18 Kapitel

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Samantha P.o.V.

Harry wartete geduldig bis ich meinen Zettel geschrieben hatte. „Ich glaube, mein bester Geburtstag war mein fünfter Geburtstag." Neugierig neigte er seinen Kopf. „Warum war es dein bester Geburtstag?" Seine Augen durchbohrten mich förmlich, während ich seinem intensiven Blick auswich. „Keine Ahnung?" Verwirrt warf er seine Hände in die Luft, lachte auf und sah mich kopfschüttelnd an. „Keine Ahnung? Woher weißt du dann, dass er dein bester Geburtstag war?" „Ich kann mich nicht mehr an den Tag erinnern, aber es war der letzte Geburtstag mit meiner Mum. Danach war sie zu krank und konnte nicht mitfeiern. Außerdem sehe ich auf den Bildern glücklich aus." Wenig begeistert über das ganze Ausfragen, zeigte ich ihm meinen Zettel. Eine tiefe Falte bildete sich auf seiner Stirn. „Oh, dass wusste ich nicht. Das mit deiner Mum tut mir leid. Lebt sie noch?" Ich schüttelte den Kopf, woraufhin er sich auf die Unterlippe biss und schwieg. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen uns aus. Meine Lippe fing bereits an zu bluten, so sehr knabberte ich auf ihr rum, als er dann enthusiastisch in die Hände klatsche und das Thema wechselte. „Naja, jetzt bin ich dran!"

Voller Motivation klatschte er in die Hände und rutschte auf seinem Platz hin und her. Seine Energie quoll quasi über, so voller Tatendrang war er.
„Mein bester Geburtstag war mein elfter. Stolze Elf Jahre bin ich damals alt geworden. Ich hatte die läppische Zehn besiegt und war unschlagbare elf Jahre alt. Das waren ungefähr meine Gedanken." Er grinste mich euphorisch an, woraufhin ich auch lächeln musste. Kurz, aber immerhin. Seine Augen funkelten um die Wette, als er fortfuhr: „Seit langem hatte ich mal wieder eine Torte bekommen. Eine Schokoladentorte mit einem Superman drauf. Obergeil sag ich dir. Und ich bekam das tollste Geschenk überhaupt: Geld für zwei Kinokarten. Die Karten habe ich immer noch! Ich durfte mir eine Person einer Wahl aussuchen und mit ihr, und meiner Mutter, mir einen Film meiner Wahl anschauen. Natürlich fiel meine Wahl auf den neuen Marvel Film. Und weil ich so toll war, habe ich damals meinen kleinen Bruder mitgenommen. Man. Das war so ein geiler Tag!"
In Erinnerung schwelgend lächelte er mich an. Unsicher lächelte ich zurück. Kurz sahen wir uns schweigend an, dann schoben sich halbnackte Beine in mein Blickfeld und zerstörte unsere Gedanken. „Seid ihr etwa schon fertig", fragte Lisa neugierig und hockte sich umständlich neben uns. Tja, enge Röcke waren eben scheiße. Missmutig nickte ich, während mein Partner kurz und knapp unsere Psychotante abwimmelte. Durch sein, zu uns anderen vergleichbar hohes, Alter, schien die Blondine nicht wirklich zu wissen, wie sie mit ihm umzugehen hatte. Also ließ sie sich von seinen groben Worten einschüchtern und verließ mit trippelnden Schritten unseren kleinen heiligen Ort.
Jämmerlich.
Nachdenklich beobachtete ich sie. Warum sie wohl diesen Job gewählt hatte? Wie alt sie wohl war? Was hatte sie erlebt? Fragen über Fragen tauchten in meinem Kopf auf.

„So, und nun zu dir, meine Hübsche." Harry wandte sich nun wieder mir zu. Seine Augen funkelten, während er mich von oben bis unten musterte. „Unser Biest meinte, du wärst schwanger. Kannst du etwa nicht verhüten?" Sein Gesicht hatte einen anderen Zug angenommen. Aus dem verspielten Jungen war ein hinterhältiger Jäger geworden. In seinen dunklen Augen war ein lauernder Schatten aufgetaucht, während er nachdenklich seine Lippen schürzte. „Wenn ich mich richtig erinnere, hatte dein Daddy ja ordentlich Kohle angeschafft. Das steht dir ja nun zur Verfügung. Und mit dem ganzen Geld konntest du dir weder die Pille noch ein Kondom leisten?"

Bevor er weitersprechen konnte, schellte meine Hand vor. Es knallte einmal, dann löste ich meine Hand schnell von seiner Wange. Sein Mund formten sich zu einem „O", doch kein Laut verließ seine Lippen. In Endlosschleife hallte der Schall immer wieder im Raum wieder. Alle Köpfe drehten sich zu uns um. Jeder erfasste in Sekundenschnelle das Bild. Harry saß mit eine roten Wange vor mir, während ich sicher wie eine Furie aussah. Total in Panik sah ich immer wieder von rechts nach links. Mein gesundes Auge zuckte unaufhörlich, während ich bei jedem Atemzug von Harry, welchen ich nur auf den Augenwinkeln wahrnahm, zusammen zuckte. Auf Josefines Gesicht schlich sich ein erfreutes Lächeln.
Bitch.
Sie schien nur auf einen Fehltritt meinerseits gewartet zuhaben. Leicht atemlos schaute ich unsere Therapeutin an, welche mit hektischen Schritten auf uns zu hetzte. „Samantha! Ich würde gerne mit dir reden. Sofort!" Ihre Stimme klang kalt und unnachgiebig. Seufzend erhob ich mich, umklammerte meine Habseligkeiten und folgte ihr unsicher. „Jetzt kriegst du richtig Ärger", lächelte der Teufel unter uns. „Josefine! Es reicht. Mit dir werde ich gleich danach ein ernstes Wort reden", bellte Lisa. Ihre Unsicherheit hatte sie abgelegt. Nun war sie knallhart und scheute sich nicht davor uns zurechtzuweisen.
Tja, auch Karma ist eine Bitch. Und jeder bekommt das, was er verdient.

Kaum schloss sich die Tür zum Nebenraum zuckte ich zusammen und schaute sie an, als sei sie die Schlange und ich das Kaninchen. Ich fühlte mich eingeengt. Sichtlich mitgenommen lehnte sich Lisa an den Tisch und massierte sich die Stirn. „Weißt du Samantha. Ich will dich nicht belehren oder so. Ich kenne die Bande da drin sehr gut und kann mir meinen Teil denken, aber Gewalt war nie eine Lösung."
So viel zum Thema keine Belehrung.
Ihre sanfte Stimme versuchte an meinem Gewissen zu appellieren, doch es gelang ihr nicht. Im Anbetracht meiner Tat, fühlte ich mich gut. Sehr gut sogar. Ich hatte mich endlich was getraut.
„Harry ist nicht einfach, aber er hat einen weichen Kern. Er hat sicher das Gesagte nicht ernst gemeint. Ich bitte dich, entschuldige dich bei ihm." Dies war keine Bitte, es war ein Befehl. Und ich hatte so meine Probleme mit Befehlen von gewissen Personen.

Als wir den Raum betraten, hatte sich die ganze Gruppe schon um Harry herum versammelt, wie um die neuste Attraktion im Zirkus. Ihr Getuschel hallte im Raum wieder, doch es waren zu viele Stimmen auf einmal. Erst als die Tür ins Schloss fiel, stoben sie auseinander. Josefine ging sofort auf Lisa zu, wobei sie mich auch noch anrempelte.
Bitch.
Meine Füße trugen mich wie von alleine zu Harry. Sofort verließen die Ratten das sinkende Schiff, denn die anderen hechteten unter dem wachsamen Blick von Lisa zu ihren ursprünglichen Plätzen zurück. Harry erhob sich und kam unsicher auf mich zu. Ehe ich es mich versah, gab ich ihm eine erneute Backpfeife. Diesmal auf die andere Wange.
Ein Glück war Lisa schon raus.
Doch statt erbost darüber zu sein, fasste der große Junge sich an die Wange und bewegte seinen Kiefer umständlich. „Ich schätze, dass habe ich verdient", stellte er intelligent wie er war fest. Seine Hand bewegte sich auf mich zu, woraufhin ich panisch zurücksprang. Kurz sah er mich erstaunt an, dann wanderte sein Blick auf seine Hand. „Frieden?"
Peinlich.
Er wollte mir bloß die Hand geben. Da ich aber noch nie jemanden geschlagen hatte, wusste ich nicht damit umzugehen.  Umständlich reichte ich ihm meine Hand, entzog sie aber sofort seinem Griff. Berührungen waren definitiv nicht meins.

Broken InsideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt