Mindestens eine Minute lag ich noch so unten auf dem Boden und war am überlegen, was zum Teufel gerade passiert war. Wieso ist Sebastian wie von der Tarantel gestochen abgehauen? Es war nicht wirklich nett von ihm gewesen, mich erst aufzufangen und dann wieder fallen zu lassen. Überhaupt, was zur Hölle hat er eigentlich im Bad gemacht? Ich schaue zu der demolierten Duschwand, die auf der anderen Seite des Bades liegt. Seufzend stemme ich mich vom Boden auf und laufe auf die eben beschriebene Stelle hin. Vorsichtig hebe ich die Duschwand auf. Sie ist gar nicht so schwer, wie ich dachte! Na mal sehen, vielleicht bekomme ich das ganze ja wieder gebaut. Nach einigen Versuchen gebe ich allerdings wieder auf. Keine Chance, das Teil wieder in die Angel zu bekommen. Also lehne ich sie nur an, sodass es nicht ganz so wüst im Bad aussieht. Schade, eine Wasserstrahl- Rückenmasse kann ich jetzt wohl vergessen. Ich würde das Bad komplett überfluten.
Vorsichtig schlüpfe ich aus der Badtür heraus und stelle erleichtert fest, dass Sebastian nicht im Schlafzimmer ist. Dafür aber jemand anderes. Freudig überrascht sehe ich ein weißes Fellknäuel, dass es sich auf einem Klamottenhaufen auf dem Bett, gemütlich gemacht hat. „Na du? Wie bist du denn hier her gekommen?“, frage ich die Katze, die mir schon einmal in meiner Wohnung Gesellschaft geleistet hatte. Besagtes Tier hebt den Kopf und mustert mich mit ihren blauen Augen. Dann miaut sie leise und springt vom Bett. Nachdem sie sich ausgiebig gestreckt hat, läuft sie mit erhobenem Schwanz auf mich zu. Sie streicht mit ihrem seidigen Fell um meine Beine. Ich beuge mich zu ihr herunter und streichele sie. Daraufhin stellt sie ihren Schnurrmotor an, der sofort wie Balsam auf meine Seele wirkt. „Verrätst du mir, wie du hier her gekommen bist, du süße Mietze?“ Dabei verstelle ich meine Stimme am Ende des Satzes nach oben, wie manche Mütter mit ihren Babys reden. Ist so ein Reflex, ich kann gar nichts dafür. Ich weiß genau wie dämlich es klingt, dennoch kann ich einfach nichts dagegen ausrichten. Genauso wenig wie jede andere Frau auch. Es ist in unseren Genen verankert. Scheiß Kindchen-Schema. Wie zur Antwort stellt die Katze ihre Vorderpfoten auf meine Beine und streckt mir genüsslich ihren Kopf entgegen. Eindeutig eine Aufforderung, diesen zu liebkosen. Ich komme der Bitte nur zu gern nach. „Du süßes Ding!“, zwitscher ich und neige meinen Kopf nach unten, um der Katze einen Schmatzer zwischen die Ohren zu drücken. Währenddessen kraule ich mit beiden Händen das weiche Fell unter ihrem Hals.
Ein Räuspern von der Tür lässt mich aufschrecken. Die Katze schnieft nur einmal in die Richtung und fordert dann wieder maunzend ihre Streicheleinheiten ein. Die gewähre ich ihr nur zu gern. So muss ich ihn nicht anschauen und kann so vielleicht bei klarem Verstand bleiben. „Was ist?“, frage ich. Ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme wütend klingt. Leider muss ich mir selbst eingestehen, dass ich wütend bin, weil er mich so angesehen hat, kurz bevor er mich hat fallen lassen. Als würde es ihm Qualen bereiten, mich anzufassen. „Als ich bei dir zu Hause war, ist sie mir nicht von der Pelle gerückt und ist einfach hinter mir ins Auto gesprungen. Ich habe dir ein paar Sachen mitgebracht.“, Sebastian nickt Richtung Bett. Ich folge seinem Blick und erkenne in dem Klamottenhaufen einige meiner Kleidungsstücke wieder. „Oh.“ Jetzt fühle ich mich schlecht, weil ich ihn so angeraunzt habe. Er war bei mir zu Hause und hat mir meine Klamotten gebracht. So etwas hat schon ewig keiner mehr für mich getan. „Danke.“, bringe ich leise heraus. Meine Kehle ist vor Dankbarkeit wie zugeschnürt. „Damit du nicht die ganze Zeit in meinen Klamotten rumlaufen musst.“, sagt er und verschwindet dann. Jetzt ist er aber derjenige, der angepisst klingt. Als wenn ich es mit Absicht mache mich von einer Katastrophe in die nächste zu seilen. Das kann doch nicht sein ernst sein! Der Knoten um meinen Hals ist nach diesem Satz nicht mehr existent. Idiot!
Schnell ziehe ich aus dem Stapel eines meine Lieblingsklamotten raus: einen schwarzen Pulli und eine bequeme Jeans. Sogar an Unterwäsche hat er gedacht… Moment mal! Woher weiß er überhaupt, wo ich wohne? Ich laufe aufgebracht hinaus. Sebastian steht aufgestützt auf die Arbeitsplatte in der Küche und starrt auf den Zettel. „Woher weißt du überhaupt wo ich wohne?“, platze ich sogleich mit der Frage raus, die mir wie riesige Leuchtziffern im Kopf stehen. Allerdings steht da nicht die Frage an sich sondern nur ein Wort: Stalker.
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The Hospital
FantasyKaum hat Keira ihre Arbeitsstelle angetreten, passen merkwürdige Dinge. Dinge, die sie schon einmal erlebt und verdrängt hat. Dinge, die sie nie wieder zu erleben gehofft hat. Dazu kommt, dass ihr erster Patient sie wie magisch anzieht und sie nich...