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~Claire
Wie betäubt trat ich in die Wohnung und ließ mich von meinen Füßen tragen. Die Wärme, die mich in der Wohnung sonst immer einhüllte nach der Arbeit, hatte nicht mehr annähernd dieselbe Wirkung.

Mir war kalt. Kalt an der Haut. Kalt in Inneren.

Eine Kälte, die schmerzte.
Es war ein spitzer Schmerz.

"Clairi?..."
Ich merkte nur leicht, wie Sarah vor mich trat und meinen Namen flüsterte.
"Was...Clairi, hast du..."
"Ich habe ihn stehen gelassen...wieder...", kam es automatisch und nur gehaucht über meine Lippen. Es war mehr so, dass ich es zu mir selber sagte. Ich warf es mir selber vor.

"Ich habe ihm wehgetan Say..."
Vor meinen Augen trat Brians schmerzerfüllter Gesichtsausdruck. Seine Augen, die immer matter wurden. Die Fragen in ihnen. Die Schuldgefühle für das, was er nicht getan hatte.

Ganz sanft legte Sarah ihre Hand auf meine Schulter.
"Du hast dir wehgetan..."

Ihre Worte trafen genau richtig. Ein scharfes Ziehen durchfuhr meine Brust und es war nicht mehr aufzuhalten.
Tränen verließen meine schwer gewordenen Augen und zogen eine brennende Spur hinter sich auf meine Wangen.

Schnell nahm sie mich in die Arme. Drückte mich fest, was nur dazu führte, dass die Tränen noch mehr flossen. Es war nur Sarah, vor der ich weinen konnte.

Nicht mal vor meiner Mutter weinte ich. Das hatte ich mir angewöhnt, weil ich immer gedacht hatte der Grund für meine Trauer wäre unnötig. Dass es gar nicht so dramatisch wäre, wenn die Familie kaputt war.

Auch jetzt dachte ich, dass ich nicht weinen sollte. Doch ich musste einfach. Es war nicht aufzuhalten. Und vor Sarah konnte ich auch.

"Mach das nicht Claire",sagte sie mit ihrer mir bekannten ruhigen Stimme neben meinem Ohr.
"Du leidest jetzt schon. Es wird noch viel schlimmer mit der Zeit."
Sachte strich sie über meinen Rücken.

"Ich möchte das nicht Say",raunte ich in ihre Schulter.
"Ich weiß, deshalb sag ich dir, hör auf damit. Scheiß auf die Vernunft. Einmal."

Sie löste sich aus der Umarmung und sah mich weich an, während sie ihre Hände auf meine Schultern legte.
"Ein einziges Mal."

'Hör immer auf die Vernunft Claire, Gefühle machen schwach'

"Es ist nicht leicht Say, das weißt du."
"Ist es leicht dich von Brian zu trennen?"
Stumm seufzte ich und spürte wieder das Krampfen um mein Herz.
"Es war mir aber immer das Wichtigste Say...es...es war mein Traum...mein Ziel...ich...das Einzige, was mir Halt und Hoffnung gegeben hat."

"Und was ist Brian?"
Sofort wurde ich wieder ruhig. Ich brauchte gar nicht lange über die Frage nachdenken. Im Inneren wusste ich ganz genau, was Brian für mich war.
"Wann hat dich dein 'Traum', wie du es nennst so glücklich gemacht wie er es tut?"

Nie.

"Bedeutet dir Brian etwa weniger al-"
"Nein!",kam es unkontrolliert aus mir geschossen.
Sarahs Blick, der langsam strenger geworden war, wurde wieder traurig weich.
"Dann hör doch auf damit."
Sie wischte meine Tränen weg und legte ihre Hand auf meine Wange.
"Werd endlich glücklich Claire, fang endlich an zu leben."
Sie flehte mich beinahe an.
"Aber-"
"Es ist Brian! Claire,Brian!"

"Brian..."
Ich ließ seinen Namen weich auf meiner Zunge zergehen und schloss meine Augen, bei dem wohligen Gefühl, welches sich mit der Trauer vermischte.

"Denk an den Halt, den er dir gibt. Ich bin mir sicher, dass dieser viel stärker ist als der Halt, welchen du glaubst im Erfolg zu finden."

Ich erinnerte mich an das sichere Gefühl in seiner Nähe. Ich war zwar immer schon unabhängig und brauchte niemanden, der mich beschützte aber wenn Brian bei mir war, war es anders. Es fühlte sich so an, als wäre ich auf einer anderen Art behütet. Als würde ich endlich mal nicht selbst auf mich aufpassen müssen. Als würde ich immer aufgefangen werden, wenn ich mal stolperte.

'Ich werde immer auf dich aufpassen Claire'

"Fühlt es sich in seiner Nähe so an, dass du etwas anderes brauchst?"

Ganz und gar nicht.
Vor meinen geschlossenen inneren Auge trat sein strahlendes Lächeln. Immer erfüllte es mich mit Wärme und Glück. Es war das einzige, was ich sehen wollte zusammen mit dem Glanz in seinen unglaublich schönen Augen.

Wenn er da war, war ich vollkommen. Brauchte nichts weiteres. Nur seine Hand in meine. Das Gefühl, dass er bei mir war.

"Nein",flüsterte ich gedankenverloren in die Erinnerungen an das Gefühl alles zu haben.
"Ganz genau. Du brauchst nur Brian."

Bei der Erkenntnis öffnete ich meine Augen und sah wie Sarah mich leicht lächelnd ansah.

"Du brauchst nur Brian",wiederholte sie sich um es mir noch klarer zu machen.
"Du willst nur Brian",fügte sie noch hinzu und sorgte für eine Gänsehaut.

Wie sehr das stimmte. Ich wollte ihn. Nur ihn. Trotzdem hielt mich etwas auf. Eine Angst, welche ich gerade nicht identifizieren konnte.

"Und was ist mit meinem...Ziel?", fragte ich sie mehr um zu gucken, ob es nur das war.
"Claire, frag dich selbst. Was würde dich glücklicher machen? Wenn du dich jetzt gegen Brian entscheidest und viel lieber deinen farblosen geraden Weg nimmst und erfolgreich wirst oder so oder, wenn du dich für Brian entscheidest und mit seiner Unterstützung einen bunten Weg findest?"

Tatsächlich musste ich mich nicht lange fragen. Sofort bekam ich die Antwort von meinem Inneren. Ich wusste nämlich, dass alles mit Brian schön sein würde. Wenn er und ich zusammen wären, würde ich viel glücklicher sein. Ich hatte mich an dieses Gefühl gewöhnt, was mir erschweren würde zu meinem alten Leben zurückzukehren. Es würde viel farbloser sein als vorher schon.

Langsam spürte ich wieder Wärme in mir aufsteigen bei dem Gedanken, mich doch für Brian zu entscheiden. Der Druck in meinem Brustkorb wurde leichter, als ich mir vorstellte wieder zu ihm zu gehen und einfach mal alles andere zu ignorieren. In mir fing alles an zu hüpfen und freute sich. Ein ganz anderes Gefühl, als das, welches ich gespürt hatte, als ich mich für meinen 'Traum' entschieden hatte.

"Und Claire, du hast selber gesehen, dass das nicht der Schlüssel zur glücklichen Familie ist. Nimm dir ein Beispiel an Brians Familie. Di-"
"Sehen nur auf Bildern glücklich aus",fuhr ich für sie fort und erinnerte mich an Brians schmerzerfüllten Augen.
Erneut verkrampfte sich mein Herz, bei der Reue.

"Ich wollte für ihn da sein...aber...habe ihm sogar noch mehr wehgetan Say...",flüsterte ich selbst leidend, überfüllt mit nagenden Schuldgefühlen.
Mit mitfühlendem Blick legte sie ihre Hand auf meine Wange.
"Dir tust du auch weh, dein Traum ist es nicht wirklich, du willst was anderes Clairi."
Tief schaute ich in ihre warmen Augen, die mich überreden wollten.

"Ich will Brian",kam es kaum merkbar aus meinem Mund während sich wieder Tränen in meine Augen sammelten.

Nickend und mit einem breiter werdendem Lächeln sagte sie :"Ich weiß. Und in diesem Moment meine liebe Claire, hörst du auf dein Herz."

Und in diesem Moment ließ ich das auch zu. Ich war nämlich viel zu durcheinander und überfüllt mit deprimierenden Gefühlen, dass ich nicht denken konnte oder wollte. Ich spürte nur wie weh es mir tat daran zu denken von Brian getrennt zu sein. Und ich spürte nur, wie gut es sich anfühlte daran zu denken mit Brian zusammen zu sein.

Doch irgendeine Angst hielt mich auf...

Werden ihre Gefühle doch noch ihre Vernunft besiegen?😪

Welche Angst könnte Claire aufhalten?🤔🤦🏽‍♀️

More Than Just Love ~Unsere VerbindungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt