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-Pennys Sicht-

Die Zeit in Helsinki geht viel zu schnell um und so steht heute bereits die Abreise an. Seufzend bleibe ich stehen. „Was ist los?", will Sam wissen, die mit mir einen letzten Spaziergang am See entlang macht. „Ich werde das hier alles vermissen. Und außerdem wird es jetzt richtig ernst..." „Hmm, ja das stimmt schon. Dass die Proben ab jetzt im Studio stattfinden, macht das ganze noch viel gegenwärtiger." Ich schlucke. Ich hasse Rivalitäten und Wettkämpfe... „Sam?" „Hm?" „Wir sind doch immer noch ein Team, oder? Wir unterstützen diejenige von uns doch, die ins Finale kommt, oder? Wir bleiben doch Freunde?!" Sam sieht mich an und zieht mich in eine Umarmung. „Natürlich. Natürlich, was denkst du denn?! Jeder von uns hat doch bereits gewonnen. Wir haben uns!" Dankbar für ihre Worte drücke ich sie noch etwas fester an mich. „Ich hab dich lieb." „Ich dich auch, Süße." Wir gehen noch eine Weile weiter, bis es Zeit wird unsere Koffer zu packen und in den Van zu steigen, der uns alle zum Flughafen bringt. „Auf Wiedersehen, Helsinki", flüstere ich und werfe einen letzten betrübten Blick auf die wunderschöne Stadt, die unter uns immer kleiner wird, bis sie nur noch ein nichtssagender Fleck neben tausenden anderen Flecken ist. „Du vermisst es jetzt schon?" „Ja." Seufzend lehne ich meinen Kopf gegen Samus starke Schulter und er beginnt meinen Kopf zu graulen. „Das ist süß", flüstert er mit einem Schmunzeln auf den Lippen. „Du bist süß." Ich habe diese Nacht kaum ein Auge zubekommen, weshalb meine Augen immer schwerer werden, bis sie schließlich zufallen.
Ich öffne die Augen und bin auf einem Zimmer. Hektisch sehe ich mich um. „Wo bin ich?!" „Schschsch, alles gut", höre ich Samus tiefe Stimme und bin sofort beruhigt. Er schlendert zu mir herüber und setzt sich neben mich aufs Bett. „Du hast so tief und fest geschlafen, dass du nichtmal gemerkt hast, wie das Flugzeug bei der Landung gerüttelt hat. Da dachte ich, du hast den Schlaf sicher dringend nötig." „Du hast mich vom Flugzeug bis hierher aufs Zimmer getragen?" Er nickt und ich will ihm als Dank einen Kuss geben, aber er weicht zurück und beginnt lauthals zu lachen. Verwirrt sehe ich ihn an. Was hat er denn jetzt? „Auf gehts, wir müssen runter zum Essen." Immer noch verwirrt und ein wenig gekränkt trotte ich hinter ihm her zum Speisesaal, wo ich mich neben Sam und Lynn setze. „Ist alles in Ordnung?", frage ich unsicher, als auch sie mich einen Moment komisch angucken. Generell habe ich das Gefühl, dass mir alle seltsame Blicke zuwerfen. „Mhm, alles gut, alles gut", kichert Sam und ich fühle mich total unwohl. Ich stehe auf und will auf mein Zimmer gehen um nachzusehen, ob ich irgendwie komisch aussehe. Außerdem ist mir total schlecht - Solche Blicke musste ich in der Vergangenheit schon viel zu oft auf mir spüren und so lösen sie jetzt unwillkürlich Panik in mir aus. „Hey, wo willst du denn hin?", ruft mir Sam noch nach, aber ich bin schon längst zur Tür draußen. „Einfach weg", flüstere ich zu mir selbst und sprinte die Treppe hoch. Auf meinem Zimmer angekommen verschwinde ich sofort im Bad und werfe einen Blick in den Spiegel. „Oh man Leute, euer Ernst?", stöhne ich und betrachte meinen neuen Schnurrbart und meine Monobraue. Ich krame meinen Makeupentferner aus dem Koffer und mache mich an meinem Gesicht zu schaffen. Schließlich ist der Edding zwar runter, aber mein Gesicht ist rot wie ein Krebs. Na toll, jetzt kann ich so wieder zum Buffet gehen... Bestimmt starren mich dann wieder alle an. „Ich kann das nicht", jammere ich und lasse mich mutlos aufs Bett sinken. „Ich kann das nicht..." Mein Blick verschwimmt, als mir Tränen in die Augen steigen. Ich will jetzt nichtmehr unter Leute gehen, diese Situation hat zu viele bittere Erinnerungen aufgewühlt. Schniefend richte ich mein Kissen, setze mich bequem hin und schalte den Fernseher an. Es klopft. „Gerade nicht, bitte!" Es klopft erneut. „Penny, bitte lass mich rein, ich habe auch was zu Essen dabei!" Innerhalb von Sekunden bin ich aufgesprungen und bin an der Tür. „Komm rein", schniefe ich und öffne Samu die Tür. „Danke", sagt er und läuft zum Bett, wo er sich auf den Boden setzt und anlehnt. Zögernd lasse ich mich ihm gegenüber auf dem Boden nieder. „Alles klar, mein Engel?" Eindringlich sieht er mich an. Er sieht ernsthaft besorgt aus. „Ist schon wieder ok", lüge ich und schiebe mir eine Pommes in den Mund, die Samu mir mitgebracht hat. „Hey, ich seh doch, dass nicht alles ok ist!" Bei der Lautstärke zucke ich zusammen. „Tschuldigung." „Alle haben mich so angestarrt vorhin im Speisesaal. Das war wieder wie früher in der Schule und ich habe Panik bekommen." „Fuck, das tut mir unendlich Leid, ich habe mir nichts weiter dabei gedacht...", stammelt Samu und legt seine Hand auf meinen Arm. Ja, die meisten denken sich nichts weiter dabei, denke ich verbittert. Aber Samu kann nichts dafür, es an ihm auszulassen wäre unfair. Ich schlucke. „Ist schon ok."
Er schiebt mir noch eine Pommes in den Mund. Ich habe diese noch garnicht runtergeschluckt, als direkt die Nächste kommt. „Stopp, nötige mich nicht so!", lache ich. „Stell dich nicht so an, das ist nur ne Pommes!" Hä? Und wenns ne Möhre oder Salzstange wäre... schlucken müsste ich doch auch? Fragend sehe ich zu ihm: Er ist breit am Grinsen und muss sich sichtlich zurückhalten um nicht zu lachen. Entgeht mir etwas? Irgendwann kann Samu sich nichtmehr halten und prustet los und so langsam macht es klick. „Samu!", rufe ich empört und verschlucke mich jetzt tatsächlich an der blöden Pommes. „Das ist alles nur in deinem Kopf", lacht Samu und beginnt mir auf den Rücken zu klopfen, bis ich wieder normal atmen kann. „Wohl eher in deinem! Ich habe einfach nur an Pommes gedacht, bis du deinen Lachanfall bekommen hast!" „Hmm, dann wars wohl nur in meinem Kopf...", grinst er und sieht mich mit treuen Augen an. Lachend verdrehe ich die Augen und schmunzle. „Du bist ein Idiot, ein perverser Idiot!" „Stimmt, ich bin dein perverser Idiot!" Schmunzelnd strecke ich mich zu ihm rüber und gebe ihm einen Kuss. „Komm her, mein perverser Idiot."

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