste haben, die mich nicht mal kannten. „Wir werden dich so vermissen!" rief Tony über die Musik, sobald wir uns alle hingesetzt hatten, ohne Cole natürlich, denn er war wie so oft nicht hier.

„Wir werden ganz oft skypen, okay?" rief Alex und alle nickten im Einklang. Nick schüttete uns allen puren Wodka in unsere Becher und wir stießen an. Wir redeten über die guten alten Zeiten und dass wir, wenn ich zurück war, wieder mal einen Gang-Ausflug machen sollten. Das Thema Cole wurde strickt verschwiegen und darüber war ich auch glücklich.

„Wir haben da noch was für dich." Meinte Adam da und grinste verschwörerisch. Fragend sah ich in die Runde. Adam und Tammy holten aus einer großen Plastiktasche eine riesen Flasche. Zuerst dachte ich, es wäre Wodka, da die Aufschrift es so besagte. Doch nein, es waren Unmengen von Bildern. Beim genauen Hinsehen erkannte ich, dass es eine fünf Liter Flasche war, wo bekam man denn sowas her?

Es waren Bilder von der Gang, von Tammy und mir, von Adam und Tammy, von Cole und mir. Fotos, auf denen ich beim Feiern Tony Sahne ins Gesicht werfen durfte, auf denen Nick und Alex sich bei Wahrheit oder Pflicht küssen mussten und noch viele andere.

„Es sind zweihundert Bilder. Und die sind alle in den neun Monaten entstanden, die du jetzt hier bist." Grinste Alex und legte von hinten seinen Arm freundschaftlich um mich. „Damit du uns in London nicht vergisst." Meinte Nick und lächelte. Ich bedankte mich tausendmal und umarmte sie alle, wie ich sie doch vermissen würde. Was würde ich nur ohne meine Gang tun?

Ich öffnete die Flasche und leerte die Bilder auf den Boden aus. Es waren so viele Erinnerungen, die ich teilweise schonwieder vergessen hatte. Nach einer Weile entdeckte ich ein Bild, das ich mir nicht erklären konnte. Cole trug mich gerade die Stiegen unseres Hauses hoch und ich schlief auf seiner Schulter. Wann zum Geier war das gewesen?

Tony sah meinen fragenden Blick und meinte: „Das war in der ersten Woche, als du hierhergezogen bist. Du hast dich ganz schön betrunken und bist einfach eingeschlafen. Als ein Typ dich dann begrapscht hat und dich ausziehen wollte, hat Cole ihn verprügelt, sodass er nicht mal mehr aufrecht stehen konnte und hat dich dann zu Fuß nach Hause getragen. Ich bin mitgegangen und als ich ihn gefragt hab, was das soll, da er ja sonst auf Kriegsfuß mit dir gestanden ist, meinte er, dass er ein Auge auf dich hat. Er hat dich ins Bett gelegt und dich auf die Stirn geküsst. Ich musste dann schwören, es für mich zu behalten."

Verdammte Scheiße, das war die erste Woche gewesen. Vier Monate, bevor er die ersten Annäherungen gemacht hatte, passte er schon auf mich auf. Ich wollte darüber grübeln, doch hielt mich selber auf und nickte nur kalt. Ich ignorierte die vielen Fragen in meinem Kopf und sah mir die anderen Bilder an.

Erst gegen zwei Uhr morgens brachten Adam und Tammy mich nach Hause, es hatte alleine eine halbe Stunde gedauert, mich von allen zu verabschieden, da Tony und Nick sogar Tränen kamen. Ich jedoch blieb kalt. Natürlich würde ich sie vermissen, doch die Zeiten, in denen ich geweint hatte, waren vorbei.

Ich umarmte Adam und Tammy noch ein letztes Mal fest und versprach, sie sofort anzurufen, sobald ich in London gelandet war. Dann torkelte ich ins Haus, ich war nur leicht betrunken. Cole saß in der Küche, über eine Flasche Whiskey gebeugt. Er sah nicht auf, als er mich im Augenwinkel vorbeitorkeln sah, sondern nahm nur den nächsten Schluck. Der kleine Teil in mir, der ihm die Flasche wegnehmen und ihn anschreien wollte, dass ich es hasste, wenn er trank, wurde ignoriert und so setzte ich meinen Weg fort.

Call me BabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt