Kapitel 12 - Ein Stück Normalität

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Heute nur was kleines. :*

Langsam nahm ich das Shampoo von der Halterung und öffnete die Flasche. Ich war so in Gedanken über das Geschehene gewesen, dass es sich so anfühlte, als hätte ich es ein zweites Mal erlebt. Leider hatte es nichts an Surrealem verloren. Die Geschehnisse waren noch immer so unglaubwürdig und verrückt, dass ich daran dachte, mich selbst einweisen zu lassen. Warum ich immer wieder an die Irrenanstalt denke? Warum ich denke, ich muss eingewiesen werden? Tja, weil ich dort schon einmal war. Aber ich wollte mich jetzt beim Besten willen nicht an das einsame Zimmer denken und die Stofffesseln, die mich ans Bett banden. Oder die Medikamente die einen total außer Gefecht setzen. Oder an die anderen Bewohner. Es ist zwar schon ziemlich lange her, dass das Geschehen ist. Hat aber absolut nichts von seinem Schrecken verloren.

Ein ziemlich undamenhaftes Geräusch kam aus meiner Flasche. Toll. Ich hatte meinen letzten Klecks Shampoo neben meine Hand gedrückt. Er ist auf meinem Fuß gelandet. „Scheiße!!“, entfuhr es mir. Wieso muss dieser Tag nur so beschissen sein? Das ist eindeutig kein gutes Omen. Seufzend bücke ich mich und schaufelte so gut es ging den Rest der Seife, der noch nicht im Rinnsal gelandet ist, auf meine Hand. Ich hatte heute eigentlich die dreifache Menge Shampoo nötig, um mich wirklich sauber zu fühlen- aber gut, besser als gar nichts. Ächzend stütze ich mich an meinen Beinen ab, um wieder in eine senkrechte Position zu kommen und mich wieder ganz unter den Strahl stellen zu können. Dieser Muskelkater wird mir wohl noch die nächsten Tage anhängen. Das wird nicht schön werden. Aber ich hatte beschlossen den heutigen Tag einfach zu ignorieren.

Es gab absolut keine komischen Geschehnisse an diesem Tag. Da war zwar ein superheißer Patient in Zimmer 232-aber er ist schwul. (Ich kann doch keine superheißen Patienten einfach so ignorieren- natürlich nur aus dem Grund weil ich ihn noch weiter behandeln muss) Da ist eine komische Frau, die ein Messer in der Schulter hatte-eingeliefert worden- sie ist definitiv crazy. Ein wirklicher Fall für die psychische Abteilung. Aber sie hat keinerlei komische Kräfte. (Nur wenn man Verrücktheit als Fähigkeit und Kraft bezeichnet) Dann noch die nette Schwester. Sie war ja so lieb und hat mir meinen ersten Tag so erleichtert. „Mmpf…“, machte ich. Also das geht nicht. Das kann ich mir echt nicht einreden. Beim besten Willen nicht! Das würde meiner selbst verdrehten Geschichte echt die Glaubhaftigkeit nehmen. Und das nur, wenn ich sie von weitem sehe. WUSCH! Das Lügengebilde stürzt in sich zusammen. Das nächste was ich für die nächste Zeit wollte war, über diese wahnsinnigen Erlebnisse nachzudenken. Und somit auch unweigerlich über meinen Geisteszustand.

Also gut. Ich denke ich hatte jetzt genug Wasser. Sollte jemand weiß kriegen, dass ich stundenlang unter der Dusche stehe und mich nur berieseln lasse, darf ich für die nächste Wasserrechnung aufkommen. Schnell drehte ich den Hahn zu, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Kurz darauf hatte ich mich angezogen und wollte schon gehen, als mir ein kleiner Zettel entgegengeflogen kam.

Sie haben den nächsten Tag frei. Ruhen Sie sich aus.

Dr. Fischer

Mehr nicht. Aber das reichte schon aus um mich etwas glücklicher zu stimmen. Ich wollte gerade nichts lieber hören als das-okay ich hätte mich natürlich noch mehr gefreut, wenn ich die nächsten drei Tage freibekommen hätte aber gut- ich will ja auch nicht in der ersten Woche mit Abwesenheit glänzen. Das würde den Klatschtanten - oder besser den Klatschschwestern noch mehr Grund für Spekulationen geben.

Schnell zog ich meine Jacke an und war unendlich froh,  wenigstens zwei meiner drei Wunden verstecken zu können. Ich strich meinen Jackenärmel glatt- frei nach dem Motto: wenn ich die Bisswunde nicht sehen kann, dann gibt es sie auch nicht. Meine zweite Verletzung am Kopf war die einzige, die frei lag. Aber diese ist ja auch natürlich entstanden. Die kratze mich im Moment am wenigsten. Die dritte…Ich musste den Impuls unterdrücken, zum Spiegel zu gehen und die Wunde an meiner Brust zu begutachten. Als hätte sie gemerkt, dass ich an sie denke, fing sie an zu pochen. Merkwürdig.

Schnell verließ ich das Krankenhaus. Die frische Luft tat mir ebenso gut wie die Sonnenstrahlen. Sie gaben mir wieder ein bisschen Gefühl der Normalität zurück. Ein Gefühl, dass ich eigentlich bis gestern immer da war, es aber nie wertgeschätzt hatte. Jetzt schon. Und wie. Meine Füße liefen wie von selbst zum Parkplatz. Als ich meinen grünen Nissan sehen konnte, kramte ich meinen Schlüssel aus der Tasche. Er war zum Glück dieses Mal an seinem Platz in der Seitentasche geblieben und ist nicht wie sonst in den großen Innenraum gefallen. Das ersparte mir eine Menge suchen. Danke Gott, du bist heute zu gut zu mir! , dachte ich sarkastisch. Ich drückte auf die Bedienung und ließ mich auf den Sitz fallen. Leider hatte ich meinen Kopf nicht weit genug eingezogen, sodass mein bereits lädierter Kopf gegen den Rahmen stieß. Danke, dass war die Strafe für meinen Sarkasmus! Ich hab‘s verstanden. Jetzt ab nach Hause. Eine ziemlich große Mütze voll Schlaf konnte ich jetzt gut gebrauchen.

The HospitalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt