Kapitel 68 - Klarheit

481 55 26
                                    

Keira

Schweißüberströmt wache ich auf, lasse mein Augen jedoch geschlossen. Mein Atem geht schnell. Als wäre ich eine 30 Kilimeter lange Strecke im Sprint abgelaufen.

Während der dritten Schmerzwelle bin ich wieder in dem Raum in meinem Kopf gewesen. Es war ruhiger gewesen als in dem üblichen Teil meines Kopfes aber schmerzhafter als das letzte mal, als ich hier war.

Die kindliche Stimme hatte mir erneut zugebrüllt, ganz schnell diesen Raum zu verlassen und nicht mehr daran zu denken. Du hast diesen Raum geschaffen, um dich nicht erinnern zu müssen.

Nachdem die Schmerzen nachgelassen hatten und ich wieder aus der kleinen Kammer herausgebloppt bin, habe ich mich an irendetwas festgehalten. Es hat unaufhörlich Strömschläge durch meine Venen geschickt. Dennoch habe ich es geschafft, nicht los zu lassen.

Während mein Puls langsam zur Ruhe kommt, bemerke ich wie das, was ich mitgebracht hatte, wie wild in meinem üblichen Teil des Kopfes anfängt zu pulsieren.

Eine Erinnerung entfaltet sich farbenreich vor meinem inneren Auge. Das was ich sehe ist so grausam, dass mir das Blut buchstäblich gefriert.

Ich winde mich. Waren die Schmerzen vorher körperlich gewesen, so überfluteten mich nun nie gekannte emotionale.

Ich weine und schreie, würde alles dafür geben die Erinnerung aufzuhalten, doch es ist zu spät.

Ich flehe den Mann an aufzuhören. Es ist nicht meine jetzige Stimme, die ich da höre. Sie klingt nach mir, ist aber deutlich heller als jetzt. Der Mann grinst nur hämisch. Mit berstendem Herzen sehe ich erneut zu, wie der Mann meiner Mutter das Leben aus dem Körper schneidet. Es folgen noch ein paar weitere Gegebenheiten und Situationen, die ich vergessen hatte. Keine ist schön. Sie alle sind mit einer alles überschattenden Angst verbunden.

Als die Erinnerungen endlich enden, fühle ich mich noch geräderter als nach allen Schmerzwellen zusammen. Ich hätte auf die kindliche Stimme hören sollen. Ich hätte auf mich hören sollen. Auf mein jüngeres ich, das mich warnt, diese Erinnerungen für immer verschüttet zu lassen. Sie hatte ja so recht gehabt.

„Keira?" Stumm schüttele ich den Kopf. Ich will jetzt nicht reden. „Was hast du gesehen?", lässt Apurva nicht locker. Ohne es zu wollen, fange ich doch an zu erzählen. „Ich habe den Tod meiner Mutter gesehen." Meine Stimme bricht vor Emotionen. Die ganzen Jahre habe ich gewusst, dass meine Mutter gestorben war. Dass ich es mit habe ansehen müssen. Deshalb habe ich in dem kleinen Teil meines Kopfes verdängt damit ich mich nie wieder daran erinnern muss.

„Er hat in ihr herum geschnippelt um heraus zu finden, was sie zu einer Hexe macht!", schreie ich. „Ein Zauber meiner Mutter verhinderte, dass ich weder zu hören noch zu sehen war, während er es tat. Ich war bewegungsunfähig und musste zuschauen, wie sie verblutete!", schreie ich. Atemlos versuche ich Luft in meine verkrampfte Lunge zu befördern. „Niemand glaubte mir und deshalb wurde ich in ein Irrenhaus gesteckt! Oh Gott, Apurva, es ist das Haus, in dem wir euch gefunden haben! Als ich es betreten hatte, war mir ganz komisch. So, als wäre ich schon einmal da gewesen. Ich war es tatsächlich!", sprudelt es ohne unterlass jetzt aus mir hervor. „Deswegen hasse ich Götterspeise so sehr, es gab sie jeden verdammten Tag und schmeckte einfach nur grässlich!" Ich bekomme keine Luft, meine Lunge giert krampfend nach Sauerstoff.

„Apurva! Dieser Mann, der meine Mutter getötet hat, er wollte alles übernatürliche Auslöschen! Er suchte ein Allheilmittel für alle die keine Menschen waren. Ich hatte solche Angst vor ihm. Ich musste jedem verheimlichen, was ich war. Sonst hätte er seine grausigen Experimente auch mit mir durchgeführt. Das Irrenhaus war nur ein Vorwand für ihn. Es waren fast nur übernatürliche Patienten da. Ich hatte solche Angst, dass auch ich in seine Folterkammer muss. So viele sind nicht zurück gekehrt.", wimmert das kleine Mädchen in mir über das unfassbare, das es erlebt hat.

The HospitalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt