Kapitel 56 - Sorge um Aurora

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„Im Ernst? Du hast doch gesagt, ich darf nichts mehr mit ihr zu tun haben?“, frage ich vorsichtig nach. Sebastian drückt mir lächeln einen Kuss auf die Haare. „Falsch. Ich hatte gesagt, du darfst nichts mehr mit uns zu tun haben.“ Ich nicke langsam. „Stimmt. Das hast du. Aber du bist zurück gekommen. Um mich zu retten.“, während ich spreche, grinse ich wie ein Idiot vor mich hin und bin nicht fähig aufzuhören. „Ich konnte gar nichts anders.“, erwiderte Sebastian nun ebenfalls grinsend und streicht mir eine Strähne hinter mein Ohr. „Habe ich mich dafür eigentlich schon mal bedankt?“ „Ja, nein, mmh, ich weiß es nicht mehr. Aber es kann nicht schaden, wenn du es noch einmal tust.“, grinst er noch breiter. „Vielen Dank, dass du mich aus den Klauen der Asperitas gerettet hast. Ohne dich wäre ich jetzt wohl schon ein Eiszapfen. Oder wäre der erste Todesfall wegen Totquatschens.“ „Da habe ich dich vor einem schlimmen Schicksal bewahrt.“, schäkert er weiter. „Oh ja, ich bin dir überaus dankbar. Ich werde mich erkenntlich zeigen, wenn das ganze vorbei ist.“ „Wirklich? Auf welche Art Belohnung kann ich mich denn freuen?“ „Lass dich überraschen.“ „Das werde ich.“ Wieder versinken wir in den Augen des jeweils anderen. Je länger dieser Moment dauert, desto schwieriger wird es für mich, seiner Anziehungskraft zu widerstehen. Am liebsten würde ich mich an ihn lehnen und unsere Münder verschmelzen lassen. Aber das ist zu gefährlich. Wie heißt es so schön, man sollte nicht mit dem Feuer spielen. In unserem Fall könnte das eine riesige Explosion verursachen. Und mit meinem Tod enden.

Zum Glück spukt mein Kopf die nächste Frage aus, die mich von dem brennenden Verlangen ablenkt. „Aber wie ist das bei euch Vampiren dann? Fasst ihr euch nie an, weil ihr das als abstoßend empfindet und euch an den Virus erinnert?“ Sebastian blinzelt ein paar mal und antwortet erst dann: „Nein, wir fassen uns schon mit den Händen an. Sogar sehr gern.“, sagt er kehlig, was ein ein wohliges kribbeln in meinem Körper verursacht. „Das gegenseitige anfassen mit den Händen bezieht sich eher auf Fremde. Allerdings gilt diese Verhaltensregel heutzutage nicht mehr so stark wie früher. Die Vampire, die den Krankheitsausbruch miterlebt haben, bestehen noch immer darauf. Die Jüngeren scheren sich meistens nicht die Bohne um diese Verhaltensweise. Ich begrüße ja auch alle mit der Hand, obwohl ich es miterlebt habe. Ganz einfach, weil uns keine Gefahr mehr droht. Aber das verstehen viele der Älteren nicht.“ Ich nicke verstehend. Kurz hatte ich schon befürchtet, das sämtliche Berührungen mit der Hand ein Tabu wären. Es würde mich schon stark einschränken, wenn ich meinen Freund oder generell andere Vampire nicht einmal am Arm berühren könnte, ohne das sie austicken.

„Soll ich jetzt Aurora anrufen, oder hast du noch eine Frage?“ Ich verneine es und Sebastian fängt darauf hin an, schnell auf seinem Handy herum zu tippen. Kurz darauf höre ich es tuten. „Hast du es auf Lautsprecher gestellt?“, frage ich schnell, bevor jemand am anderen Ende abnehmen kann. „Nein. Glaube mir, würde ich jetzt laut stellen, würden dir die Trommelfelle platzen.“ Ach ja, wieder habe ich eine meiner neuen Fähigkeiten vergessen: der verbesserte Hörsinn.

„Hallo? Onkel Sebastian?“, hört man es ein wenig gehetzt aus dem Handy klingen. „Ja, ich bin es meine Kleine. Ist alles gut bei dir?“, fragt er ein wenig besorgt. „Ja, alles gut- Ich äh, ich habe nur eben meinen Ball geholt.“ In meinen Ohren klingelt es. Irgendetwas stimmt da nicht. Doch Sebastian scheint es nicht wahrzunehmen. „Dann ist ja gut. Hör mal, ich habe ein kleine Überraschung für dich.“ „Toll, was es ist es denn?“, fragt Aurora aufgeregt. Sie klingt gleich viel besser und dennoch höre ich da einen Unterton heraus, der mir gar nicht gefällt. „Ich habe hier jemanden neben mir sitzen, den du auch kennst.“ „Wer ist es denn?“, fragt sich neugierig. Statt seiner Nichte eine Antwort zu geben, nickt Sebastian mir zu. Zögerlich sage ich: „Hallo, Aurora.“ Dabei neige ich meinen Kopf zur Sprechmuschel des Handys hin. Lächelnd schiebt mich Sebastian vom Handy weg und sagt leise: „Das sind spezielle Vampirtelefone, du musst nicht so nah ran gehen.“ Ich nicke und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf das kleine Mädchen am anderen Ende der Leitung. Die zwitschert ganz aufgeregt wie ein kleines Vögelchen. „Tante Keira? Bist du es? Nun sag doch etwas! Bist du es wirklich? Ich habe dich vermisst! Nun sag schon! Bist du es?“ Ich beeile mich zu antworten: „Ja, ich bin es. Du hast recht!“ „Super! Geht es dir denn wieder besser?“ Ich runzele die Stirn, weil ich überlege, was sie wohl meint. Dann fällt es mir wieder ein. Das letzte mal als sie mich gesehen hatte, war ich fest geseilt und festgekettet gewesen. Kurz nach dem Biss von Apurva.

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