Sebastian
Schwer atmend liege ich auf dem Boden und muss zusehen, wie sie schon wieder verschwindet. Ich mache mir keine Sorgen darüber, das ich sie nicht finden werde. Sie kann sich noch so gut verstecken, ich werde sie mit Hilfe des Bandes immer finden können. Selbst wenn ich es nicht wollte, es würde mich dennoch zu ihr führen.
Ich kann spüren, wie bei jedem Herzschlag Blut aus meinem Körper fließt. „Eines muss man dir lassen, Vater. Gut getroffen hast du ja.“, versuche ich verächtlich zu sagen. Ich bekomme es aber nicht hin. Es klingt eher wie ein alter Menschenmann kurz vor seinem Tod. Doch auch der Tod kann mir keine Angst machen. Ein Gefühl sagt mir, das meine Zeit noch nicht gekommen ist.
Gerade, als die dunklen Ränder, die mein Blickfeld einschränken, sich immer weiter zusammen ziehen, spüre ich das warme kribbeln an der Verletzung. Ich weiß genau, was jetzt kommt und beiße schon in der Voraussicht meine Zähne aufeinander. Dann bemerke ich das schmerzhafte Ziehen, als sich die durchtrennte Arterie verschließt. Es hört sofort auf zu bluten. Es folgt wieder eine Phase des Kribbelns und der Wärme. Danach verbinden sich die getrennten Sehnen und nach einer weiteren kleinen Erholungspause die Muskeln. Schon oft hatte ich meinen Vater gefragt, warum seine Heilkräfte in schmerzhaften und in wohltuenden Phasen verlaufen. „Zuerst muss das Gewebe, das ich verschließen will, angeregt werden. Es ist nicht schmerzhaft, weil ich es locken will, das zu tun, was ich möchte. Dann bringe ich es dazu, sich wieder so zusammen zufügen wie es vorher war. Das tut weh, denn das Fleisch ist faul. Aber es ist ein geringer Preis, wenn man so schnell geheilt werden kann und nicht den langen Heilschlaf in Kauf nehmen muss.“ Als kleiner Junge habe ich dann immer meine Haut betrachtet und mich gefragt, warum es so faul ist und ich es doch gar nicht so wolle. Es war mir stets ein Ansporn gewesen, meinem Vater zu beweisen, dass ich nicht faul bin. Heute weiß ich, es war nur ein Trick. Wie so vieles, was aus dem Mund meines Vaters kommt.
„Bleib noch ein paar Minuten liegen.“, befiehlt er mir. Doch genau wie stets, tue ich eben nicht das, was mein Vater sagt. „Bitte dann tue es eben nicht.“, knurrt er und sieht mir dabei zu, wie ich mich langsam aufrichte. Stumm hocke ich auf meinen Zehenspitzen und warte, bis das Schwindelgefühl nachlässt. Auch der Mund meines Vaters bleibt ausnahmsweise einmal geschlossen.
„Wenn du schon seit langer Zeit nicht mehr auf mich hörst, so hör mir bitte jetzt einmal zu.“ Zu früh gefreut, denke ich und nicke leicht zu Zeichen, das er weiter sprechen soll. Auch wenn ich mit dem Kopf geschüttelt hätte, hätte er weiter gesprochen. „Diese Frau ist nichts für dich. Nicht nur, das sie eine Sitien ist. Sie wurde verwandelt, weil sie sich negativ ins Ungleichgewicht gebracht hat. Das kann also nicht gut gehen. Dieses Pack gehört unter die Erde! Zerfressen von Würmern und Käfer, die auf ihren Kadavern herumlaufen…“ Wie so oft verstrickt er sich in seiner Hasstirade gegen die Geschöpfe, die keine reine Blutlinie aufweisen. Ich ignoriere ihn und stehe langsam auf. „Hörst du mir überhaupt zu?“, bellt er mich an. „Nein.“, gebe ich schlicht zurück. Meine Gedanken haben gerade das rote Band umfasst, das mich zu Keira führen wird. Es führt mehrere Straßen weit, aber das ist unbedeutsam. Ich kann ganz genau spüren, wo sie sich befindet. Auch wenn sie 10 Mal so weit entfernt von mir wäre wie jetzt. Ich würde sie spüren und finden. Nur wäre diese Entfernung nicht gut für mich. Jeder Meter, den sie sich von mir entfernt ist qualvoll. Ich spüre eine Leere in mir und den Drang zu ihr zu gehen und sie zu beschützen. Ruhelos, wie aus dem Gleichgewicht gebracht, da der Pol, der mich wieder ins Lot bringt verschwunden ist. Die Augen schließend, konzentriere ich mich noch mehr auf die Verbindung, um ihre Gefühle zu erkunden. Geht es ihr gut? Glaubt sie mir, dass ich das alles nur gesagt habe, um meinem Vater ein glaubhaftes Argument zu liefern? Ich wollte ihm eine Lüge auftischen, damit er die Klappe hält. Und das geht meist nur, in dem man ihm ein Argument liefert, das seinen eigenen Vorstellungen entspricht.
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The Hospital
FantasyKaum hat Keira ihre Arbeitsstelle angetreten, passen merkwürdige Dinge. Dinge, die sie schon einmal erlebt und verdrängt hat. Dinge, die sie nie wieder zu erleben gehofft hat. Dazu kommt, dass ihr erster Patient sie wie magisch anzieht und sie nich...