Kapitel 21 - "Und halte dich aus meinem Kopf raus... Schatz"

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Ertappt drehe ich mich um und sage das erstbeste, das mir in den Sinn kommt: „Äääh…“ Nicht sehr geistreich ich gebe es zu. Aber was sollte man in so einer Situation schon sagen. Tausend Gedanken schießen mir in den Kopf und ich wog das Für und Wieder ab. Sollte ich Sebastian als meinen „festen Freund“ ausgeben? Dagegen würde er sicher nichts einzuwenden haben. Andererseits musste ich dann gegenüber den anderen, eine glückliche Beziehung vorspielen. Und das auch noch mit einem Mann, der mich unsagbar anzog. So sehr, dass es mir Angst machte, wie sehr mich seine Gegenwart oder auch nur ein kleiner Blick, eine Berührung aus der Fassung brachte. Von solchen Menschen sollte man sich doch lieber fern halten, oder?

Noch hatte ich nicht geantwortet und ich sah, dass Schwester Glanz auf uns zu gelaufen kam. Ich hatte also noch eine kleine Schonfrist von, tja sagen wir mal 10 Schritten. „Streng dein Hirn an Keira, das denkt sich doch auch sonst die absurdesten Situationen aus.“ Ja eigentlich sollte man meinen, ich und mein Kopf sollten dazu in der Lage sein, die Sachlage zu klären. Aber dem war nicht so. Mir fiel nichts ein. Ich öffnete den Mund, aber ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Also schloss ich ihn wieder. In meinem Kopf herrschte gähnende Leere.

Noch 5 Schritte. Man Hirn, streng dich an, sie ist gleich da… Noch 3 Schritte. Los jetzt, es ist allerhöchste Eisenbahn! 2 Schritte. Ahhh, Mist! Was soll ich nur tun!? Ich starre auf die weißen Schuhe, die vor uns stehen bleiben. Oh nein, jetzt ist sie da.

Scheiße, scheiße, scheiße!

Ich versuche Zeit zu schinden, in dem ich mit übertriebenem, geheucheltem Interesse meine Schuhe betrachte. „Ist das der Mann den Sie meinten, Dr. Emmrich? Sicher nicht oder, diesen Prachtkerl würden sie mir doch nicht vorenthalten?“, fragt sie zuckersüß und streckt Sebastian ihre ordentlich manikürten Nägel hin. Als ich ihre sauberen und makellos gepflegten Hände sehe, verstecke ich unwillkürlich die meinen in meinen Hosentaschen. Schon seit ein paar Tagen hatte ich mir vorgenommen, diese zu schneiden. Aber die Erlebnisse in letzter Zeit ließen es nicht zu, an so banale Dinge zu denken wie die Nägel zu kürzen. Da waren ganz andere Dinge. Unter anderem finstere Gestalten, die sich gegenseitig bekämpfen, Blut und Tod… Ich könnte diese Liste noch ewig weiter führen. Aber das sind absolut nicht die Gedanken, die ich jetzt brauche. Wie kann ich mich aus dieser Lage wieder heil heraus manövrieren?

„Ich bin Schwester Glanz, und Sie sind?“, fragt sie lächelnd und zwinkert ihm dabei kokett zu. „Ich bin Sebastian Stein.“ „Nein, das meinte ich nicht. Sind Sie mit…“ Noch nie war ich so froh, dass Aurora dazwischen quatschte: „Onkel Sebastian, wie geht es denn nun meinem Papa? Tante Keira hat gesagt, ich soll mit in die Caféteria kommen, und etwas essen. Papa wird doch nicht böse sein, dass ich einfach gegangen bin, oder? Geht es ihm denn wieder gut? Tante Keira hat mir Pudding gekauft! Der war echt lecker, ganz anders als der, den mein Papa immer macht. Da waren gar keine kleinen Klumpen und schwarze Flecken drin.“ Ihre Augen leuchteten auf, als sie von dem Nachtisch sprach und mein Herz zieht sich krampfhaft zusammen. In diesem Moment schwor ich mir, dass ich alles in meiner Macht stehende zu würde, um Aurora zu mir zu holen.

Entschlossen schaute ich auf. Wenn dieses kleine Mädchen es geschafft hat, bei ihrem schrecklichen Vater zu überleben, dann würde ich es doch wohl schaffen, mich gegen eine aufmüpfige Schwester zu behaupten! Oder?

„Soso, Tante Keira und Onkel Sebastian… das habe ich jetzt wirklich nicht erwartet.“ Als ich zu ihr hinüber schaute, sehe ich in eine verbissene Maske, die mich mit einer unglaublich starken Welle der Genugtuung erfüllt. Sie hatte nicht gedacht, dass ich in der Lage bin, einen tollen Freund zu haben? Gut, streng genommen ist das ja nicht so, aber das weiß sie ja nicht. Ich beschloss einfach das Beste aus dieser Situation heraus zu holen.

Und das war eindeutig, nach dem Gesichtsausdruck der schrecklichen Frau mir gegenüber, mich zwar in heillose Lügen zu stürzen, aber was soll’s. Der Triumph, war mir gerade wichtiger als alles andere. „Ja, sie haben Recht, das ist er.“  Ihr Gesicht verzog sich noch ein bisschen mehr und ich setzte gleich noch einen drauf. Ich konnte mich einfach nicht bremsen. „Mein zukünftiger Ehemann, wir sind verlobt.“ Ein mentales Stirnrunzeln wurde mir von Sebastians Richtung übermittelt, aber ich ignorierte es. Schnippisch fragte sie nach: „Und wo ist dann ihr Ring?“ „Ach der…“ Mist, jetzt weiß ich wieder, warum ich nicht gern lüge. Ich bin einfach nicht geschickt genug darin.

„Der ist noch beim Juwelier. Ich musste den Ring verkleinern lassen. Wir haben ihn von meiner Großmutter überreicht bekommen, er ist schon seit vielen Jahren in unsere Familie und wird von Generation zu Generation weitergereicht.  Die gute Oma Ellen, hat eindeutig einige Kleidergrößen mehr als meine Verlobte. Aber das ist ja auch nichts, was man heutzutage nicht ändern kann.“, schaltete sich Sebastian ein.

Ich musste mich zusammenreißen, meine Mund nicht aufklappen zu lassen. Wie aalglatt er jemanden täuschen kann! Kurz schießt mir der Gedanke durch den Kopf, in was er mich noch überall getäuscht hat. In der Reaktion mir Gegenüber? War das Gerede von –dem allem- eine Lüge? Vielleicht um doch zu beweisen, das ich verrückt genug bin, an solchen Dinge zu glauben? „In vielen Dingen Schätzchen, aber nicht in denen, an die du gerade denkst. Auch habe ich dich nicht auf die traditionelle Weise angelogen. Alles was ich sagte ist wahr. Aber es gibt auch noch jede Menge Dinge, die ich dir noch nicht gesagt habe, auch Dinge, die ich lieber verschweigen wollte. Ich wollte dich ja aufklären, aber du hast mich von dir weggestoßen. Aber jetzt habe ich ja jede Menge Zeit das nachzuholen, jetzt wo wir bald heiraten.“, schickt mir Sebastian gedanklich zu. Ich kann förmlich spüren, wie ein innerliches Beben seinen Körper erfüllt. Er wird doch wohl jetzt nicht loslachen? Das würde das ganze Lügengebilde einstürzen lassen. Aber ein Blick zu Sebastian zeigt mir, dass er äußerlich vollkommen ruhig ist. Bis auf das glückliche Strahlen eine zukünftigen Ehemannes. Ist das gespielt? Oder echt?

Er wird doch wohl nicht im Ernst denken, dass ich ihn heirate? Nur um dem Giftdrachen eins auszuwischen? Auf keinen Fall. Lieber lasse ich meinen Verlobten durch einen imaginären Unfall sterben. Wie tragisch. Kurz vor der Hochzeit. So ein Pech. „Kaum hast du mir einen Antrag gemacht, da planst du schon wieder meinen Tod? Du bist verrückt. Ich glaube ich sollte mir das noch einmal mit uns beiden überlegen.“

Jetzt war ich an der Reihe, das Gesicht zu verziehen. Elender Gedankenleser. „Von wegen Antrag. Das ist Männersache. Und halte dich aus meinem Kopf raus… Schatz“, zischel ich zurück und setzte dabei die netteste Miene auf, die ich gerade zustande bringen kann. Viktoria Glanz alias Miss Perfekt bekommt davon natürlich überhaupt nichts mit. Ein Hoch auf das Gedankenlesen… Achtung hier ist Sarkasmus im Spiel! Und sogar eine gewaltige Portion davon.

„Wann ist der Termin? Das möchte ich auf gar keinen Fall verpassen!“ Als ob ich dich einladen würde. „Ich liiieebe Hochzeiten. Das ist immer so eine tolle Gelegenheit, sich herauszuputzen.“ Ja, zum Beispiel in einem schwarz-weißen Kostüm und mit einer Klobürste in der Hand, als Toilettenfrau.

„Mhhm…“, sagen Sebastian und ich gleichzeitig. Nur der Tonfall unterscheidet sich deutlich. Meines klingt eher abweisend und das meines „Zukünftigen“ belustigt. Er wird doch wohl nicht schon wieder in meinem Kopf gewesen sein? Na warte, dir werde ich schon noch zeigen, was Privatsphäre heißt!

„Oh, es ist noch kein fester Termin geplant. Wir wollten noch auf…“ UNTERSTEH DICH JETZT BABY ZU SAGEN! ICH BIN NICHT SCHWANGER!!!, schreie ich ihm mental zu. „… Keira‘s Eltern warten, um uns von ihnen noch ihren Segen geben zu lassen.“ Heftig zucke ich zusammen, versuche es aber gleich als Nieser zu tarnen. Er hat ja keine Ahnung… „Bleib ganz ruhig, ich weiß schon was ich mache. Ganz im Gegensatz zu dir- das Lügen müssen wir echt noch üben, Baby.“, antwortet seine Stimme in meinem Kopf.

„Wie romantisch! Ihr zwei seid auch wirklich zum anbeißen!“, zwitschert sie zurück. Fehlt nur noch, dass sie mir dabei in die Wange kneift und die Stimme dabei verstellt.

„Onkel Sebastian! Wie geht es jetzt meinem Papa!?“

Hallo Leute, heute mal ein nicht ganz so langes Kapitel, ich hoffe es gefällt euch trotzdem! Eigentlich wollte ich "Kaum hast du mir einen Antrag gemacht, da planst du schon wieder meinen Tod?" als Überschrift einstellen, aber die war leider zu lang :( 

Und an dieser Stelle ein Dankeschön an alle die mir Kommentare da lassen, Voten und/oder mir folgen! :* :* Wünsche allen noch einen schönen Sonntag! Vielen Dank für die Unterstützung!

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