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Was ich sah waren zahlreiche Bilder und Überschriften. Auf den Bildern war er meist mit seinem Vater zu sehen. Es gab auch mehrere mit seiner ganzen Familie.
"Ist das nicht diese Sophie?", fragte Sarah.
"Hmmmm..."
Er war also ihr Bruder.

Ein Bild stach mir besonders ins Auge. Es war eins der ganzen Familie. Alle sahen überglücklich aus und waren elegant gekleidet. Brian im perfekt sitzendem Anzug. Er war auch am lächeln, doch irgendwas störte mich an diesem Lächeln. Es war... keine Ahnung...es strahle nicht so wie sein heutiges, als er mit seinen Freunden am spaßen war. Es war ein komisches Lächeln. Vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein.

Den Artikeln nach war Brian ein tolles Beispiel für einen Sohn. Mich überraschte es, dass ich nur Gutes über ihn las. Überall nur Artikel über die perfekte Familie, tolle Kinder und erfolgreicher Vater. Es sah alles so perfekt aus, dass ich daran zweifelte alles wäre wahr.

Ich guckte mir erneut ein Bild der ganzen Familie an. Sie alle so zusammen und glücklich zu sehen brachte Erinnerungen meiner eigenen kaputten Familie hoch. Mein Herz zog sich zusammen als ich mir wünschte auch so eine Familie zu haben. Ich merkte ,wie ich einen Klos im Hals bekam und atmete tief ein um nicht loszuweinen.

Das hatte ich mir irgendwie angewöhnt, weil ich meine Mutter nie trauriger machen wollte als sie ohnehin schon immer gewesen ist. Ich tat immer so als wäre ich stark. Früher war es nur für meine Eltern gewesen, um ihnen wenigstens die Schuldgefühle zu ersparen,  ihr eigenes und einziges Kind zum weinen gebracht zu haben.

Daraus wurde eine Angewohnheit und ich weinte nie vor anderen. Versuchte es zumindest immer. Ein leiser Gedanken schlich sich in meinen Kopf. Wären meine Eltern vielleicht immer noch zusammen wenn ich mich öfters schwach und gebrochen gezeigt hätte, wie ich auch war? Könnte ich dann heute von einer glücklichen Familie erzählen, wie dieses Bild es erzählte?

"Alles ok?"
Sarah legte ihre Hand auf meine Schulter und guckte mich warmherzig an. Sie wusste immer was in mir vorging, egal was ich von außen zeigte. Die Trauer wich einer Erleichterung, dass ich wenigstens sie hatte. Ich nickte und umarmte sie fest.

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Der Rest der Woche verging ziemlich ereignislos. Sophie und ich hatten beschlossen mit unserem Projekt nächste Woche weiter zu machen, weil wir noch genug Zeit hatten. Sarah und Sophie verstanden sich auch ziemlich gut und ich hatte das Gefühl wir würden ziemlich gute Freundinnen werden.

Am Samstagmorgen schlief ich lange und wurde von meinem Handy geweckt. Durch das plötzliche Klingeln riss ich meine Augen auf und wurde wieder von den nervigen Sonnenstrahlen begrüßt. Ich stöhnte laut, nahm mein Handy und drehte meinem Fenster wieder den Rücken zu.

"Hallo?", mit geschlossenen Augen und schläfriger Stimme hob ich ab.
"Claire mein Schatz, wie gehts?",Die warme Stimme meines Vaters gab mir ein schönes Gefühl.
"Gut."
"Wie war deine erste Woche in der Uni?"
"Anstrengend aber gut. Die Professoren, die ich habe waren bisher ziemlich nett."
"Das freut mich und wie sind die anderen Studenten so?" Ich dachte direkt an Brian und unsere Streitereien.
"Bis auf einen Schnösel sind alle, die mir begegnet sind sympathisch", ich setzte mich in meinem Bett auf.
"Wer ist denn dieser 'Schnösel'?"
"Ach nicht so wichtig mit ihm komme ich schon klar."
"Fühlst du dich denn wohl?"
"Ja Papa. Mir gehts super."
Ich hörte ihn sich räuspern.
"Na dann, ich wollte nur mal deine Stimme hören. Ich muss jetzt wieder aufhören ja? Pass auf dich auf."
"Hmmm... du auch."
Und schon hatte er aufgelegt.

Egal wie schlimm die Beziehung zwischen meinen Eltern gewesen ist, mich hatten sie immer geliebt, aber nach der Scheidung wohnte hatte ich bei meiner Mutter gewohnt und der Kontakt zu meinem Vater wurde immer schwächer.

Ich wollte gerade aufstehen als mein Handy erneut klingelte. Ich wusste ganz genau wer das jetzt war. Ohne auf das Display zu schauen hob ich ab und begrüßte meine Mutter:" Hallo, Mama."
"Wie gehts meiner Studentin."
"Super, dir so?"
"Alles fein, wie war deine erste Woche so erzähl mal."
"Alles super Mama. Alle sind nett. Es wird anstrengend aber ich habe Spaß."
Die bekannte Trauer Schlich in mir hoch, dass meine Eltern getrennt anrufen mussten und ich immer alles doppelt erzählen musste.
"Und ehm... hat dein..."
Ich wusste worauf sie hinauswollte.
"Ja, Papa hat angerufen."
"Na wenigstens kann er so tun als würde er seine Pflichten kennen."
Ich verdrehte meine Augen. Darauf hatte ich jetzt echt keine Lust.
"Wie auch immer ich wünsche dir nur das Beste. Ich bin. So stolz auf dich mein Schatz." Ich lächelte.
"Danke Mama. Ich hab dich lieb."

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Als Sarah und ich vom Parkplatz aus zum Eingang der Uni gingen blieb mein Blick an Brian und Sophie hängen. Beide redeten und lachten zusammen. Es war wieder Brians strahlendes Lächeln nicht das, welches ich auf dem Foto gesehen hatte. Er schaute sie sehr warmherzig und mit liebevollen Blick an, was mir irgendwie ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Er küsste sie auf die Stirn und ging zu seinen Freuden.

Sophie sah uns und kam lächelnd,wie immer auf uns zu und begrüßte uns.
"Was ist? Warum guckst du so komisch?"
"Keine Ahnung. Ich habe diesen Schnösel das erste mal so liebevoll gesehen."
Sie runzelte ihre Stirn und blickte mich fragend mit ihren strahlenden Augen an. Jetzt bemerkte ich, dass ihre Augen seinen ähnelten.
"Ich meine Brian deinen Bruder."
"Ihr kennt euch?"
"Naja, mehr oder weniger."
"Sie hassen sich", sagte Sarah. Ich dachte darüber nach. 'Hassen' war ein großes Wort. Nein, ich hasste ihn nicht. Ich hatte noch nichts erlebt, was mich ihn hassen ließ.

"Nein, wir hassen uns nicht. Also wir...keine Ahnung wie haben uns ein bisschen gestritten...also nicht wirklich gestritten... ach keine Ahnung. Wir verstehen uns nicht blendend."
"Wie auch immer. Auf jeden Fall kann ich dir sagen, dass er der beste Bruder ist den ich mir hätte wünschen können."
Ihr Lächeln strahlte noch mehr und ich hob meine Augenbrauen.

"Echt? Also ich habe ihn als einen eingebildeten und verwöhnten Schnösel wahrgenommen", als ich bemerkte, dass ich hier über ihren Bruder sprach und sie ihn anscheinend ziemlich lieb hatte entschuldigte ich mich bei ihr.
"Brauchst dich nicht entschuldigen. Kann sein, dass er so einen Eindruck macht aber glaub mir so ist er nicht."
Ich zuckte nur meine Schultern und wir gingen rein.
Vielleicht hatte er mehrere Seiten und ich kannte ihn ja auch nicht wirklich.

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In der Cafeteria saß ich zusammen mit Sarah und Sophie am Tisch. Wir redeten über verschiedenes Zeug und lachten über die dümmsten Sachen.
"Nene, wirklich immer wenn die einen auf streng tut und mich durch ihre Brille anguckt ,als würde sie mich gleich zu Grund und Boden starren, muss ich mir eher ein Lachen verkneifen."
"Apropos hast du nicht heute wieder Bibliotheken-Dienst?"
Sarah guckte mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Ach ja stimmt."
Ich stöhnte und legte meinen Kopf in den Nacken.

Als ich einen großen Schluck aus meiner Wasserflasche nahm sagte Sophie etwas Witziges, woraufhin sie und Sarah lauthals loslachten. Ich musste ebenfalls lachen aber versuchte es mir zu verkneifen, um nicht mein Wasser auszuspucken. Das würde sehr peinlich werden.

Als die beiden das sahen lachten sie noch lauter und ich hatte das Gefühl es nicht mehr aushalten zu können. Um nicht auf die beiden zu spucken drehte ich mich um und lachte. Dabei verschluckte ich mich ein bisschen und musste husten. Plötzlich hörten die beiden auf zu lachen, woraufhin ich guckte wohin ich gespuckt hatte.
Nicht wahr oder?

Vor mir stand Brian mit geschlossenen Augen und fasste sich an seinen Nasenrücken. Sein T-Shirt war vorne etwas nass. Scheiße...

More Than Just Love ~Unsere VerbindungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt