65 Kapitel

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Samantha P.o.V.

Stumm wie ein Fisch saß ich am Esstisch und pickte mir wie ein Spatz einzelne Nudel auf meine Gabel, nur um sie dann in Zeitlupe zu meinem Mund zu führen. Damon und Bastian saßen sich gegenüber, genau wie Sonja und ich. Ich glaube, Basti hat sie als Unterstützung rangeschafft, doch sie fühlte sich genauso fehl am Platz wie ich. Während ich das Essen am liebsten verweigern würde, aß sie in Rekordgeschwindigkeit und hielt ihren Mund immer voll. Schnell erkannte ich den Vorteil, da sie bei Fragen nur entschuldigend kauen musste und somit um eine Antwort herum kam. Wie zwei pubertierende Teenager starrten sich die Jungs wütend an und schienen sich in jeder kleinsten Handlung übertrumpfen zu müssen. Wenn der eine von seiner schweren Klausur erzählte, musste er andere von einer noch schwereren Klausur erzählen.
Anstrengend.
Nachdem ich meine Portion mit Müh und Not zur Hälfte geschafft hatte, legte ich die Gabel nieder und trank was. Sonja sah mich flehend an, doch ich würde einen Teufel tun und irgendwas sagen, was die Situation entspannen könnte. Mein Plan war ein anderer. Meine eine Hand ruhte schon eine ganze Weile auf meinem Bauch und nun krampfte ich mich gespielt zusammen. Sofort hielten alle inne. „Alles in Ordnung, Sammy", fragte mein Bruder besorgt. Seine besorgte Art konnte er sich getrost in den Allerwertesten schieben. Das glaubte ihm vielleicht Sonja, aber ich ganz bestimmt nicht. „Hast du Bauchschmerzen", ging Damon sachlicher ran, woraufhin Basti giftig reagierte: „Das siehst du doch wohl oder bist du blind." „Jungs, entspannt euch. Das hilft auch nicht", versuchte Sonja die Lage zu entspannen. „Nur halb so blind wie du", schoss Damon zurück. Bevor mein toller Bruder was erwidern konnte, hob ich besänftigend eine Hand. „Alles gut", wisperte ich und bemühte mich um eine leidvolle Mimik. Das fiel mir ein Glück nicht schwer. „Ich habe nur seit gestern meine Tage und leider kommen gerade die Unterleibschmerzen. Wäre es in Ordnung wenn ich mich kurz hinlege und ein Wärmekissen auf meinen Bauch lege? Ich möchte ungern eine Schmerztablette nehmen", ergänzte ich und ließ eine Träne aus meinem Auge gleiten. Sofort saßen die Jungs stramm auf ihren Stühlen und sahen verlegen drein. Wer hätte gedacht, dass die harten Männer so leicht aus dem Konzept zu bringen waren?
„Ja Ähm klar. Brauchst du noch irgendwas", stotterte Damon, welcher sich zur erst gefangen hatte. Dabei müsste er als Medizinstudent deutlich mehr abkönnen als mein ehrenwerter Bruder. Aber gut, es waren schließlich beides Männer. Da konnte man eh nicht viel erwarten. Schnell stand ich auf und hastete steif aus der Küche raus. In dem Moment, wo ich die Tür schloss, hörte ich Sonja wütend die Jungs angiften. „Mein Gott, führt euch nicht so wie Kinder auf. Das ist ja schrecklich mit euch. Und zwar mit euch beiden!"
Gib's ihnen Mädel, aber pass auf das du das einzig Harte bleibst.
Bei den schwanzgesteuerten Idioten weiß man ja nie.

In meinem Zimmer angekommen, kroch ich glücklich unter meine Bettdecke. Wie ich unangenehmen Situationen entkommen konnte, hatte ich gelernt. Außerdem hatte mich das Telefonat mit Lucas auf seltsame Art beflügelt. Seine Worte hatten mir auf irgendeine Art und Weise Mut gemacht. Mein innerer Schweinehund hatte seine Krone gerichtet und war nun fleißig dabei, die Scherben mit Panzertape zu kleben. Da ich tatsächlich meine Tage hatte, aber natürlich keine Schmerzen mich quälten, nahm ich mein Wärmekissen und schaltete es an. Kurz sortierte ich das Kabel, dann legte ich es mir auf den Bauch und seufzte wohlig auf. Einen kurzen Augenblick genoss ich mit geschlossenen Augen die wohltuende Wärme, welche sich in meinem Körper ausbreitete und meine Angespanntheit ein Stück weit vertrieb. Dieser Zustand hielt so lange an, bis die Tür geöffnet wurde. Sofort schnellte ich hoch und war wieder zurück in Alarmbereitschaft. Sonjas Kopf erschien als erstes. „Darf ich reinkommen?"
Du bist doch schon drinnen.
Skeptisch schaute ich sie an, verbat es ihr aber nicht. Sorgfältig schloss sie die Tür und kam zu mir ans Bett. So ergriff den Stuhl und stellte ihn daneben, dann setzte sie sich hin. „Wie geht es dir?" Nett lächelte sie mich an. Leicht panisch richtete ich mich weiter auf und lehnte mich an die Wand, sodass ich ihr direkt gegenüber saß. Ich hasste Nähe nach wie vor und von Fremden in meiner Nähe hielt ich absolut gar nichts. „Besser", erwiderte ich knapp. Sie lächelte weiter. Entweder war ihr Lächeln ihr festgewachsen oder sie war tatsächlich ein netter Mensch. Beides wäre mir ziemlich suspekt. „Das freut mich." Kurz schwiegen wir uns an, dann lachte sie nervös auf. „Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht stören, aber in der Küche wurde es mir zu anstrengend. Ich wünschte, ich hätte die Idee mit den Schmerzen gehabt", sie zwinkerte mir zu. Ich schluckte. Anscheinend war ich nicht so unauffällig wie gedacht gewesen. „Keine Angst, die Dummköpfe merken das eh nicht. Die sind zu sehr mit ihrem eigenen Ego beschäftigt." Ich nickte leicht und lächelte gequält.
Was wollte sie von mir?
„Weißt du, warum sie so streiten? Die waren früher nämlich immer unzertrennlich", begann sie leichthin. Falls sie hören wollte, ob ich Stellung nehmen würde, konnte sie das schon mal getrost vergessen. Arglos schüttelte ich den Kopf und zuckte mit den Schultern. Von mir würde sie nichts erfahren. „Ach. Schade. Ich hatte gehofft, du hättest vielleicht was mitbekommen. Schließlich wohnst du ja auch hier", redete sie unbekümmert weiter. Misstrauisch beobachtete ich sie aus dem Augenwinkel. Entweder war sie eine Meisterin der Manipulation oder sie hatte wirklich keinen Plan. Allerdings bezweifelte ich das stark. „Wie gesagt", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich habe keine Ahnung. Die benehmen sich seit Tagen so komisch. Nicht gerade geil", schob ich hinterher und sah sie aus großen Augen an. Mein Blick schweifte kurz von ihrem Finger mit dem Ring zu ihrem Gesicht. Nun lachte sie kopfschüttelnd auf. „Das kann ich mir vorstellen. Alleine das Essen eben war ja schon eine Qual. Respekt, dass du noch nicht wahnsinnig geworden bist." Kurz riss sie die Augen auf. Schnell versuchte sie ihre Reaktion zu überspielen, doch ich hatte ihre Worte sowohl gehört als auch ihre Mimik gesehen. Süffisant lächelnd sah ich sie mit schief gelegtem Kopf an. „Keine Angst. Das bin ich doch eh schon fast."

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