Kapitel 53 - Der zweite Teil von Brutus' Geschichte

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Brutus, in der Gegenwart

"Ich konnte mir die Niederlage nicht eingestehen. Ich arbeitete weiter wie ein Tier. War praktisch nur zu Hause, um zu schlafen. Um Geld zu sparen tat ich alles. Es reichte nur knapp für die Miete. Danach war nur noch wenig übrig für anderes. Essen zum Beispiel.

Linda wurde immer trauriger. Weinte oft, wenn ich spät nach Hause kam. Immer wenn ich sie fragte was los sei, antwortete sie mir nicht. Sie stellte nur eine Frage: "Liebst du mich?" Stets antwortete ich: "Ich liebe dich über alles." Sie glaubte mir nicht. Dachte wohl, dass ich die Zeit mit anderen Frauen verbrachte. Ich konnte und wollte ihr aber nicht sagen, dass ich so viel arbeitete um die Miete zahlen zu können. Von dem Ring ganz zu schweigen.

An einem Abend war es ganz schlimm, da konnte sie gar nicht mehr aufhören zu weinen und ich war nicht im Stande sie zu beruhigen. Viel eher machte ich es noch schlimmer, wenn ich mich ihr näherte. Ich beschloss, meinen Stolz herunter zu schlucken und zu meinen Eltern zu gehen. Sie schlugen mir folgendes Angebot vor: Wenn ich wieder zu Ihnen zog und das "billige Mädchen" vergessen würde, dann würden sie mir so viel Geld geben, wie ich nur wollte. Ich verneinte und ging wieder. Zum zweiten Mal verließ ich das Anwesen als freier Mann. Diese Freiheit hatte ich teuer zu bezahlen. Was nutzte es mir alles Geld der Welt zu haben, nicht aber diese Frau an meiner Seite, dachte ich damals. Dann könnte ich auch gleich tot sein. Das hatte ich dummerweise auch meinen Eltern gegenüber gesagt. Sie hatten mich ausgelacht.

Auf dem Rückweg gestand ich mir endlich meine Niederlage ein. Ich kaufte für den Rest meines Geldes Blumen für Linda. Dann ging ich mit knurrendem Magen nach Hause. Dort angekommen überreichte ich ihr die Blumen. Linda schaute mich traurig aus ihren braunen Rehaugen an. Ich konnte sehen, dass sie lang geweint hatte. Ihre Augen waren trüb und gerötet. Ich konnte kein tolles Leben bieten, nur meine Liebe. Aber ich wollte es so sehr. Nie im Leben könnte ich sie aufgeben, habe ich damals gedacht. Jetzt weiß ich, dass das falsch war. Denn genau das wäre es gewesen, was ich hätte tun sollen.

Sie fragte  mich mit zitternder Stimme erneut: "Liebst du mich?" Schwer schluckend antwortete ich ihr: Nein. Linda, ich liebe dich nicht. Denn es ist so viel mehr als das. Du bist mein Leben. Es tut mir so Leid! Danach weinte sie wieder und ich weinte mit ihr. Gestand unter Tränen meine Anstrengungen, die doch umsonst waren. Diese Nacht war trotz der Tränen eine der schönsten meines menschlichen Lebens. Ach was, meines Daseins. Wir küssten und weinten gleichzeitig. Und dennoch waren wir glücklich, weil wir wieder vereint waren. Wir schmiedeten Pläne für die Zukunft. Ich war so glücklich als ich einschlief. Denn ich hatte alles, was ich mir für mein Leben erträumt hatte. Es war kein wirklich sicherer Stand, aber dennoch hatte ich es. Ich hatte eine eigene Wohnung, Unabhängigkeit von meiner Familie und meine Linda endlich wieder in meinen Armen."

Keira schnieft. "Kannst du jetzt aufhören zu erzählen. Bis jetzt ist doch alles gut. Friede Freude Eierkuchen! Können wir nicht einfach ein Happy End drunter setzen und es dabei belassen? Ich weiß nicht, ob ich noch mehr traurige Geschichten ertragen kann."

Ich schnaube verächtlich. Manchmal ist diese Ärztin so naiv. Vor allem wenn es um das Leben geht. Das Leben spielt nie fair. Es gibt kein Happy End. Das ist kein verfickter Hollywoodfilm mit irgendeiner aufgespritzten, überbezahlten Schauspielerin.

"Nein, Keira. Du wolltest es wissen. Ich möchte später nicht von dir hören, dass ich meinen Teil der Abmachung nicht eingehalten habe. Sei still und höre dir den Rest an."

Sie antwortet nicht, sondern zieht die Knie an ihre Brust und umschlingt sie. Dann nickt sie zum Zeichen, dass sie bereit ist. Der Sog meiner Gedanke trägt mich schnell wieder zurück in das letzte meiner Menschenjahre. Das schlimmste meines Daseins.

The HospitalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt