56 Kapitel

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Lucas P.o.V.

Ihre Nachricht kam relativ unerwartet. Seit unserem Besuch in England herrschte Funkstille zwischen uns auf WhatsApp, ab und an trudelte mal ein Snap ein, aber das war es auch schon. Zu ihrer Verteidigung: Ich hatte ihr auch nicht geschrieben. Ein bisschen war ich es leid, ihr andauernd hinterherrennen zu müssen, aber ich wollte ihr auch den Raum geben, den sie brauchte. Heute, am 10.01, kam die Nachricht. Ein simples „Hi" prangte unter ihrem Namen in meinen Mitteilungen. Keine Ahnung wie spät es bei ihr war, aber ich saß in der Schule und konnte nicht antworten.
Na gut, wenn ich ehrlich war, wollte ich nicht sofort antworten. Nicht, dass ich noch verzweifelt wirkte. Leider schaute Grace in dem Moment über meine Schulter. „Du hast eine Nachricht", zischte sie in mein Ohr. Warum saß das Mädchen nochmal direkt hinter mir? „Warum ließt du sie nicht? Du hast dein Handy doch eh in der Hand!" Aja, genau. Um mich zu nerven und mir mein Leben zur Hölle zu machen.
„Ja, weil ich ein Spiel spiele und nicht um auf WhatsApp zu gehen", wisperte ich genervt zurück und sah zu wie ich bei Doodle Jump abstürzte. „Danke übrigens. Nun konnte ich meinen Rekord nicht knacken." Genervt schloss ich das Spiel und schob mein Handy demonstrativ in meine vordere Hosentasche. Dann rutschte ich tiefer auf meinen Stuhl und versuchte die nervige Brünette auszublenden. Missbilligend erklang ihr Schnalzen an meinem rechten Ohr. „Wieso antwortest du ihr nicht?" Genervt schielte ich nach vorne, doch unser Lehrer schrieb gerade hochkonzentriert einen Zeitstrahl an die Tafel. Der bekam eh nichts mit. Ich persönlich bekam auch nichts von seinem Unterricht mit, aber das war ja eine andere Sache. Schließlich war ich der Schüler und durfte somit unaufmerksam sein. Er als Lehrer sollte alles mitkriegen. Leider war in dem Aufmerksamkeitsradius unseres Lehrers nur die erste Reihe und seine heilige Tafel vorhanden. Der Rest war irgendwo in der Peripherie seiner begrenzten Wahrnehmung und somit nicht vorhanden.

„Grace, sei still", zischte ich sie leise an. „Ich will aufpassen!" Amüsiert lachte sie so laut auf, dass sich einige Schüler mit müden Blick zu uns umdrehten. Anscheinend erhofften sie sich bei uns eine spannende Show. Mein erzürnter Blick ließ sie allerdings wieder nach vorne schauen. Einige widmeten sich wieder ihrem Smartphone, andere schliefen weiter. „Das sagt der Junge, der durchgehend am Handy ist. Was ist denn das Thema gerade", fragte sie leicht süffisant. Ihr diabolisches Lächeln war buchstäblich rauszuhören. Fick dich Grace, schoss es mir durch den Kopf. Angestrengt nachdenkend rutschte ich auf meinem Suhl umher und sah verzweifelt an die Tafel. Der Zeitstrahl hätte allerdings auch auf Chinesisch geschrieben sein können, da ich weder mit den Daten noch mit dem Zeitraum was anfangen konnte. Leider hatte er noch keine Ereignisse hinzu geschrieben, sonst hätte ich mich daran orientieren können. „Weltkrieg?" Ein unterdrücktes Lachen war die Antwort. Also das Thema war es wohl nicht. Mein Gott. Ich dachte, dass wäre ein typisches Thema für Geschichte. Aufpassen in Geschichte war noch nie so meins gewesen. Genauso wie das Aufpassen in der Schule generell. „Mittelalter?" „Das Mittelalter war ein paar Jährchen früher, aber ok." Ihre Haare kitzelten mich im Nacken und verhinderten, dass mein unmotiviertes Gehirn sich weiter anstrengte. Geschlagen schlug ich die Hände auf den Schoß und neigte den Kopf zu ihr, so dass ich ihr kurz in ihr hässlich triumphierend grinsendes Gesicht schauen konnte. „Na los. Sag was wir gerade machen. Du scheinst es ja zu wissen", seufzte ich und wandte den Blick wieder nach vorne. Grace beugte sich noch weiter über ihren Tisch, so dass ihr Gesicht jetzt neben meinem war. „Kennedy", hauchte sie in mein Ohr. „Oh, also doch nicht das Mittelalter." „Knapp daneben ist auch vorbei. Aber hey, hättest du die Überschrift gelesen, hättest du es vielleicht gewusst", meinte sie leichthin. Besänftigend klopfte sie mir auf die Schulter. In dem Moment drehte sich unser Lehrer um und schaute natürlich uns direkt an. „Wollen Sie nicht Ihre Energie dafür verwenden, die Ereignisse zu den Daten hinzuschreiben? Oder störe ich Sie bei etwas?" Leises Gelächter drang durch die Klasse, doch ein Blick von mir reichte um sie zum Schweigen zu bringen. Charmant grinsend schlang Grace beide Arme um mich und legte ihr Kinn auf meine Schulter. Verwirrt schaute ich sie an. „Aber nein Mr. Barns. Wenn es Ihr ausdrücklicher Wunsch ist, lasse ich selbstverständlich die Finger von Lucas. Aber Sie müssen wissen, dass es mir extrem schwer fallen wird", gurrte sie, wobei ihre Stimme einen sehnsuchtsvollen und trauernden Klang annahm. Ihre Finger wanderten leicht über meinen Brustkorb. Bevor sie sich aber weiter in ihre Show reinsteigern konnte, ergriff ich ihre Hände, löste sie von mir und schubste sie zurück auf ihren Platz. Mit einem dumpfen Knall flog sie zurück auf ihren Stuhl und wäre fast hintenüber gekippt. „Mr. Night. War das jetzt echt nötig?" Genervt sah mein Lehrer mich an. Respekt. Er wusste meinen Namen. Ich wusste seinen bis eben nicht. „Wir können auch weiter machen", schlug Grace an meiner Stelle vor. „Gut, aber dann gehen Sie bitte vor die Tür." Anscheinend dachte unser armer Lehrer wir würden aufhören, aber er war auch neu. Er kannte Grace nicht. Sie erhob sich schwungvoll, ergriff meinen Arm und zerrte mich hoch. „Komm mit mein Luci-Puci. Ich brauch und will dich", säuselte sie und ehe ich es mich versah, war ich draußen.

„Grace, du ruinierst meinen Ruf", klagte ich nach dem Schließen der Tür und sah sie wehleidig an. Ein Wirbel aus Haaren, Nikotingestank und Energie drückte mich rasant gegen Wand. Wie konnte so ein kleines zierliches Wesen so viel Kraft haben? „Man braucht einen Ruf um diesen ruinieren zu können", kommentierte sie trocken. Bevor ich protestieren konnte, schaute sie zu mir herauf und klimperte mit ihren Wimpern. Angespannt hielt ich die Luft an, als sie meinem Gesicht immer näher kam. Ihre Zunge glitt über ihre roten Lippen, während ihre Hände an meinem Oberkörper runter wanderten. „Grace...", fing ich an mich ihrem Bann zu widersetzen, doch sie brachte mich mit einem fordernden Blick zum Schweigen. Schwer schluckte ich als ihre Finger an meinem Hosenbund ankamen. Langsam wanderten ihre Finger umher, bis sie auf einmal triumphierend aufschrie und mit meinem Handy in der Hand zurücksprang. Auffordernd hielt sie es mir hin. „Du antwortest ihr, jetzt! Oder ich erzähle Diego, dass wir Sex hatten."

Broken InsideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt