93 Kapitel

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Am nächsten Tag waren wir nicht in der Schule. Wir haben uns krank gemeldet und den ganzen Tag im Bett gelegen und Filme gesehen. Die Haushälterin, Gloria, hat uns unser Mittagessen ins Zimmer gebracht. In diesem Haus werde ich wie eine Prinzessin behandelt, was sich wunderbar anfühlt. Am Anfang hatte ich meine Zweifel, dachte ich könnte nicht länger als 4 Stunden mit ihm aushalten, aber er war wie ausgewechselt. Seine komplette Art hat sich verändert.

Er provoziert und ärgert mich zwar immer noch, aber ich tu dasselbe mit ihm. Wir wären nicht wir, wenn wir uns nicht gegenseitig auf die Palme bringen würden. Meist bringt mich dann Tyler mit einem Kuss zum Schweigen.

Um 6 am Abend klopfte es an der Tür und Gloria trat ein. „Mister Lawson, ihre Eltern sind da und wünschen, dass sie um halb 7 zu einem gemeinsamen Essen erscheinen." Seine Eltern sind zuhause? Warum haben wir das nicht mitbekommen? Und warum redet Gloria jetzt so förmlich?

„Muss das sein?" Wie es nicht schwer zu erkennen ist, scheint Tyler keine Lust darauf zu haben. Sie können doch nicht so schlimm sein. Schlimmer als mein Vater können sie wohl nicht sein oder?
„Es war ihr ausdrücklicher Wunsch."
Gloria verließ wieder das Zimmer und begab sich nach unten.

„Zieh deine schwarze Hose an und irgendeine Bluse." Bitte was?
„Du willst, dass ich mit deinen Eltern zu Abend esse?"
„Ich denke wohl kaum, dass ich dich in meinem Zimmer verstecken werde, während ich mit meinen Eltern zu Abend esse. Also los zieh dir was an."
Plötzlich wurde ich unglaublich nervös und begann mich schnell fertig zu machen. Für schminken und Haare schön machen blieb mir keine Zeit, denn ich suchte wie eine Irre nach einer Bluse, aber ich habe keine eingepackt.
„Tyler ich hab keine Bluse."
Er ging zu seinem Kleiderschrank, holte ein weißes Hemd heraus und warf es mir zu. Ich streifte es mir schnell über und krempelte die Ärmel nach oben. Es war mir viel zu groß und hing mir wie ein Sack vom Körper, aber was Besseres gibt es wohl nicht. Vermutlich wird verlangt eleganter auszusehen, denn Tyler zog sich selbst eine schwarze Hose und ein einfaches weißes T-Shirt an.
Ich stand verloren im Zimmer und bekam die Panik. Wie sie wohl sind? Ob sie mich mögen werden?
„Hey, nur keine Panik. Ich bin immer neben dir und werde alles Unangenehme abwehren ok?"
„Ich sehe wie eine Obdachlose aus." Sie werden das Schlimmste von mir denken.
„Du siehst wunderhübsch aus, auch ohne Make-Up. Bleib einfach so wie du bist, dann werden sie dich schon mögen." Keine Ahnung warum ich so die Fassung verliere, aber mir ist wichtig, dass sie eine gute Meinung von mir haben.

Tyler nahm mich bei der Hand und zog mich mit nach unten in Richtung Esszimmer. Ein elegant gekleidetes Paar stand dort und musterte mich von oben bis unten.
„Du hast Besuch?"
„Ja Mutter. Das ist Catherine. Catherine, meine Mutter und mein Vater. Wenn es euch nicht stört, dann wird sie uns heute Gesellschaft leisten." Ich streckte meine Hand aus und reichte sie beiden. Seine Mutter schenkte mir ein kurzes Lächeln, aber die Miene seines Vaters blieb regungslos.
Da wüsste ich auch schon, von wem Tyler das gelernt hat.
Seine Eltern waren schöne Leute, die braunen Haare hat Tyler von seiner Mutter und die braunen Augen sind definitiv die, seines Vaters.

Tyler setzte sich neben mich und seine Eltern uns gegenüber. Die Stimmung war seltsam angespannt und auch ein wenig förmlich. Zu förmlich für meinen Geschmack.
„Wie läuft es in der Schule mein Sohn?"
„Gut."
„Dein Notendurchschnitt bis dato?"
„1,5." Ich sah überrascht zu Tyler. Er hat einen Notendurchschnitt von 1,5, obwohl er so oft fehlt und mit den Lehrern Probleme hat? Sogar ich habe einen schlechteren Notendurchschnitt als Tyler. Wie schafft er das bitte?
„Sie gehen auf die gleiche Schule wie mein Sohn Catherine?" Mein Gesicht von Tyler lösend, sah ich jetzt zu seinem Vater.
„Ja Sir. Ich mache heuer meinen Abschluss."
„Und ihr Notendurchschnitt? Besser als der von Tyler?"
„Nein Sir, würde ich jetzt schätzen, dann würde ich 2,3 sagen." Bei meiner Antwort schnalzt er missbilligend mit seiner Zunge. Ihm gefällt wohl meine Antwort nicht. Kein Wunder, mein Notendurchschnitt ist auch nicht der Beste.

Gott sei Dank wurden wir von Gloria unterbrochen, die unser Essen servierte. Doch kaum war sie wieder durch die Tür verschwunden, begann die Inquisition.
„Was haben sie nach der Schule vor? Studieren, Arbeiten?"
„Du musst Catherine jetzt nicht befragen Vater."
„Ich will sie doch nur kennenlernen? Ist das etwa verboten?" Ich konnte förmlich spüren, wie sich Tyler anspannte, deshalb griff ich unterm Tisch, mit meiner linken Hand, nach seiner und drückte diese. Es war ein Zeichen, dass es schon in Ordnung wäre, wenn mich sein Vater so etwas fragt.
Sein Blick wanderte kurz zu mir, legte sich dann aber wieder mit einem zornigen Blick auf das, seines Vaters.
Mein Blick streifte kurz den seiner Mutter und ich konnte ein Lächeln erkennen, als sie beobachtete, dass ich unterm Tisch nach Tylers Hand griff.
„Ich habe ein Auslandsjahr geplant. Ich möchte in Europa ein Praktikum machen und danach werde ich schon sehen, wohin mich mein Weg führt."
„Europa. Gute Wahl." Bei meinem Satz, spannte sich Tyler nur noch mehr an und sah mich verstört von der Seite an.
„Europa? Seit wann willst du nach Europa?"
„Ich wollte schon immer nach Europa und es würde mir viel bringen, dort ein Praktikum zu machen."
Gegenüber von mir ertönte ein Räuspern und Tylers Vater, von dem ich nicht einmal den Namen kannte, begann erneut zu sprechen. Ich darf nicht vergessen, Tyler nach ihren Namen zu fragen.
„Wo wohnen sie?"
„Meine Mutter und ich sind zu ihrem neuen Freund nach Soho gezogen."
„Soho? Dann wohnen sie ja nicht weit von uns. Was arbeitet ihre Mutter?" Die Richtung die dieses Gespräch einschlägt, gefällt mir ganz und garnicht, aber ich kann doch nicht einfach die Fragen ignorieren. Tyler und seine Mutter waren selbst in ein Gespräch vertieft, deshalb kann ich mir keine Hilfe von Tyler erwarten, denn der scheint nicht mehr bei uns mitzuhören. Soviel dazu, dass er unangenehme Situationen vermeiden wird.
„Meine Mutter arbeitet in einer Bank. Sie leitet die Kreditabteilung."
„Und ihr Vater? Wohnt er auch in London?" Vor dieser Frage habe ich mich gefürchtet. Was nun?
Soll ich nein sagen? Dann fragt er mich weiter über ihn aus. Wenn ich sage er ist gestorben, dann wird mich bestimmt Tyler darauf ansprechen. Mir wich alle Farbe aus dem Gesicht und der Bissen in meinem Mund fühlt sich an, als wäre er aus Pappe.
Soll ich sagen mein Vater ist arbeitslos und Alkoholiker? Dann werden sie mich gleich rausschmeißen. Es ist erbärmlich, auf solch läppische Frage keine Antwort zu wissen. Mir brach der Schweiß aus der Stirn und ich habe das Gefühl, dass mich sein Vater längst durchschaut hat. Sein durchdringender Blick sah nicht weg. Es wäre, als würde er mich gewollt nervös machen.

Das kommende ist unhöflich, aber ich muss fliehen. Es ist mein Instinkt, bei solch unangenehmen Situationen abzuhauen.
Mit einem Ruck schob ich den Stuhl nach hinten und stand kerzengerade dort. Ich konnte keinem in die Augen blicken, als ich sagte, dass es mir nicht gut ginge und ich mich entschuldige.
Kurz bevor ich die Tür schloss, hörte ich wie Tyler wütend sprach. Ich wollte lauschen, deshalb blieb ich davor stehen und gab keinen Mucks von mir.
„Was sollte das? Musst du sie vertreiben?"
„Nicht in solch einem Ton. Ich habe mich lediglich nach ihren Eltern erkundigt. Das ist doch ein ganz normales Gesprächsthema oder etwa nicht?"
„Nicht bei Catherine. Sie öffnet sich ja nicht einmal mir gegenüber, bezüglich ihrer Eltern." Seiner Stimme war ein leicht wehmütiger Klang zu entnehmen und ich fühlte mich noch schlechter als zuvor. Nun streitet auch noch Tyler wegen mir mit seinem Vater.
Mit schnellen Schritten ging ich durch die Eingangshalle, bei der großen Tür hinaus. Ich setzte mich auf eine Stiege und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
Warum muss alles so kompliziert sein? Einen noch besseren Eindruck hätte ich nicht machen können. Vermutlich hassen sie mich jetzt, denn niemand wünscht sich seinem Sohn, solch eine Freundin.
Moment! Freundin?
Aber desto länger ich darüber nachdenke, desto mehr fällt mir auf, wie Tyler und ich uns verhalten. Nämlich wie ein Paar. Diese Erkenntnis machte mir mehr Angst, als die Frage, die ich gerade eben noch gestellt bekommen habe. 

My biggest fear ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt