-118-

478 15 1
                                    

-Samus Sicht-

Meine Schulter pocht vor Schmerz und ich bin froh, dass ich mich auf Penny stützen kann, die ihre Arme um mich geschlungen hat. Sie hat mir ja bereits früher einiges von ihrer Vergangenheit und ihrem Leben erzählt und mir war immer klar, dass sie es nicht einfach hat... aber das?! Jetzt ist mir klar, warum sie so scheu war und vor allem auch, warum sie niemanden an sich ranlassen wollte. Der Rest der Familie ist echt sehr nett, aber ihr Vater... Am liebsten hätte ich ihm eine verpasst!Wenn nicht für sein jetziges Verhalten, dann zumindest dafür, was er meinem Engel all die Jahre angetan hat. Ihre Cousine steht auf und läuft zum Ofen, wo sie einen frisch gebackenen Kuchen rauszieht und auf den Tisch stellt. „Hat jemand jetzt noch Appetit?", fragt sie ein wenig niedergeschlagen. „Ich würde liebend gerne ein Stück vom Brownie essen. Samu, du musst den auch probieren, der ist der Hammer!" „Dann hätte ich gerne auch ein Stück", lächle ich und wir bekommen Teller hingeschoben. „Was macht die Schulter?", erkundigt sich der Mann der Cousine. Vorsichtig versuche ich sie zu bewegen. Es tut noch weh, aber es geht so langsam wieder. „Es wird besser", lächle ich und nehme eine Kabel Kuchen. Als Penny und ich aufgegessen haben, ruhen die Blicke der anderen auf uns. „Was ist?", fragt Penny grinsend. „Würdet ihr etwas für uns singen?" Aus dem Augenwinkel sehe ich ein Klavier. „Klar, was denkst du, Engel?" Penny nickt. „Oh, wie süß! Engel!", flötet die Cousine und auch die Tante sieht uns lächelnd an. „Was sollen wir denn singen?" „Home", antworten Penny und ihre Großcousine gleichzeitig und grinsen sich an. Wir stehen auf und ich setze mich ans Klavier, während Penny sich neben mich auf den Hocker quetscht. Wir beginnen zu singen und alle halten den Atem an. „Cause you are home to me", beenden wir den Song und ich sehe Penny verliebt an, die mir dabei direkt in die Augen sieht. Ich habe das Gefühl, dass sie die letzten Worte nur an mich gerichtet hat und ich merke, wie mein Herz zu rasen beginnt. Ich bemerke, wie die Anderen sich zu uns gesellen und bevor Penny und ich aufstehen können, werden wir in eine Gruppenumarmung gezogen. „Das war wunderschön", seufzt die Tante und alle stimmen zu. „Hört zu ihr zwei, es tut mir unfassbar Leid, wie der Tag hier angefangen hat. Aber wenn irgendetwas ist, dann verspreche ich, dass wir hinter euch stehen und für euch da sind." „Danke, Cousinchen." Penny ist sichtlich gerührt, was auch meine Augen ein wenig feucht werden lässt. „Vielen Dank", murmle auch ich und für einen kurzen Moment ist der ganze Streit des Tages vergessen, als ich in die Runde blicke und lauter wohlwollende, strahlende Gesichter sehe. „Ihr könnt auch gerne hier übernachten, wenn ihr möchtet." Penny wirft mir einen fragenden Blick zu. „Entscheide du." „Ich will die Entscheidung meines Vaters hören", sagt sie bitter und ich nicke. „Was steht bei euch denn noch so an?" „Wir haben morgen noch ein Interview, dann entscheiden wir, ob wir noch ein paar Tage in Deutschland bleiben, oder zurück nach Finnland fliegen." „Und eure Pläne zu Silvester?" Ich grinse. Ich habe da schon so meine Pläne geschmiedet, aber das soll eine Überraschung werden. „Nichts besonderes", gebe ich als Antwort zurück. „Wir sollten dann auch mal so langsam wieder gehen Leute. Danke für Alles." Penny und ich umarmen alle der Reihe nach und ich sehe, dass ihr besonders bei Marvin der Abschied schwerfällt. „Wir bleiben ab jetzt auf jeden Fall in Kontakt, ja?" „Klar! Du bist toll, Penny und ich wünsch dir von Herzen alles Gute!" Ich nehme ihre Hand und wir sind bereits zur Türe draußen, als ihre Cousine uns mit einer Tüte hinterherrennt. „Nehmt noch ein bisschen Kuchen mit!" „Danke!", lacht Penny und wir machen uns auf zum BMW. Leider nicht meiner, aber schön ist er trotzdem. Bereits nach der ersten Kurve merke ich, dass ich beim Lenken Schmerzen in der Schulter habe und fahre ran. „Was ist?", fragt Penny verwirrt. „Kannst du fahren?" „Dein Ernst? Du liebst doch das Fahren!" „Ja, aber meine Schulter tut dabei weh...", murmle ich missmutig. „Aww, mein armer Schatz", lächelt sie, gibt mir einen Kuss auf die Wange und streicht mir durchs Haar. Hmm, ich muss zugeben, dass es mir gefällt, wie sie mich behandelt. Wir tauschen Plätze und ich betrachte kurz die Umgebung, bevor ich meinen Blick auf Penny richte, die konzentriert und deutlich langsamer als ich es tuen würde zu ihrer ehemaligen Wohnung mit ihren Eltern fährt. Ich weigere mich, das als zu Hause zu bezeichnen. Vor dem Haus, in dem die Wohnung liegt, parkt sie und steigt aus. Ich bleibe noch einen Moment sitzen. Ich hoffe, dass ich ihrem Vater nicht begegne. Und ich hoffe, dass er sich für sie entscheidet. Sonst bin ich derjenige, der zwischen den Beiden steht... „Kommst du?", fragt sie und öffnet mir umsichtig die Türe. Seufzend steige ich aus. „Hör zu: Meine Mutter hat schon Kartons bereitgestellt, in die ich zuerst mal mein ganzes Zeug packe, damit ichs losschicken kann. Dann werden wir sehen, wie die Stimmung meines Vaters ist und ob es sich lohnt nochmal zu reden, oder ob wir uns einfach gleich in den Wohnkeller verziehen." „Okay..." „Hey, ich schmeiß mich dazwischen, wenn er wieder aggressiv wird", zwinkert sie und ich folge ihr ins Haus. Genau davor habe ich die größte Angst; dass sie dabei verletzt werden könnte. Wir steigen die Treppe hinauf, bis wir schließlich vor der Wohnungstüre stehen. „Bereit?" „Bereit." Lieber Gott, lass alles gut gehen... Wir betreten die Wohnung und ich sehe im Wohnzimmer ihre Eltern sitzen. Ohne sie zu grüßen marschiert Penny den Flur nach hinten, wo sich scheinbar ihr Zimmer befindet. Als sie die Türe öffnet, muss ich grinsen. „Dezent", lache ich und betrachte die roten Wände. In der Mitte des kleinen Raumes stehen große Kartons. Ich will ihr dabei helfen ihre Sachen darin zu verstauen, aber sie baut sich vor mir auf. „Du schonst dich gefälligst." Nagut... Ich lasse mich aufs Bett fallen und sehe ihr zu, als ich ein Klopfen höre und herumfahre. „Nicht erschrecken, ich bins nur", lächelt Pennys Mutter uns an. Wirklich glücklich sieht sie nicht aus. „Was ist?", fragt Penny ohne das Packen zu unterbrechen. „Mir tut das unglaublich Leid. Du kennst ihn ja, er ist manchmal ein bisschen stur..." Ruckartig dreht Penny sich zu ihr um und fixiert sie. Ihr Blick ist eisig. „Hat das heute nicht gereicht, um dir mal die Augen zu öffnen?!" „Ach komm, Schatz..." „Hat er sich entschieden?" Ich höre Schritte und Pennys Vater tritt hinter ihre Mutter. Sofort bin ich wieder in Alarmbereitschaft. „Hör zu, Penny. Wenn es das ist, was du wirklich willst, dann muss ich irgendwie damit umgehen... Und was die Situation vorhin betrifft: Ich glaube wir haben beide etwas überreagiert." Ich reiße mich zusammen. Hauptsache kein Streit. „Sag mal, bekommst du noch was mit?! Dank dir kann er seine Schulter kaum bewegen! Du bist hier der Einzige, der überreagiert hat!" Wieder macht er ein verächtliches Geräusch. „Okay, wir sind weg!" Penny stürmt an ihren Eltern vorbei, als er ihr hinterherruft: „Okay, es tut mir Leid!" Er sieht mich an und wiederholt in normaler Lautstärke: „Es tut mir Leid..." Ich schlucke meinen Ärger hinunter und nicke knapp. „Ist ok." „Nein, ich meine es ernst. Ich schätze ich muss meine Einstellungen tatsächlich überdenken." Oh, er scheint es wirklich ernst zu meinen! Penny kommt zusammen mit Sunny zurück ins Zimmer, was damit dann auch schon voll ist. „Okay. Ich hoffe, dass du das wirklich ernst meinst." Er nickt. „Ok, die Kartons sind fertig gepackt. Würdet ihr sie morgen, wenn die Post wieder auf hat, losschicken?" „Klar." „Dann gehen wir mal runter..." Ich stehe auf und will hinter Penny hergehen, stolpere jedoch über einen Karton und stürze. Ich falle auf meine eh schon schmerzende Schulter. „Aaahh!", stöhne ich gequält auf und kneife die Augen zusammen.

like a skyscraperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt