Kapitel 61 - Verglichen mit einem Poltergeist

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Sebastian

Ich gehe vor dem Fenster in die Hocke und horche nach verdächtigen Geräuschen. Sollte jemand im Zimmer sein, hätte er uns bei unserer kleinen Rutschpartie schon längst gehört. Wir waren nicht gerade leise gewesen. Aber einen Versuch ist es trotzdem wert. Auch wenn dieser jemand sich jetzt bestimmt schon in Angriffsposition gebracht hat und nur darauf wartet, dass wir herein kommen. Da das Fenster so klein ist, werden wir uns dücken müssen und werden ein leichtes Ziel abgeben.

Der Versuch einfach durch die Scheibe zu sehen, schlägt ebenso fehl wie bei fast allen anderen Fenstern dieses Hauses. Zwar ist dieses hier nicht mit Brettern vernagelt, aber das Glas ist so verdreckt, dass man nichts mehr erkennen kann.

Eric ist die Anspannung stark anzusehen. Sämtliche Muskeln sind in Alarmbereitschaft, er schließt und öffnet seine Hand rhythmisch, wobei seine Knöchel manchmal ein knackendes Geräusch von sich geben.

Doch abgesehen davon, höre ich rein gar nichts. Was zwei mögliche Schlussfolgerungen nach sich zieht. Entweder, in dem Raum ist gar niemand. Oder, was die schlechtere Variante wäre: da drin ist jemand un verharrt leise an einer Stelle, wo er uns nachher gut angreifen kann, wenn wir durch das Fenster klettern müssen. So oder so werden wir es gleich heraus finden. Ich bete darum, dass es die erste Variante ist und wir niemandem in dem Zimmer vorfinden werden.

Stumm signalisiere ich Eric, dass ich jetzt mit dem Einstieg beginnen werde. Er missdeutet mein Zeichen allerdings und schickt sich an, die Fensterscheibe zu zertrümmern, um uns Einlass zu verschaffen. Ich halte ihn mit meiner Rückhand auf. Bevor ich einen Heidenlärm verursache, will ich es erst einmal mit weniger Gewalt versuchen: ich lege meine Finger an den Holzrahmen, an dem die Farbe schon längst abgeblättert und Geschichte ist, auf. Und tatsächlich. Das Fenster öffnet sich mühelos. Ohne auch nur einen Laut zu verursachen. Was für uns ein deutliches Zeichen ist, dass das Dachfenster häufiger als Einstiegsort genutzt wird. Bevor ich das Fenster ganz öffne, schaue ich noch einmal mit triumphierenden Blick zu Eric. Der beantwortet ihn mit einem Schnauben und verdreht die Augen, als würde er sagen: „Das hätte ich auch gemacht, wenn ich es gewollt hätte. Randalieren macht aber so viel mehr Spaß.“

Innerlich schüttele ich synchron den Kopf mit Keira. Und so einen Typ stellst du ein, damit er auf deine Tochter aufpasst? Mich überrascht nicht wirklich, dass das passiert ist, was passiert ist!, höre ich Keira atemlos flüstern. Wenn ich es dir später erkläre, wirst du es nachvollziehen können., antworte ich knapp. Darauf bin ich schon mehr als gespannt.

Nach einer weiteren kurzen Pause, in der wir noch einmal versuchen zu hören, ob uns jemand mit blanker Klinge erwartet, nicke ich Eric kurz zu. Dieser nickt zurück, dann drückt er mich zur Seite und das Fenster auf und springt mit dem Kopf vorne weg in das Zimmer. Missbilligend schnaube ich und tue es ihm nach. Jetzt bleibt mir ja nichts anderes mehr übrig. Eric wird erwarten, dass ich ihm den Rücken frei halte. Er wird uns mit seinem Verhalten noch mal ganz schön in Schwierigkeiten bringen. Er tut absolut nichts von dem, was ich sage!

Im Haus angekommen, schlägt mir sofort ein muffiger, fauler Geruch entgegen. Es riecht, als würden hier seit Jahrzehnten tote Körper vor sich hin verwesen. Der Geruch strömt aus jeder Pore des Hauses und verdichtet sich zu einem dicken Nebel, dem man nicht enfliehen kann. Auf dem Boden ist eine dicke Staubschicht, nur nicht hier, direkt unter dem Fenster. Außerdem führt eine deutliche Spur zur gegenüberliegenden, offenstehenden Tür. Aus dieser Richtung strömt der gleiche Geruch, der uns auch hier schon zu schaffen macht und eine unnatürliche Schwärze. Unheil kriecht in Form von einer dicken Gänsehaut mein Rückrat hinauf. Wenn dieses Haus keinen Poltergeist beherbergt, dann fresse ich einen Besen.

The HospitalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt