Kapitel 46 - Zerbrochene Eier 2

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Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich habe wirklich so doll ich nur konnte zugetreten. So etwas hätte ich früher nie getan, dachte ich. Da warst du auch kein Vampir gewesen, sondern ein Mensch. Als Vampir sind deine Emotionen verstärkt, vor allem zu Beginn der Verwandlung. Du bist nicht mehr der Mensch, der du einmal warst und wirst es auch nie wieder sein, übermittelt mir Sebastian mental. Das macht mich traurig. Irgendwie vermisse ich mein Graue-Maus-Dasein ein wenig. Es war bedeutend ruhiger, schicke ich ihm zurück. „Und du warst bedeutend schwächer. Jetzt… kannst du einem Mann die Genitalien zermalmen… auf die eine oder andere Weise.“, seufzt Sebastian leidgeprüft. „Oh Gott, bei dir auch, Alter? Mein herzliches Beileid!“, krächzt Brutus Sebastian zu. „Wenn der laute Knall den ich vorhin gehört habe, bedeutet, dass sie deine Eier hat platzen lassen… dann bin ich ja noch gut weggekommen.“ Ich kann mir ein grinsen nicht verkneifen.

Sebastian zieht eine Grimasse. „Na ja, nicht ganz. War aber ganz ähnlich mein Freund, war ganz ähnlich.“, kumpelhaft klopft er ihm auf die Schulter. Brutus stöhnt. „Bitte nicht so viel wackeln. Ich glaube, mir wird schlecht.“ Sebastian führt ihn fürsorglich an einen Barhocker. „Soll das ein Scherz sein? Wie soll ich mich auf den Hocker drauf setzen? Da schnüre ich mir ja den letzten Rest auch noch ab!“, stöhnt Brutus verzweifelt. „Dann musst du wohl oder übel stehen bleiben, eine andere Sitzmöglichkeit habe ich im Moment auch nicht.“ „Danke, ich glaube, es ist sowieso besser, wenn ich stehen bleibe.“, sagt er und hält sich an der (zerbrochenen) Arbeitsplatte fest, während er seine Stirn auf die kühle Arbeitsfläche legt. Trotz der Tatsache, dass die Platte zerbrochen ist, rutscht sie nicht weg, da sie sehr massiv ist, wie ich durch den Bruch erkennen kann. Mein schlechtes Gewissen flattert kurz auf und verschwindet wieder, nachdem ich mir gesagt habe, dass die beiden es verdient haben. Brutus andere Hand liegt noch immer schützend über seinem Gemächt. Ich kann es mir einfach nicht verkneifen zu fragen: „Hast du dein versehrtes Ei zurückerobert, oder frisst das jetzt die Katze?“ Wie aufs Stichwort schlittert das Ei über den Boden und knallt gegen den Küchenschrank, wo es schlussendlich zerbricht. „Ich liebe diese Katze!“, lache ich. Gurrend kommt sie in die Küche gelaufen. Sie streicht mir einmal kurz um die Beine und geht dann schnüffelnd auf das Ei zu, aus dessen kaputter Schale das Eiweiß hinaus fließt. Nachdem ihre Nase ihr bewiesen hat, dass das, was da aus ihrem Spielzeug herauskommt, essbar ist, leckt ihre kleine rosa Zunge den glibberigen Inhalt. „Oh Gott, wieso tust du mir das an?“, sagt Brutus weinerlich. Zum Dank für ihre Hilfe bei der Operation: „Kaputte Eier“ kraule ich die Katze hinter den Ohren. Dafür fängt sie gleich an zu schnurren. „Ich habe dir noch gar keinen Namen gegeben.“, sage ich nachdenklich. „Wie wäre es mit: Grässliches-Katzenvieh-hör-auf-mein-Ei-zu-fressen!“, schreit Brutus mit Verzweiflung in der Stimme und versucht die Katze mit seinem Fuß von dem Ei wegzuschieben. Sie faucht ihn an und setzt sich dann ungerührt einfach an die andere Seite, an die er nicht mehr heran kommt. Brutus stöhnt weinerlich von der Bewegung und geht in die Knie. „Das ist doch kein Name!“, sage ich, während er: „Bitte verlass mich nicht, bleib bei mir, liebes Ei“, flüstert. „Wie wäre es mit…Fluffy? Weil du so schön flauschig bist?“, frage ich die weiß-silberne Katze mit der hohen Piepsstimme. Sie weiß genau, dass sie angesprochen ist. Denn sie hebt ihren Kopf von dem Ei, fängt laut an zu schnurren und blinzelt mir einmal katzentypisch zu. „Alles klar. Gebongt. Fluffy gefällt dir also genauso gut wie mir, stimmt's?“, frage ich sie, während ich sie erneut kraule. „So lange ihr nicht drei Köpfe wachsen, wie bei dem scheußlichen Hund in Harry Potter!“, keucht Brutus. „Ach, jetzt sei nicht so Brutus! Dann sollten wir jetzt schleunigst ins Krankenhaus, dass dir dein kaputtes Ei wieder angenäht wird. Vielleicht kann ich das gleich machen? Immer hin bin ich Ärztin!“ „Bloß nicht! Nein, nein! Halt dich bloß von mir fern! Du würdest sie doch nur falsch herum annähen oder so! Finger weg von meiner verblieben Zeugungsmaschine!“ Brutus macht kleine, trippelnde Schrittchen von mir weg, als würde ich jetzt gleich hier auf der Arbeitsplatte den Eingriff vornehmen. „Igitt Zeugungsmaschine!? Sag das bloß nie wieder.“, fordere ich ihn auf. „Aber was deine erste Aussage betrifft-stimme ich gern zu. Lasst uns endlich ins Krankenhaus, ich glaube ich kippe bald um. Als Ärztin bist du ja vielleicht doch zu gebrauchen…“, stöhnt er abschätzig. „Ach, ich habe keineswegs an dich gedacht. Ich wollte doch nur dass Fluffy, falls ihr doch noch drei Köpfe wachsen sollten, etwas zu fressen hat. Für jeden Kopf etwas.“, sage ich teuflisch. „Spiegelei mit Würstchen, wie klingt das für dich?“, sage ich mit der hohen Stimme zur Katze. Die miaut fragend und schaut sich nach Brutus um. „Halt dich bloß von mir fern, Katzenvieh!“ Brutus klingt schon fast hysterisch, als er mit den kleinen, tippelnden Schritten auf die andere Seite der Arbeitsplatte läuft.

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