53 Kapitel

6.2K 274 12
                                    

Lucas P.o.V.

Kennt ihr dieses Gefühl des Stillstandes? Man durchlebt jeden Tag das gleiche Chaos. Man beantwortet jeden Tag die gleichen gottverdammten Fragen und man macht jeden Tag den gleichen Mist. Aufstehen, Schule, Freizeit, schlafen. Jeden Tag dreht sich die Erde gleich und man kann nichts tun um aus diesem Hamsterrad zu entkommen. Gar nichts.  Man steckt in diesem Kreislauf der Verdammnis fest und hat keine Chance auf einen Ausweg. Jeden Morgen denkt man, dass heute ein neuer und besserer Tag werden würde, aber im Endeffekt ändert sich nichts.

Heute war wieder so ein Tag. Es war ein öder Samstag. Ein Samstag, der einfach nicht enden wollte. Nach dem Ausschlafen und frühstücken hatte ich mich wieder in mein Bett zurückgezogen und seitdem hatte ich mich nicht mehr erhoben. Das einzige spannende an diesem Tag waren die zwei Spinnen an der Decke. Ich nannte sie Muria und James und sie waren genau wie ich: Faul und unmotiviert. Ich meine, es war schon halb fünf nachmittags und weder sie noch ich hatten sich bewegt. Es könnte natürlich auch sein, dass die beiden einfach nur Fussel oder Dreck waren, denn bewegt hatte sich keine von den beiden. Ehrlich gesagt wollte ich es aber auch nicht herausfinden. Spinnen waren Ausgeburten der Hölle. Wäre jetzt irgendein Mädchen hier im Zimmer, müsste ich meine Eier in die Hand nehmen und meinen Mut beweisen um sie zu entfernen. Doch es war kein Mädchen hier und somit konnte ich einen sicheren Abstand halten. Angst hatte ich selbstverständlich keine, ich mochte die Tiere einfach nicht.
Natürlich könnte ich auch was lesen, aber waren wir mal ehrlich: Bücher besitzen Buchstaben und Wörter. Das alleine ist dann schon schlimm, aber wenn diese Dinger dann auch noch Sätze bildeten, dann war es eindeutig vorbei. Ein Buch ohne Bilder war einfach nur traurig. Traurig war auch das Fernsehprogramm heute. Im ganzen Land lief heute nur Schwachsinn. Purer sinnloser Käse. Und da mein Gehirn eh schon nicht das schlauste aktuell war, musste ich es nicht noch weiter verblöden.
Als letzten Ausweg könnte ich irgendwas spielen. Computer oder PS4. Zur Not hätte ich auch noch meinen alten Nintendo. Ob meine Stadt bei Animal Crossing inzwischen vom Unkraut beherrscht wurde? Lebten meine Hunde noch? Was machten meine Pokemon? So viele Fragen und doch hatte ich keine Lust die Antwort herauszufinden. Dafür müsste ich mich ja bewegen.

Die Klingel riss mich aus meinem produktiven Nichtstun. Da ich heute das Haus für mich alleine hatte, war ich sogar gütig und verließ mein heiliges Bett. Ganz gemütlich dackelte ich die Treppe runter. Vielleicht war ich etwas langsam, denn die Person vor der Tür klingelte gleich noch einmal. In aller Ruhe öffnete ich die Tür. „Was?" Genervt starrte ich raus. „Oh gut, du bist Zuhause. Ich habe beschlossen heute hier zu übernachten." Mit diesen Worten stiefelte eine Wolke aus Rauch und Deo in mein Haus. Angewidert verzog ich das Gesicht. „Erstmal hallo Grace. Schön dich wiederzusehen. Wie geht es dir denn so", fragte ich genervt und schloss die Tür hinter ihr. Sie machte eine abfällige Handbewegung. Anscheinend hatte sie gute Laune. „Du hast mich nicht gegrüßt, also musste ich dich auch nicht grüßen." Während sie mir ihre Gedankengänge offenbarte, kickte sie ihre dreckigen Stiefel in die Ecke des Flures und sah mich kritisch an. „Öffnest du jedem deiner Besucher halbnackt die Tür?" Mit schief gelegtem Kopf musterte sie mich. „Hä?" Mein schläfriges Gehirn brachte meine heutige Denkleistung sehr gut auf dem Punkt. „Hä", äffte sie mich amüsiert nach und kam zwei Schritte auf mich zu. Langsam hob sie ihre freie Hand und legte sie auf meine Brust. Ihre braunen Augen musterte mein Gesicht aufmerksam. „Ich habe dich gefragt, ob du immer halbnackt die Tür öffnest", wiederholte sie mit ihrer leicht rauchigen Stimme ihre Frage und ließ ihre kalte Hand langsam von meiner nackten Brust über mein inzwischen angespanntes Sixpack gleiten. „Denn wenn ja, komme ich die gerne öfters besuchen." Sie zwinkerte mir einmal kokett zu, dann drehte sie sich schwungvoll um und stiefelte Richtung Küche. Meine Gedanken spielten total verrückt. Nachdem ich kurz durchgeatmet hatte, schüttelte ich mich. „Gott sind deine Hände kalt", stöhnte ich und folgte ihr missmutig. „Und nein, nur besonders wichtige Menschen bekommen mich so zu sehen. Also der Postbote, der Pizzabote und manchmal auch mein alter Nachbar, wenn er seine Post abholt." Lachend ließ sie ihre volle Tasche fallen und bediente sich in aller Seelenruhe am Kühlschrank. „Also Grace, was treibt dich heute in meine bescheidene Stube?" Fragend sah ich sie an und lehnte mich an unseren Tisch.

Theatralisch stellte sie ihr Saftglas ab und fasste sich ans Herz. „Weißt du. Heute morgen bin ich aufgewacht und dachte mir: Weißt du was Grace. Du hast ewig nicht den Luxus gehabt Lucas in Boxershorts zu bewundern. Warum erfüllst du dir diesen Wunsch nicht gleich heute? Und das habe ich gemacht." Zufrieden mit sich und ihrer Erklärung trank sie den Orangensaft auf ex und nahm sich dann noch eine Banane. Grazil wie eh und je glitt sie auf den Stuhl mir gegenüber und entfernte sorgfältig die Schale. „Ach Grace. Wie zuvorkommend du bist. Erfüllst du mir meine Wünsche auch sofort?" Ich setzte mich ebenfalls auf einen Stuhl und lehnte mich leicht vor. „Aber immer doch Lucilein." Sie zwinkerte mir zu und ließ dann ihre Lippen provokant langsam über die Banane gleiten. Mit leicht geöffnetem Mund beugte ich mich weiter über den Tisch. „Iss deine Banane und geh. Ich will in Ruhe an meiner Langeweile verrecken." Ihre Lippen umschlossen die Hälfte der Banane nun komplett. Stilvoll köpfte sie diese, bevor sie es dem Rest der Banane weiter besorgte. Ich verdrehte die Augen, woraufhin ein verschmitztes Lächeln auf ihren Lippen erschien. Stöhnend lehnte ich mich zurück und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Dieses Lächeln bedeutete nichts gutes. „Ich habe eine grandiose Idee", verkündete sie kauend und ich war mir sicher, dass diese Idee alles nur nicht grandios war.

Broken InsideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt