50 Kapitel

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Samantha P.o.V.

„Was", quietschte Lily begeistert auf, sprang einmal hoch und klatschte in die Hände. „Woher? Ich will Details wissen! SOFORT." Aufgeregt sah sie uns an und witterte eine gute Story, welche den Abend wohlmöglich spannender machen würde. Anschein ne erhoffte sie sich irgendeine verbotene Romanze. Jo und Jackson dagegen sahen dem ganzen gelassen entgegen. „Wahrscheinlich ist das so eine, wir-haben-uns-zufällig-mal-im-Park-getroffen-und-sind-wieder-weggegangen-Geschichte oder", fragte Jo gelangweilt. Harry fuhr sich durch seine Locken, zwinkerte mir mit einem frechen zweideutigen Grinsen zu und schritt dann ganz entspannt in die Küche. „O mein Gott", hauchte Lily kurz vor der Ohnmacht und sah zwischen Harrys Rücken und mir hin und her. Sie schien in dieser Geste viel mehr zu sehen, als es eigentlich gab. „Entspann dich Lily. Einatmend, ausatmen. Er verarscht dich nur", erklärte Jackson mit seiner ruhigen Art. Ich stand da wie erstarrt.
Einatmen, ausatmen.
Das durfte doch nicht wahr sein. Wieso nur ausgerechnet ich? Und wieso musste Harry meine Unsicherheit ausnutzen?
Arschloch.
Ich war so froh gewesen, etwas Ruhe vor dieser Gruppe gehabt zu haben. Anscheinend meinte es mein Schicksal einfach mi hat gut mit mir.

Leise folgten wir dem großen Typen in die Küche, wo er sich am Kühlschrank zu schaffen machte. „Sag mal Cousinchen. Habt ihr auch noch was vernünftiges zu essen", fragte er mit vollem Mund und drehte sich schmatzend zu uns um. „Zufälliger Weise füttern wir hier keine Schweine durch. Also nein", erwiderte Lily leicht pikiert. Wortlos reichte ich dem menschlichen Schwein vor uns ein Haushaltspapier, damit er sich die Nutellareste von seinem Mund entfernen konnte. Grinsend zeigte er uns seine Schokoladen Zähne, wischte sich den Mund ab und suchte sich die nächsten essbaren Sachen. Kopfschüttelnd ließ ich ihn und die schimpfende Lily zurück in der Küche. Das würde mir eindeutig zu viel. Jackson und Jo sahen sich kurz an, dann folgte Jackson mir. „Woher kennt ihr euch", fragte er neugierig, aber nicht allzu aufdringlich. Seufzend ließ ich mich aufs Sofa fallen, griff nach meinem Colaglas und trank es leer.
Schade, dass da nur Cola drin ist.
„Therapie", nuschelte ich in meinen nicht vorhanden Bart rein. Ruhig reichte er mir die Chips, setzte sich mit großen Abstand hin und begann einfach zu reden. Das mochte ich an den Dreien so gerne: Jeder war auf seine Art fantastisch. So theatralisch und dramatisch wie Lily war, so ruhig und besonnen war Jackson. Jo war der Witzbold der Clique. Sie waren so verschieden und doch so gute Freunde.
Ich werde sie vermissen.
„Weißt du? Harry hat früher Lily immer total geärgert. Und sie hat ihm immer Streiche gespielt. Das waren schöne alte Zeiten, aber leider ändert die Zeit eine Menge. Ich habe ihn ewig nicht gesehen. Nicht seit....ach egal. Lily hatte ihn auch das letzte Mal vor Monaten gesehen. Und dann ist er vor ein paar Wochen hier aufgekreuzt, einfach so. Puff war er da. Und irgendwie ist alles wie früher, aber irgendwie auch nicht. Verstehst du was ich meine?" Leicht verzweifelt fuhr er sich durch die Haare, sah mich leidend an und wartete auf meine Antwort. In meinem Kopf ratterte es. Ich war schlecht in sowas. Probleme waren für mich nur da um vor ihnen wegzurennen. Sie zu lösen oder über sie zu reden, war nichts für mich. Und trotzdem wollte der große Junge mit den Teddyaugen nun mit mir über seine Probleme reden.
Als hätte ich selbst nicht genügend.
„Ist doch schön das er wieder da ist, oder?" Unsicher lächelnd sah ich ihn an. „Ja, ja. Aber weißt du. Wir haben früher viel zusammen gemacht. Sehr sehr viel. Uns vier gab es nur zu viert. Nie alleine. Und dann waren wir ein Trio. Erst war es komisch, doch dann hat man sich dran gewöhnt. Wir haben neue Freunde kennengelernt, aber es gab trotzdem noch uns. Und dann taucht er wieder auf, will das alles wie früher ist, doch das ist es nicht!"

Aus der Küche drang Lily Gekeife und Harrys Gelächter. Anscheinend kombinierte er gerade Leberwurst und Nutella auf einem Brot. Armer Jo. Er musste das Chaos ertragen.
Und trotzdem schienen die beiden in der Küche gut mit Harrys Ankunft klar zu kommen. Nur Jackson nicht.
„Weißt du, so wie früher wird es nicht. Früher ist früher. Heute ist heute. Was damals war kann euch keiner nehmen, es sind Erinnerungen. Aber ihr könnt an diese anknüpfen. Es wird nicht wie damals, aber vielleicht anders, besser anders."
Jackson sah mich kurz erstaunt an. So viele Worte hatte er noch nie von mir gehört. Und dennoch schienen sie ihren Zweck nicht zu erfüllen. Er sah keineswegs getröstet oder beruhigt aus. „Ich will nicht, das es anders wird", gestand er mir zähneknirschend. Am liebsten würde ich ihm sagen, dass ich ihm nicht helfen könne. Aber ich war lieb, verkniff mir die bissige Bemerkung, so wie ich es früher schon immer getan habe und sah ihn mit schief gelegtem Kopf nachdenklich an.
Menschen zu lesen, ihre Gefühle zu erkennen, war nicht schwer. Vor allem, wenn man jahrelang seine eigenen Gefühle versteckt und die der anderen kopiert hatte. „Kann es vielleicht sein, dass du einfach nur ein Problem damit hast, dass Harry wieder da ist", fragte ich sanft. Nun sah er mich kurz verwirrt an, dann sackte er in sich zusammen. „Es war so viel einfacher, als er weg war." „Klar, wenn das Problem aus der Sichtweite ist, kann man die Gefühle viel leichter unterdrücken oder sogar für einen Augenblick vergessen."

Broken InsideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt